BIBERACH — Um die inter­na­tio­na­len Klima­zie­le zu errei­chen, müssen die Volks­wirt­schaf­ten weltweit ihre Treib­haus­gas-Emissio­nen in allen Sekto­ren deutlich reduzie­ren. Das gilt auch für die Bauin­dus­trie und ihre Partner. Auch deshalb arbei­tet Liebherr als einer der größten Bauma­schi­nen­her­stel­ler an neuen, effizi­en­ten Antriebs­kon­zep­ten. Das Unter­neh­men setzt dabei auf Techno­lo­gie­of­fen­heit. Die Ergeb­nis­se einer Studie bestä­ti­gen diesen Weg.

Im Auftrag der Firmen­grup­pe Liebherr hat die Wirtschafts­be­ra­tung Frontier Econo­mics eine Lebens­zy­klus-Analy­se der Treib­haus­gas-Emissio­nen von typischen Bauma­schi­nen durch­ge­führt. Dabei ermit­tel­ten die Exper­tin­nen und Exper­ten, wieviel CO2 von der Herstel­lung über den Betrieb bis zum Recycling der Maschi­nen entsteht. Ein und diesel­be Maschi­ne wurden dabei mit unter­schied­li­chen Antriebs­lö­sun­gen ausgestattet.

Ziel der Analy­se war es, die Emissio­nen der Maschi­nen und ihrer Antrie­be ganzheit­lich zu erfas­sen, um zu erken­nen und zu bewer­ten, auf welche Weise am meisten Treib­haus­ga­se einge­spart werden können. Wichtig dabei ist der Blick auf den gesam­ten Lebens­zy­klus der Maschi­nen. Dieser reicht vom Abbau und Trans­port der Rohstof­fe über die Produk­ti­on und den eigent­li­chen Betrieb der Maschi­ne bis hin zu Entsor­gung und Recycling: „Emissi­ons-Analy­sen beschrän­ken sich meist auf die reine Betriebs­pha­se. Das reicht für unsere Produk­te nicht aus, denn auch in den vor- und nachge­la­ger­ten Lebens­pha­sen von Bauma­schi­nen entste­hen Treib­haus­gas-Emissio­nen“, sagt Stephen Albrecht, Mitglied des Direk­to­ri­ums der Liebherr-Inter­na­tio­nal AG. „Um ein vollstän­di­ges Bild zu bekom­men, haben wir alle Stufen des Lebens­zy­klus unter die Lupe genom­men, inklu­si­ve der Energie­her­stel­lung und Bereit­stel­lung der Infra­struk­tur.“ Zusam­men­ge­führt werden diese Ergeb­nis­se dann im sogenann­ten Product Carbon Footprint, der die Emissio­nen eines Produkts über den gesam­ten Lebens­zy­klus hinweg beschreibt.

Nach Maß: E‑Antrieb für kleine wendi­ge Radla­der oder Beton­mi­scher, Wasser­stoff und HVO für Mobilkrane 

Die Studie unter­such­te drei Bauma­schi­nen­ty­pen: Mobil­kra­ne, Fahrmi­scher und Radla­der. Wie die gesam­mel­ten Daten belegen, benöti­gen die drei Typen aufgrund ihrer unter­schied­li­chen Leistungs­an­for­de­run­gen unter­schied­li­che Antriebs­tech­no­lo­gien, um möglichst viel Emissio­nen einzu­spa­ren: Bei Fahrmi­schern leisten Elektro­an­trie­be den größten Beitrag zum Klima­schutz, sofern sie einhun­dert Prozent Ladestrom aus erneu­er­ba­ren Quellen nutzen. Bei Mobil­kra­nen zeigt der Betrieb mit hydrier­tem Pflan­zen­öl (HVO) das größte Einspar­po­ten­zi­al. Es sollte jedoch auf zerti­fi­zier­tes HVO zurück­ge­grif­fen werden, das beispiels­wei­se aus Pflan­zen- und Speise­ab­fäl­len herge­stellt wird und auf Palmöl verzich­tet. An zweiter Stelle folgt aus CO2-neutra­len Quellen herge­stell­ter Wasser­stoff. Langfris­tig scheint der Betrieb mit Wasser­stoff optimal, da die flächen­de­cken­de Verfüg­bar­keit von HVO noch nicht abseh­bar ist. Bis die nötige Wasser­stoff-Infra­struk­tur und die Antriebs­tech­no­lo­gien bereit­ste­hen, liefert HVO als Übergangs­tech­no­lo­gie die besten Ergeb­nis­se, beson­ders in Bestands­flot­ten mit bereits verbau­tem Verbren­nungs­mo­tor. Radla­der sollten entwe­der mit einem batte­rie­elek­tri­schen Antrieb, versorgt mit Ladestrom aus erneu­er­ba­ren Quellen, oder mit E‑Fuels betrie­ben werden. „Die Ergeb­nis­se der Lebens­zy­klus-Analy­se zeigen, dass es keine einheit­li­che Lösung für klima­neu­tra­le Antrie­be von Bauma­schi­nen gibt“, erklärt Albrecht. Liebherr setzt deshalb auf Techno­lo­gie­of­fen­heit und kann so je nach Maschi­ne und Anwen­dung gesamt­haft so viel Emissio­nen reduzie­ren wie möglich. 

Was Liebherr dazu bringt, unter­schied­li­che Bauma­schi­nen und Antriebs­tech­no­lo­gien zu verglei­chen, verdeut­licht ein Blick ins Produkt­pro­gramm: Dieses umfasst 13 Produkt­seg­men­te und ist insbe­son­de­re im Bereich Bauma­schi­nen beson­ders breit. Die kleins­ten Maschi­nen haben eine Leistung von 30 kW, die größten von mehr als 3.000 kW. Und diese Maschi­nen müssen unter ganz unter­schied­li­chen Bedin­gun­gen in den verschie­dens­ten Anwen­dungs­fel­dern zuver­läs­sig ihre Leistung erbrin­gen. „Ein Radla­der auf einer städti­schen Baustel­le ist beispiel­wei­se anderen Bedin­gun­gen ausge­setzt als ein Mobil­kran beim Bau von Windkraft­an­la­gen“, erläu­tert Albrecht. „Erste­rer kann oft gut mit Strom angetrie­ben werden. Bei Infra­struk­tur­pro­jek­ten auf dem Land fehlt dagegen in der Regel das nötige Strom­netz, sprich der Strom­an­schluss. Zudem wird oft mehr Energie benötigt, als sich mit einem batte­rie­be­trie­be­nen Elektro­an­trieb sinnvoll bereit­stel­len lässt.“ 

Vielfalt gewinnt: Liebherr denkt Klima­schutz global

Vor diesem Hinter­grund beweist Liebherr Pionier­geist und forscht flexi­bel an verschie­de­nen Techno­lo­gien – immer mit einer globa­len, ganzheit­li­chen Perspek­ti­ve. So arbei­ten die Entwick­ler und Entwick­le­rin­nen mit der ganzen Bandbrei­te an klima­neu­tra­len Kraft­stof­fen und Antriebs­tech­no­lo­gien: von zerti­fi­zier­tem hydrier­tem Pflan­zen­öl (HVO) über E‑Fuels aus Ökostrom, Wasser und CO2, batte­rie­elek­tri­schen Antrie­ben und Wasser­stoff­an­trie­ben, sei es Wasser­stoff-Verbren­nungs­mo­to­ren oder Wasser­stoff-Brenn­stoff­zel­len. HVO ist für das Unter­neh­men momen­tan beson­ders inter­es­sant, weil es sich unter anderem als bereits verfüg­ba­re Übergangs­tech­no­lo­gie eignet. Denn es hat den Vorteil, dass man es auch in älteren Bauma­schi­nen mit Diesel­mo­to­ren einset­zen kann, die oft noch lange in vielen Regio­nen der Welt einge­setzt werden – und dort Emissio­nen verur­sa­chen. Durch die Beimi­schung von HVO lassen sich diese spürbar reduzie­ren – ein weite­rer Beitrag zum Klimaschutz. 

Techno­lo­gie­of­fe­ner Ansatz, mehrglei­si­ge Strategie

Aufgrund der Ergeb­nis­se der Lebens­zy­klus-Analy­se spricht sich Liebherr für ein techno­lo­gie­of­fe­nes Vorge­hen bei der Trans­for­ma­ti­on der Bauin­dus­trie aus. „Wirksa­me Klima­schutz­vor­ga­ben und ‑anrei­ze für den Bauma­schi­nen­sek­tor müssen Techno­lo­gie­viel­falt ermög­li­chen, damit je nach Leistungs­an­for­de­rung die klima­schon­ends­te Techno­lo­gie verwen­det werden kann“, so Albrecht. Elektro­mo­bi­li­tät dürfe vor diesem Hinter­grund nicht als Univer­sal­lö­sung, sondern als ein wichti­ger Baustein im Antriebs­mix der Zukunft betrach­tet werden. Genau­so wichtig sei es, neben Elektro­an­trie­ben auch das Thema Wasser­stoff im Blick zu behal­ten. Außer­dem müssten die Rahmen­be­din­gun­gen für die Erzeu­gung von Wasser­stoff und E‑Fuels, die aus erneu­er­ba­ren Quellen herge­stellt werden, geschaf­fen werden. Denn erst das Zusam­men­spiel all dieser Techno­lo­gien ermög­licht es, optima­le Lösun­gen für alle Einsatz­sze­na­ri­en im Bauma­schi­nen­sek­tor zu etablieren. 

Elektro­be­trie­be­ne Bagger und Krane von Liebherr

Die inten­si­ven Forschungs- und Entwick­lungs­ak­ti­vi­tä­ten tragen bereits Früch­te. So hat Liebherr mehre­re Mining- und Bauma­schi­nen mit emissi­ons­frei­er Antriebs­tech­no­lo­gie im Programm. Eins von rund zehn elektri­schen Raupen­bag­ger-Model­len ist beispiels­wei­se der Raupen­bag­ger R 976‑E, der über ein Kabel mit Strom versorgt wird. Der Antrieb des Baggers verur­sacht im Betrieb kaum Geräu­sche und vor Ort keine Emissio­nen. Oder die vollelek­tri­schen Fahrmi­scher ETM 1005 und ETM 1205, deren Batte­rien zwischen Einsät­zen oder über Nacht aufge­la­den werden. Ein drittes Beispiel ist der weltweit erste batte­rie­be­trie­be­ne Raupen­kran LR 1250.1 unplug­ged. Die Maschi­ne kann während der Arbeit an einem konven­tio­nel­len Elektro­an­schluss oder ohne Kabel, also „unplug­ged“, einge­setzt werden – ohne Leistungs­ein­bu­ßen gegen­über dem Diesel­mo­dell. Den Einsatz von HVO treibt Liebherr unter anderem in seinem Werk in Ehingen voran. Seit Septem­ber 2021 werden alle dort neu produ­zier­ten Mobil- und Raupen­kra­ne mit reinem HVO-Kraft­stoff betankt – das gilt für die Kranab­nah­men, für Testfahr­ten und für die Erstbe­tan­kung vor der Auslie­fe­rung. Das Werk in Kirch­dorf a. d. Iller zog nach: Abnah­men und Auslie­fe­run­gen von Erdbe­we­gungs- und Materi­al­um­schlag­ma­schi­nen erfol­gen seit Januar 2022 auch mit HVO-Betan­kung. Der Werks­ver­kehr wird ebenfalls sukzes­si­ve auf den klima­neu­tra­len Kraft­stoff umgestellt.