BLOOMINGTON (dpa) — Putzen hilft gegen Krank­heits­kei­me. Doch Reini­gungs­mit­tel können auch selbst die Gesund­heit belas­ten, wie US-ameri­ka­ni­sche Forscher berichten.

Büros, Sport­stu­di­os und Läden, aber auch Privat­haus­hal­te sind in den vergan­ge­nen zwei Jahren vermut­lich beson­ders inten­siv geputzt und desin­fi­ziert worden.

Doch handels­üb­li­che Reini­gungs­mit­tel zur Desin­fek­ti­on von Oberflä­chen in Innen­räu­men können einer Studie zufol­ge kleine Schad­stoff­par­ti­kel in die Atemwe­ge von Menschen einbrin­gen — und zwar in einem Ausmaß, das beim Einat­men von Autoab­ga­sen in Straßen­schluch­ten entste­he oder sogar darüber liege. Das berich­ten US-ameri­ka­ni­sche Wissen­schaft­ler im Fachblatt «Science Advances».

Gesund­heits­ri­si­ken schon in frühe­ren Studi­en erkannt

Dass Putzmit­tel nicht nur sauber machen, sondern unter Umstän­den auch gesund­heits­schäd­lich wirken könnten, haben bereits mehre­re Studie nahege­legt. So stell­te eine 2018 veröf­fent­lich­te norwe­gi­sche Langzeit­stu­die fest, dass Menschen, die sehr viel putzen, eine schwä­che­re Lunge hätten als solche, die nie sauber machten. Den stärks­ten Abfall der Lungen­funk­ti­on beobach­te­ten die Wissen­schaft­ler der Univer­si­tät Bergen bei Reinigungskräften.

Eben jene standen auch im Fokus einer belgi­schen Studie, die ein Jahr zuvor berich­te­te, dass das Sterbe­ri­si­ko männli­cher Reini­gungs­fach­kräf­te deutlich höher sei als etwa das von Büroan­ge­stell­ten. Privat­per­so­nen könnten sogar noch gefähr­de­ter sein, da sie wenig über entspre­chen­de Sicher­heits­maß­nah­men wüssten sowie die Produk­te falsch anwen­den oder beden­ken­los kombi­nie­ren würden.

Zu den grund­le­gends­ten Vorsichts­maß­nah­men gehöre, so die Autoren der belgi­schen Unter­su­chung, das Tragen von Handschu­hen. Dass aller­dings nicht nur direk­ter Hautkon­takt proble­ma­tisch sein könnte, legt die Studie eines Teams um die Chemi­ke­rin Colleen Rosales nun nahe, die zum Zeitpunkt der Arbeit an der India­na Univer­si­ty forschte.

Gefahr auch durch gas- und dampf­för­mi­ge Stoffe

Die Wissen­schaft­ler konzen­trier­ten sich auf die primä­ren und sekun­dä­ren Emissio­nen der Putzmit­tel und dabei insbe­son­de­re auf solche, die «natür­lich» nach Zitrus­früch­ten oder Pinie riechen. Derar­ti­ge Reini­ger enthal­ten häufig Monoter­pe­ne, welche die Haupt­be­stand­tei­le ätheri­scher Öle bilden. Zu den bekann­tes­ten gehören Limonene, Alpha- und Beta-Pinen sowie Campher.

Wie die Forscher beschrei­ben, setzen diese Mittel zum einen flüch­ti­ge organi­sche Verbin­dun­gen (engl. VOC für Volati­le Organic Compounds) frei. So werden gas- und dampf­för­mi­ge Stoffe organi­schen Ursprungs in der Luft beschrieben.

VOC können aus zahlrei­chen Quellen stammen. Einige davon können Sinnes­rei­zun­gen, Kopfschmer­zen, aber auch Organ­schä­den und selbst Krebs verur­sa­chen, wie aus einer Auflis­tung der US-Umwelt­schutz­be­hör­de EPA hervor­geht. Zum anderen könnten VOC oxidie­ren, heißt es in der Studie, was zur Entste­hung spezi­fi­scher sekun­dä­rer organi­scher Aeroso­le (SOA) führen könnte, darun­ter Peroxi­de, Alkoho­le, Carbo­nyle und Carbonsäuren.

Parti­kel können in tiefs­te Berei­che der Lunge dringen

Um diese primä­ren und sekun­dä­ren Emissio­nen zu messen, richte­ten Rosales und ihre Kolle­gen einen Testraum ein, der mit einer Größe von gut 20 Quadrat­me­tern einem typischen Büro entspre­chen sollte. Dieser wurde mit einem handels­üb­li­chen, auf Monoter­penen basie­ren­dem Putzmit­tel eine knappe Viertel­stun­de gewischt und gerei­nigt, während die Wissen­schaft­ler konti­nu­ier­lich die Raumluft analysierten.

Auf Grund­la­ge ihrer Raumluft-Analy­se errech­ne­ten die Forscher, dass eine Person, die einen derar­ti­gen Reini­ger nutzt, zu Beginn des Wischens etwa 30 bis 40 Mikro­gramm primä­re flüch­ti­ge organi­sche Verbin­dun­gen pro Minute einat­met. Hinzu kämen dann 0,1 bis 0,7 Mikro­gramm sekun­dä­rer organi­scher Aeroso­le, welche durch die Reakti­on des Produkts mit der Raumluft entstünden.

Masse­mä­ßig sei das nicht viel, doch viele der entstan­de­nen Parti­kel beweg­ten sich im Nanogrö­ßen-Bereich und könnten so gesund­heit­li­che Relevanz haben, da sie dazu in der Lage seien, in tiefs­te Regio­nen der Lunge vorzudringen.

Die Belas­tung mit solchen Nanoteil­chen führte zu Dosis­wer­ten in den Atemwe­gen, die größer oder vergleich­bar seien mit denen, die man durch das Einat­men von verkehrs­be­ding­ten Aeroso­len in städti­schen Straßen­schluch­ten erhal­te, heißt es in der Studie.

Teilchen­an­samm­lung durch intel­li­gen­tes Lüften reduzieren

Die Autoren betonen indes selbst, dass bislang wenig über das toxiko­lo­gi­sche Profil dieser Teilchen in Innen­räu­men bekannt sei. Trotz dieser Unsicher­hei­ten bestehe Anlass zur Sorge für Menschen, die etwa aufgrund ihrer Tätig­keit als Hausmeis­ter oder Gebäu­de­rei­ni­ger viel Arbeits­zeit mit der Reini­gung von Oberflä­chen in Innen­räu­men verbrächten.

«Darüber hinaus wird die Exposi­ti­on am Arbeits­platz und in Privat­haus­hal­ten, die zu gesund­heit­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen führt, wahrschein­lich durch die verstärk­te chemi­sche Desin­fek­ti­on von Innen­raum­ober­flä­chen während der derzei­ti­gen Corona­vi­rus-Pande­mie beein­flusst», schrei­ben die Autoren weiter. Intel­li­gen­tes Lüften, bei dem die Ozonwer­te draußen beach­tet würden, könnte indes helfen, die Ansamm­lung von Teilchen zu reduzieren.