BERLIN (dpa) — Die Schweiz verwei­gert Deutsch­land eine Freiga­be von Spezi­al­mu­ni­ti­on für die Flugab­wehr der Ukrai­ne. Die Vorsit­zen­de des Vertei­di­gungs­aus­schuss fordert Konsequenzen.

Die Vorsit­zen­de des Vertei­di­gungs­aus­schus­ses im Bundes­tag, Marie-Agnes Strack-Zimmer­mann, fordert wegen des Schwei­zer Vetos gegen die Liefe­rung von Flugab­wehr­mu­ni­ti­on an die Ukrai­ne eine grund­sätz­li­che Überprü­fung der Lieferketten.

Deutsch­land könne sich nicht länger — wie im Fall der Schwei­zer Muniti­on für den Flugab­wehr­ka­no­nen­pan­zer Gepard — abhän­gig machen, sagte die FDP-Politi­ke­rin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie verwies auch darauf, dass in den kommen­den Jahren Muniti­ons­käu­fe im Umfang von 20 Milli­ar­den Euro oder mehr nötig seien. Die Schweiz hatte die Weiter­ga­be von Gepard-Muniti­on am Donners­tag zum zweiten Mal blockiert und auf die eigene Neutra­li­tät «im Verhält­nis Russland-Ukrai­ne» verwiesen.

Strack-Zimmer­mann: Müssen Neutra­li­täts­sta­tus akzeptieren

«Selbst­ver­ständ­lich haben wir, wenn es auch schwer fällt, als befreun­de­te Nachbarn zu akzep­tie­ren, wenn die Schweiz aufgrund ihres Neutra­li­täts­sta­tus keine Muniti­on weiter­rei­chen will, die in Krisen­ge­bie­ten einge­setzt wird», sagte Strack-Zimmer­mann. «Bedau­er­lich ist es aller­dings, da die Muniti­on für den Gepard benötigt wird, um primär Luftan­grif­fe auf mit Weizen belade­ne Schif­fe in den ukrai­ni­schen Häfen abzuweh­ren. Wenn dies nicht gelingt, hat das am Ende für 190 Millio­nen Menschen weltweit zur Folge, in eine Hungers­not zu geraten.»

Für die Vertei­di­gungs­po­li­ti­ke­rin drängen sich zudem sicher­heits­po­li­ti­sche Fragen auf. «Was geschieht eigent­lich, wenn Deutsch­land oder einer der Nato-Staaten angegrif­fen würde und die in der Schweiz herge­stell­te Muniti­on aufgrund dieser “Neutra­li­tät” nicht gelie­fert würde?»

Die in der Bundes­wehr ausge­mus­ter­ten und der Ukrai­ne überlas­se­nen Gepard-Panzer sind mit einer 35mm-Zwillings­ka­no­ne der Schwei­zer Rüstungs­schmie­de Oerli­kon ausge­stat­tet. Der Herstel­ler von Waffen und Muniti­on gehört heute zu Rheinmetall.

«Verläss­lich­keit ist unabdingbar»

Strack-Zimmer­mann verwies darauf, dass die Bundes­wehr aus der Schweiz auch Muniti­on für ihr Flugab­wehr-Waffen­sys­tem Mantis, Muniti­on für die Haupt­be­waff­nung des Schüt­zen­pan­zers Puma sowie für die Kampf­flug­zeu­ge Torna­do und Eurofigh­ter bezie­he. «Die Welt ist sicher­heits­po­li­tisch seit dem 24. Febru­ar eine andere, und Deutsch­land muss umgehend bei der Bestel­lung von Muniti­on die entspre­chen­den Liefer­we­ge überprü­fen, gegebe­nen­falls verän­dern oder anpas­sen», sagte sie mit Hinweis auf den Tag der russi­schen Angriffs auf die Ukrai­ne. Sie forder­te: «Verläss­lich­keit in dieser Situa­ti­on ist unabdingbar.»

Der Schwei­zer Wirtschafts­mi­nis­ter Guy Parme­lin hatte der deutschen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht (SPD) am Donners­tag geschrie­ben, Bern könne solch einer Liefe­rung von in der Schweiz herge­stell­tem Kriegs­ma­te­ri­al nicht zustim­men, wenn das Empfän­ger­land in einen inter­na­tio­na­len Konflikt verwi­ckelt sei. Berlin hatte schon zuvor einmal die Schweiz wegen der rund 12 400 Patro­nen schwei­ze­ri­schen Ursprungs für den Flugab­wehr­ka­no­nen­pan­zer für die Ukrai­ne angesucht. Anfang Juni hatte Parme­lin den Export mit Verweis auf die Schwei­zer Neutra­li­tät erstmals formell abgelehnt.