BERLIN (dpa) — Die russi­sche Führung hat wieder­holt gelogen, ihre strate­gi­schen Kriegs­zie­le rückbli­ckend aber ganz deutlich ausge­spro­chen. Droht also eine Auswei­tung der Kämpfe auf das moldaui­sche Separa­tis­ten­ge­biet Transnistrien?

Die Ampel-Politi­ker Marie-Agnes Strack-Zimmer­mann und Anton Hofrei­ter warnen vor einem Übergrei­fen des russi­schen Angriffs­krie­ges auf das Separa­tis­ten­ge­biet Trans­nis­tri­en in der Republik Moldau.

«Man muss befürch­ten, dass Moldau das nächs­te Ziel ist. Und deswe­gen sind wir ja auch so fest davon überzeugt, dass man Putin jetzt in der Ukrai­ne stoppen muss», sagt Hofrei­ter (Grüne), Vorsit­zen­der des Europa­aus­schus­ses im Bundes­tag, der Deutschen Presse-Agentur in einem gemein­sa­men Inter­view mit Marie-Agnes Strack-Zimmer­mann (FDP). Wenn Putin «in irgend­ei­ner Form mit einem Sieg davon­kommt, ist es nur eine Frage der Zeit bis das nächs­te Land dran ist: die Republik Moldau dann das Balti­kum». Auch Polen habe ernst­haf­te Sorgen.

Trans­nis­tri­en für Moskau ein Hebel

Moldau grenzt im Westen an den EU-Staat Rumäni­en und ist im Osten von der Ukrai­ne umgeben. Prorus­si­sche Separa­tis­ten beherr­schen mit Trans­nis­tri­en einen schma­len Landstrei­fen zwischen dem Fluss Dnister und der Grenze zur Ukrai­ne, der etwas größer als Luxem­burg ist. Dort sind russi­sche Solda­ten statio­niert. Trans­nis­tri­en ist für Moskau ein Hebel, um Druck auf die Ex-Sowjet­re­pu­blik Moldau auszu­üben. Denkbar wäre ein Vorstoß russi­scher Truppen weiter entlang der ukrai­ni­schen Schwarz­meer­küs­te und dann nördlich nach Transnistrien.

Strack-Zimmer­mann, die Vorsit­zen­de des Vertei­di­gungs­aus­schus­ses ist, analy­siert: «Das was für die Ukrai­ne gilt, gilt natür­lich auch für Moldau. Es geht um die grund­sätz­li­che Frage, autar­ke Länder wieder in ein großes russi­sches Reich einzu­ver­lei­ben. Von Wladi­mir Putin in der Vergan­gen­heit immer wieder artiku­liert, offen­sicht­lich aber so, dass Deutsch­land die Möglich­keit sah, das zu überhö­ren oder gar gepflegt weg zu hören.»

«Panzer schnells­tens fahrtüch­tig machen»

Die FDP-Politi­ke­rin macht deutlich, dass sie zügige Fortschrit­te bei der verein­bar­ten Liefe­rung von Flugab­wehr­pan­zern Gepard an die Ukrai­ne erwar­tet. «Die politi­sche Entschei­dung ist jetzt da», sagt sie. Die Ausfuhr von Kriegs­waf­fen müsse nun im Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um gezeich­net werden. «Dann bedarf es aber eines Vertra­ges zwischen der Ukrai­ne und der Indus­trie, auch wenn wir das bezah­len. Es ist nun der Job der Indus­trie, die Panzer schnells­tens fahrtüch­tig zu machen, zu liefern und dafür zu sorgen, dass entspre­chend Muniti­on dazu kommt.»

Der Rüstungs­her­stel­ler Krauss-Maffei Wegmann (KMW) hat 50 gebrauch­te Panzer auf Lager und wartet auf Regelun­gen zum Verkauf. Geprüft wird auch, ob aus Bestän­den der Bundes­wehr eine mittle­re einstel­li­ge Stück­zahl der Panzer­hau­bit­ze 2000 abgege­ben werden kann. «Unsere Verant­wor­tung ist es, die Waffen bis an die ukrai­ni­sche Grenze zu bringen. Jenseits der Grenze ist Kriegs­ge­biet, das ist dann die Verant­wor­tung der Ukrai­ne», sagt Hofrei­ter. «Völker­recht­lich gibt es keinen Unter­schied zwischen leich­ten und schwe­ren Waffen, entschei­dend ist, dass wir ein angegrif­fe­nes Land unterstützen.»

AfD demokra­tie­feind­lich wie Putin

Beide kriti­sie­ren die Haltung der AfD zum russi­schen Angriff. «Die AfD muss sich fragen lassen, ob sie nicht die Helfers­hel­fer eines Kriegs­ver­bre­chers sind», sagt Hofrei­ter. Die Abgeord­ne­ten der AfD seien von Putin angetan, da sie dessen gesell­schaft­li­che Vorstel­lun­gen teilten. Der Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te zählt auf: «Sie sind demokra­tie­feind­lich, sie sind Autokra­ten, sie sind Gegner der freien Presse. Sie sind homophob, sie sind frauen­feind­lich. Deshalb schät­zen sie ihn.»

Strack-Zimmer­mann kriti­siert Redebei­trä­ge des AfD-Frakti­ons­chefs Tino Chrup­al­la und des AfD-Ehren­vor­sit­zen­den Alexan­der Gauland vom vergan­ge­nen Donners­tag. «Das war doch eine Ansage aus Sicht Putins, das sind doch Liebes­grü­ße aus Moskau», sagt die FDP-Abgeord­ne­te. Bei der AfD gelte das Motto: «Wir sind jetzt fried­lich, damit die Russen brutal weiter­ma­chen können und sich nicht ärgern müssen.» Sie sagt: «Die AfD teilt mit Russland das Ziel, unsere Demokra­tie aus den Angeln zu heben.»

Waffen­lie­fe­rung mit großer Mehrheit beschlossen

Der Bundes­tag hatte die Regie­rung am Donners­tag mit großer Mehrheit aufge­for­dert, die «Liefe­rung benötig­ter Ausrüs­tung an die Ukrai­ne fortzu­set­zen und wo möglich zu beschleu­ni­gen und dabei auch die Liefe­rung auf schwe­re Waffen und komple­xe Syste­me etwa im Rahmen des Ringtau­sches zu erwei­tern». 66 Abgeord­ne­te der AfD-Frakti­on stimm­ten gegen den Antrag, vier stimm­ten dafür. Drei AfD-Abgeord­ne­te enthiel­ten sich, sieben Frakti­ons­an­ge­hö­ri­ge gaben keinen Stimm­zet­tel ab.

Aus den Reihen der Links­frak­ti­on stimm­ten 32 Abgeord­ne­te gegen den Antrag, sieben Parla­men­ta­rie­rin­nen und Parla­men­ta­ri­er der Linken gaben keinen Stimm­zet­tel ab. Hofrei­ter kommen­tiert dieses Abstim­mungs­ver­hal­ten mit den Worten: «Die Links­par­tei ist einfach zutiefst verwirrt, weil sie immer noch nicht verstan­den hat, dass das nicht mehr ihr altes Idol die Sowjet­uni­on ist.»

Strack-Zimmer­mann, Hofrei­ter und der Vorsit­zen­de des Ausschus­ses für Auswär­ti­ges, Micha­el Roth (SPD), waren im April gemein­sam zu Gesprä­chen in die Ukrai­ne gereist. Als Verfech­ter der Liefe­rung schwe­rer Waffen sind die FDP-Politi­ke­rin und der Grüne nun in enger Zusam­men­ar­beit verbun­den. Auf die Frage, was sie anein­an­der schät­zen, antwor­ten Strack-Zimmer­mann und Hofrei­ter uniso­no: die klar formu­lier­ten Positionen.

Von Carsten Hoffmann und Anne-Beatri­ce Clasmann, dpa