STUTTGART (dpa/lsw) — Was sagt Kretsch­mann zu den Ermitt­lun­gen gegen seinen Innen­mi­nis­ter und Vertrau­ten? Behal­ten Grüne und CDU die Nerven, auch wenn sich die Affäre noch Wochen hinzieht? Indes schiebt die Staats­an­walt­schaft einer Forde­rung der Opposi­ti­on einen Riegel vor.

Die Affäre um die Weiter­ga­be eines Anwalts­schrei­bens an die Presse durch Innen­mi­nis­ter Thomas Strobl belas­tet auch die grün-schwar­ze Landes­re­gie­rung. An diesem Diens­tag dürfte sich Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) in der Regie­rungs-Presse­kon­fe­renz erstmals zu den Ermitt­lun­gen der Staats­an­walt­schaft gegen Strobl äußern. Die Opposi­ti­on fordert die Entlas­sung des Innen­mi­nis­ters. Bevor die Ermitt­lun­gen gegen Strobl am Mittwoch­abend bekannt wurden, hatte sich Kretsch­mann hinter seinen Vize-Regie­rungs­chef gestellt. «Ich schät­ze Thomas Strobl sehr und er hat weiter mein volles Vertrau­en», sagte Kretsch­mann vergan­ge­ne Woche.

Die Ankla­ge­be­hör­de hatte mitge­teilt, sie ermit­te­le gegen einen Journa­lis­ten und den Minis­ter. Der Repor­ter wird verdäch­tigt, aus amtli­chen Dokumen­ten eines laufen­den Verfah­rens zitiert zu haben. Strobl wieder­um soll ihn dazu angestif­tet haben. Im Zentrum der Affäre stehen eigent­lich Ermitt­lun­gen gegen einen führen­den Polizis­ten wegen des Verdachts der sexuel­len Beläs­ti­gung. Strobl hatte am Mittwoch einge­räumt, im Dezem­ber einem Journa­lis­ten ein Schrei­ben des Anwalts des Polizis­ten weiter­ge­ge­ben zu haben.

Staats­an­walt­schaft: Ermäch­ti­gung kann nur Innen­mi­nis­te­ri­um erteilen

Inzwi­schen stell­te die Staats­an­walt­schaft klar, dass sie nicht wegen der Verlet­zung von Dienst­ge­heim­nis­sen ermit­teln wird. Die Opposi­ti­on aus SPD und FDP hatte das Staats­mi­nis­te­ri­um aufge­for­dert, anstel­le des Innen­mi­nis­te­ri­ums die Ankla­ge­be­hör­de für solche Ermitt­lun­gen zu ermäch­ti­gen. Eine Spreche­rin der Staats­an­walt­schaft Stutt­gart erklär­te nun der Deutschen Presse-Agentur: «In diesem Fall ist nach dem Gesetz für die Ertei­lung der Straf­ver­fol­gungs­er­mäch­ti­gung das Innen­mi­nis­te­ri­um zuständig.»

Das Innen­mi­nis­te­ri­um argumen­tiert, es hande­le sich bei dem Schrei­ben des Anwalts nicht um ein amtli­ches Schrei­ben und auch nicht um ein Dienst­ge­heim­nis, deswe­gen habe man die Ermäch­ti­gung für Ermitt­lun­gen nicht erteilt. In dem Schrei­ben hatte der Anwalt des suspen­dier­ten Beamten dem Minis­te­ri­um ein persön­li­ches Gespräch angebo­ten, das für beide Seiten besser sei als ein juris­ti­sches Verfah­ren. Strobl erklär­te nun, dies sei ein «vergif­te­tes Angebot» gewesen. Er habe für «maxima­le Trans­pa­renz» sorgen und verhin­dern wollen, dass die andere Seite das Schrei­ben lanciert.

Warum wird erst fünf Monate nach Erschei­nen des Artikels ermittelt?

Nachdem Strobl am vergan­ge­nen Mittwoch im Innen­aus­schuss und in einer anschlie­ßen­den Presse­kon­fe­renz einge­räumt hatte, das Anwalts­schrei­ben einem Journa­lis­ten übermit­telt zu haben, teilte die Ankla­ge­be­hör­de kurz danach mit, nun wegen Verdachts verbo­te­ner Mittei­lun­gen über Gerichts­ver­hand­lun­gen zu ermit­teln — und das, obwohl der Zeitungs­ar­ti­kel bereits Ende Dezem­ber erschie­nen war. Die Spreche­rin der Staats­an­walt­schaft erklär­te nun, durch die Aussa­gen des Minis­ters am Mittwoch hätten «sich Gesichts­punk­te ergeben, die Anlass zu einer erneu­ten Prüfung des Sachver­halts (…) gaben» — nun aber mit einem neuen Verdacht.

Die Ankla­ge­be­hör­de bestä­tig­te zudem die Angaben des Minis­te­ri­ums vom Sonntag, dass man mittler­wei­le auch gegen einen Mitar­bei­ter des Innen­mi­nis­te­ri­ums ermit­te­le, «der auf Veran­las­sung des Herrn Innen­mi­nis­ters das Anwalts­schrei­ben an den Journa­lis­ten übersandt haben soll». Es gehe hier um den Verdacht der Beihil­fe zur verbo­te­nen Mittei­lung über Gerichtsverhandlungen.

Die FDP und der umstrit­te­ne Titel für die Debat­te über Strobl

Am Diens­tag­mor­gen will das Landtags­prä­si­di­um darüber beraten, ob die FDP-Frakti­on eine aktuel­le Debat­te mit dem Titel «Verrat von oben — wer kann dem Dienst­herrn Strobl noch trauen?» beantra­gen darf. Landtags­prä­si­den­tin Muhte­rem Aras (Grüne) hatte dies mit dem Argument abgelehnt, es sei jahrzehn­te­lan­ge Parla­ments­pra­xis, dass bei solchen Debat­ten-Titeln «schwe­re persön­li­che Vorwür­fe unzuläs­sig sind». Die FDP soll den Titel nun anders formu­lie­ren. FDP-Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke kriti­sier­te die Ableh­nung durch die Parla­ments­che­fin. «Das ist der offen­sicht­li­che Versuch der Regie­rungs­ko­ali­ti­on, die Aufklä­rung der Verfeh­lun­gen von Herrn Strobl zu behin­dern und Strobls Straf­ta­ten schönzureden.»