HAMBURG (dpa) — Polizei und Feuer­wehr sind gefor­dert. Der Hambur­ger Fisch­markt steht unter Wasser, Bahnen und Fähren fallen aus. Und auf der Nordsee müssen sich Seeleu­te bei Windstär­ke 10 auf einen Frach­ter abseilen.

Verspä­te­te Züge, umgestürz­te Bäume, umher­flie­gen­de Gegen­stän­de und einge­stell­te Fährver­bin­dun­gen: Das Sturm­tief «Nadia» hat in der vergan­ge­nen Nacht zum Teil orkan­ar­ti­ge Böen und eine Sturm­flut nach Norddeutsch­land gebracht.

Feuer­weh­ren und die Polizei mussten Hunder­te Male ausrü­cken. Eine Verschnauf­pau­se gibt es nicht: Dem Deutschen Wetter­dienst (DWD) zufol­ge soll der Sturm noch bis heute Vormit­tag andau­ern. Und das Bundes­amts für Seeschiff­fahrt und Hydro­gra­phie (BSH) warnt bereits vor der nächs­te Sturmflut.

Allein in Hamburg habe es bislang rund 300 Unwet­ter-Einsät­ze gegeben, sagte ein Polizei­spre­cher am frühen Morgen. Zuvor hatte eine schwe­re Sturm­flut den Fisch­markt im Stadt­teil St. Pauli unter Wasser gesetzt. Der Schei­tel wurde nach BSH-Angaben gegen 0.17 Uhr erreicht. Der Wasser­stand lag 2,84 Metern über dem mittle­ren Hochwas­ser, wie eine Spreche­rin mitteil­te. Das BSH hatte in Hamburg mit Wasser­stän­den von bis zu 3 Metern über dem mittle­ren Hochwas­ser gerech­net. Wie ein dpa-Fotograf berich­te­te, zog es Hunder­te Schau­lus­ti­ge zum Fisch­markt. Durch die Überflu­tun­gen wurden demnach mehre­re Autos beschädigt.

Ganze Nordsee­küs­te betroffen

In der vergan­ge­nen Nacht gab es nach Angaben des BSH auch an anderen Küsten­ab­schnit­ten eine Sturm­flut. «Zwar nicht überall eine schwe­re Sturm­flut wie in Hamburg», sagte die Spreche­rin. Es sei aber die gesam­te deutsche Nordsee­küs­te betrof­fen gewesen. In Bremer­ha­ven habe der Schei­tel­wert beispiels­wei­se bei 2,14 Metern über dem mittle­ren Hochwas­ser gelegen.

An der Nordsee­küs­te spricht man von einer Sturm­flut, wenn das Hochwas­ser mindes­tens 1,5 Meter höher als normal aufläuft. Von einer schwe­ren oder sehr schwe­ren Sturm­flut wird erst ab Werten von 2,5 bezie­hungs­wei­se 3,5 Meter gesprochen.

In Hamburg und auf der Nordsee kam es außer­dem zu zwei Vorfäl­len mit Schif­fen: Im Hambur­ger Hafen fuhr sich ein Binnen­schiff unter einer Brücke fest. Das Schiff sei beim Durch­fah­ren mit dem Steuer­haus an der Freiha­fe­n­elb­brü­cke hängen­ge­blie­ben und habe sich verklemmt, sagte ein Polizei­spre­cher. Verletz­te gab es ersten Erkennt­nis­sen zufol­ge nicht. An Bord des Schif­fes befan­den sich demnach zwei Menschen. Die Unfall­ur­sa­che war zunächst unklar. Es sei möglich, dass sich der Kapitän wegen des steigen­den Wasser­stan­des der Elbe verschätzt habe.

Frach­ter treibt Stunden im Meer

Der zweite Vorfall ereig­ne­te sich 16 Seemei­len (ca. 30 Kilome­ter) vor der ostfrie­si­schen Küste. Dort trieb ein unbela­de­ner Frach­ter mehre­re Stunden im Meer. Die 190 Meter lange «Vienna» hatte wegen des Sturms erkenn­bar Proble­me zu manövrie­ren, wie ein Sprecher des Havarie­kom­man­dos in Cuxha­ven am Morgen mitteil­te. Die Maschi­ne sei zu schwach gewesen, um das Schiff gegen Wind und Wellen zu halten. Daher wurden unter anderem Notschlep­per zu dem Havaris­ten entsandt. Der Frach­ter sei nach etwa sechs Stunden gesichert worden.

«Hätten wir nicht einge­grif­fen, wäre das Schiff zu einem Risiko für die Küste gewor­den, sagte der Sprecher. Die 24 Crewmit­glie­der blieben nach ersten Erkennt­nis­sen unver­letzt. Der Frach­ter, der unter der Flagge der Marshall­in­seln fährt, wurde nicht beschä­digt. Um die Schlepp­ver­bin­dung herzu­stel­len, wurden demnach mehre­re spezi­ell ausge­bil­de­te Seeleu­te von einem Bundes­po­li­zei-Hubschrau­ber auf den Frach­ter abgeseilt. Das Sturm­tief über der Nordsee habe den Einsatz aber erheb­lich erschwert. Bei Windstär­ke 10 seien die Wellen auf der Nordsee sechs bis sieben Meter hoch gewesen.

Zahlrei­che Feuerwehreinstätze

Zu weite­ren Einsät­zen kam es etwa auch in Schles­wig-Holsteins. Allein im Norden des Landes mussten die Feuer­weh­ren etwa 120 Mal ausrü­cken. Das sagte ein Sprecher der Regio­nal­leit­stel­le, die unter anderem für Flens­burg, Schles­wig und Husum zustän­dig ist.

Die Feuer­wehr in Bremen war nach Angaben eines Sprechers in der Nacht mehr als 40 Mal im Einsatz. Im Kreis Aurich in Ostfries­land wurde die Feuer­wehr rund 25 Mal zu Hilfe gerufen.

Der Sturm bescher­te auch Feuer­wehr und Polizei in Mecklen­burg- Vorpom­mern viele Einsät­ze. In Schwe­rin und Umgebung sei man knapp 200 Mal ausge­rückt, sagte ein Feuer­wehr­spre­cher. Auch in Stral­sund berich­te­te das Lagezen­trum, dass man alle Hände voll zu tun habe.

Proble­me beim Bahnverkehr

Wegen Sturm­schä­den kam es in Norddeutsch­land außer­dem zu massi­ven Proble­men im Bahnver­kehr. Gestern am frühen Abend stell­te die Deutsche Bahn den Fernver­kehr in Hamburg, Schles­wig-Holstein, Nieder­sach­sen, Mecklen­burg-Vorpom­mern und Bremen für etwa 50 Minuten ein. Betrof­fen waren insbe­son­de­re die ICE-Strecken zwischen Hamburg und Bremen sowie zwischen Hamburg und Berlin. Dort komme es auch weiter­hin zu großen Beein­träch­ti­gun­gen, wie ein Sprecher sagte.

Im Regio­nal­ver­kehr gibt es laut Bahn ebenfalls Zugaus­fäl­le und Verspä­tun­gen. Reisen­de und Pendler sollten sich vor Fahrt­an­tritt über die Websei­te, die App oder telefo­nisch infor­mie­ren, ob ihr Zug wie geplant fährt. Wann die Züge wieder wie geplant fahren, hänge vom weite­ren Verlauf des Sturms ab, sagte der Bahnsprecher.

Wegen der Unwet­ter­war­nun­gen wurden auch zahlrei­che Fährver­bin­dun­gen am Wochen­en­de gestri­chen. An der Nordsee fielen alle Verbin­dun­gen der Hallig-Linie am Wochen­en­de aus, wie die Wyker Dampf­schiffs-Reede­rei (W.D.R.) mitteil­te. Auch Verbin­dun­gen ab Föhr, Amrum und Dagebüll waren betrof­fen. In Mecklen­burg-Vorpom­mern wurde der Fährver­kehr auf der Ostsee zwischen Rostock und Gedser auf der dänischen Insel Falster einge­schränkt. Nach Angaben der Reede­rei Scand­li­nes fielen mehre­re Verbin­dun­gen von gestern Nachmit­tag bis heute Morgen aus. Der regulä­re Fahrplan solle später wieder aufge­nom­men werden.

Warnla­ge hält noch an

Der Deutsche Wetter­dienst (DWD) hatte gestern vor Sturm bis hin zu Orkan­bö­en gewarnt. Am Kieler Leucht­turm seien Windge­schwin­dig­kei­ten von bis zu 122,8, in Greifs­wald von bis zu 118,1 Stunden­ki­lo­me­tern gemes­sen worden, sagte eine DWD-Spreche­rin in der vergan­ge­nen Nacht. Die Warnla­ge im Norden soll noch bis heute Vormit­tag andau­ern. Es seien auch weiter­hin einzel­ne Orkan­bö­en möglich.

Nach BSH-Angaben droht den norddeut­schen Ländern zudem bereits die nächs­te Sturm­flut: Heute werden das Vormit­tag- bezie­hungs­wei­se Nachmit­tag-Hochwas­ser an der deutschen Nordsee­küs­te 1,5 bis 2 Meter und im Weser- und Elbge­biet 2 bis 2,5 Meter höher als das mittle­re Hochwas­ser eintre­ten. Für die Ostsee­küs­te sei bis Sonntag­mor­gen noch die Niedrig­was­ser­war­nung in Kraft. Die Exper­ten erwar­ten aber, dass die Wasser­stän­de im Verlauf des Tages bis zu 130 Zenti­me­ter über den mittle­ren Wasser­stand steigen.