BERLIN (dpa) — Zu Beginn des Ukrai­ne-Kriegs gab es zwischen der Ampel-Koali­ti­on und der CDU/C­SU-Opposi­ti­on noch weitge­hen­den Konsens. Der ist längst zerbrö­selt und einer Ausein­an­der­set­zung gewichen.

Antrag gegen Antrag: Der Streit zwischen der Ampel-Koali­ti­on und der Union über die richti­ge Unter­stüt­zung der Ukrai­ne in ihrem Abwehr­kampf gegen Russland wird sich in dieser Woche im Bundes­tag voraus­sicht­lich weiter verschärfen.

Die größte Opposi­ti­ons­frak­ti­on hat einen Vorschlag für einen Antrag vorge­legt, in dem sie fordert, die deutschen Waffen­lie­fe­run­gen «in Quanti­tät und Quali­tät unver­züg­lich und spürbar» zu inten­si­vie­ren. Das schlie­ße auch schwe­re Waffen ein. Die Union bot SPD, Grünen und FDP zugleich an, ein gemein­sa­mes Papier zu erarbei­ten. Die Ampel-Fraktio­nen arbei­ten jedoch an einem eigenen Antrag.

Antrags­ent­wurf der Union

Die Union fordert in ihrem Papier, Deutsch­land müsse sich jetzt «seinen Verbün­de­ten in EU und Nato anschlie­ßen und einen entschlos­se­nen Beitrag zur Stärkung der ukrai­ni­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräf­te leisten — auch und gerade mit schwe­ren Waffen». Der Antrags­ent­wurf liegt der Deutschen Presse-Agentur vor, zuerst hatte die «Süddeut­sche Zeitung» darüber berichtet.

Konkret wird die Bundes­re­gie­rung aufge­for­dert, «aus verfüg­ba­ren Bestän­den der Bundes­wehr in größt­mög­li­chem Umfang Rüstungs­gü­ter direkt für die Ukrai­ne bereit­zu­stel­len und unver­züg­lich dorthin zu liefern, inklu­si­ve «schwe­rer Waffen» wie gepan­zer­te Waffen­sys­te­me (darun­ter Kampf­pan­zer und Schüt­zen­pan­zer) und Artil­le­rie­sys­te­me». Gelie­fert werden sollten auch weitrei­chen­de Aufklä­rungs­mit­tel, Führungs­aus­stat­tun­gen, Schutz­aus­rüs­tun­gen, Mittel zur elektro­ni­schen Kampf­füh­rung, Geweh­re, Muniti­on, Flugab­wehr­ra­ke­ten, Panzer­ab­wehr­waf­fen «sowie aller weite­rer erfor­der­li­chen Mittel zur Bekämp­fung der russi­schen Invasionstruppen».

SPD-Politi­ker Roth nennt Antrag «schäbig»

Der SPD-Politi­ker Micha­el Roth hat den Antrag der CDU/C­SU-Frakti­on scharf kriti­siert. «Diesen Versuch von CDU und CSU, bei so einem sensi­blen Thema die Koali­ti­on spalten zu wollen, finde ich tenden­zi­ell schäbig», sagte der Vorsit­zen­de des Auswär­ti­gen Ausschus­ses im Bundes­tag der Deutschen Presse-Agentur. Der Bundes­tag müsse genutzt werden, um der Bevöl­ke­rung in diesen schwie­ri­gen Zeiten Orien­tie­rung zu geben. «Wir brauchen jetzt schnell einen breiten Konsens in der deutschen Politik», mahnte er.

Roth befür­wor­te­te grund­sätz­lich die Liefe­rung schwe­rer Waffen aus Nato-Staaten. «Ich kann dem Bundes­kanz­ler nur zustim­men: Wir müssen uns mit unseren Partnern in Nato und EU eng abstim­men», sagte er. «Und inzwi­schen werden ja aus Nato-Staaten auch sogenann­te schwe­re Waffen gelie­fert. Hier gibt es also inzwi­schen eine Verstän­di­gung inner­halb des Bündnis­ses. Gut so!»

Auch für eine direk­te Liefe­rung schwe­rer Waffen durch die deutsche Indus­trie zeigte Roth sich offen. Dabei müssten Fragen wie Ausbil­dungs­mög­lich­kei­ten, siche­rer Trans­port und Möglich­kei­ten zur Wartung abgewo­gen werden. «Da habe ich den Eindruck, dass man auch hierfür in enger Zusam­men­ar­beit mit den Staaten, die unmit­tel­bar an die Ukrai­ne angren­zen, beispiels­wei­se Polen, Slowa­kei oder Rumäni­en, rasch vernünf­ti­ge Lösun­gen finden kann.» Der Bundes­re­gie­rung liegen mehre­re Anträ­ge für die Liefe­rung schwe­rer Waffen in die Ukrai­ne vor, über die sie noch entschei­den muss.

Roth beton­te, dass Deutsch­land aus seiner Sicht auch bei einer Liefe­rung schwe­rer Waffen nicht zur Kriegs­par­tei werde. «Waffen­lie­fe­run­gen an ein Land, das überfal­len wird, sind völker­recht­lich kein Eintritt in diesen Krieg. Wir werden nicht durch Waffen­lie­fe­run­gen zur Kriegspartei.»

Scholz bewegt sich nicht

Kanzler Scholz hat der Liefe­rung schwe­rer Waffen aus den Bestän­den der Bundes­wehr zunächst aber eine Absage erteilt. Die Bundes­re­gie­rung will statt­des­sen Waffen­lie­fe­run­gen der Indus­trie finan­zie­ren und Bündnis­part­ner, die zum Beispiel Panzer aus russi­scher Produk­ti­on an die Ukrai­ne liefern, mit Ersatz­ge­rät versor­gen sowie Ausbil­dung und Muniti­on beisteuern.

Die Union schick­te ihren Entwurf am Sonntag an die Ampel — «verbun­den mit dem Angebot der Unions­frak­ti­on, einen gemein­sa­men Antrag zu erarbei­ten», wie Frakti­ons­chef Fried­rich Merz sagte. «Es ist keine Taktie­re­rei, sondern ein aufrich­ti­ges Gesprächs­an­ge­bot», versi­cher­te der CDU-Vorsit­zen­de. Dem Sender Welt sagte Merz am Montag, die Union gebe «keine vergif­te­ten Angebo­te» ab, «sondern wir nehmen ganz einfach unsere Verant­wor­tung wahr». Der CDU-Außen­po­li­ti­ker Roderich Kiese­wet­ter sagte der «Rheini­schen Post», dass die Koali­ti­on offen­sicht­lich jetzt plane, einen eigenen Antrag einzu­brin­gen, sei «ein Erfolg unserer Oppositionsarbeit».

FDP spricht von «politi­schem Move» der Union

Die FDP-Vertei­di­gungs­po­li­ti­ke­rin Marie-Agnes Strack-Zimmer­mann, die sich deutlich für die Liefe­rung schwe­rer Waffen einsetzt, hatte der Union schon am Sonntag eine Abfuhr erteilt: «Wir werden mit Sicher­heit nicht zulas­sen, dass Fried­rich Merz glaubt, mit einem solchen politi­schen Move diese Ampel zu spren­gen. Das wird ihm nicht gelin­gen», sagte sie dem ARD-Haupt­stadt­stu­dio. Die SPD-Vorsit­zen­de Saskia Esken warf der Union am Montag partei­tak­ti­sche Spiel­chen vor. Der Co-Vorsit­zen­de Lars Kling­beil hatte zuvor schon von einem «Krawall­kurs» der Union gesprochen.

Die Grünen-Co-Vorsit­zen­de Ricar­da Lang sagte am Montag in Berlin: «Ich glaube, wir sind uns sehr einig, dass die Ukrai­ne unsere Unter­stüt­zung braucht, dass das auch durch Waffen­lie­fe­run­gen erfolgt.» Die Unter­schie­de zwischen dem Antrag, den die Ampel vorbe­rei­te, und dem der Union seien am Ende des Tages gar nicht so groß. Man könne sich deshalb sicher «auf ein gemein­sa­mes Vorha­ben einigen, das wäre zumin­dest mein Wunsch».

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) wird seit Wochen Zöger­lich­keit beim Thema Waffen­lie­fe­run­gen vorge­wor­fen — auch aus der eigenen Koali­ti­on. Rücken­de­ckung erhielt er jetzt von Lang, die erklär­te, sie habe ihn «als jeman­den kennen­ge­lernt, auch in der persön­li­chen Zusam­men­ar­beit, der bereit ist, Führung und Verant­wor­tung zu übernehmen».

Auch Habeck vertei­digt die Linie

Vizekanz­ler Robert Habeck (Grüne) beton­te am Sonntag­abend in der ZDF-Sendung «Berlin direkt»: «Wir tun ja bereits viel. Wir kümmern uns darum, dass schwe­re Waffen in die Ukrai­ne kommen.» Er verwies etwa auf den bereit­ge­stell­ten Geldtopf für Waffen­käu­fe bei der Indus­trie. «Abhän­gig von der Kriegs­dy­na­mik bin ich mir sicher, dass auch die Bundes­wehr und auch die Bundes­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin immer wieder überprü­fen wird, ob wir mehr abgeben können.»

SPD-Chefin Esken lehnte die Liefe­rung von Panzern an die Ukrai­ne durch die deutsche Indus­trie oder aus Bestän­den der Bundes­wehr aber erneut ab. Die Frage direk­ter Liefe­run­gen durch die deutsche Indus­trie stehe derzeit nicht zur Debat­te, weil die herge­stell­ten Panzer nicht direkt einge­setzt werden könnten, sagte sie. «Es benötigt lange Schulun­gen und langes Training.» Für Wartung und Repara­tur gebraucht würden zudem Ersatz­tei­le, «die wir nicht mitlie­fern können», sowie Monteu­re. Im Verbund mit Nato und EU unter­stüt­ze Deutsch­land die Ukrai­ne aber «mit allen Mitteln, die uns zur Verfü­gung stehen», beton­te Esken.