DAMASKUS/BERLIN (dpa) — Vor fast zwei Wochen erschüt­ter­te das verhee­ren­de Erdbe­ben den Nordwes­ten Syriens. Die politi­sche Lage in dem Bürger­kriegs­land erschwert die humani­tä­re Hilfe jedoch. Deutsch­land sichert indes weite­re Millio­nen­hil­fen zu.

Fast zwei Wochen nach den schwe­ren Erdbe­ben haben im Nordwes­ten Syriens noch immer nicht alle Menschen Nothil­fe erhal­ten. «Wir stehen noch am Anfang und haben das Schlimms­te noch nicht gesehen», sagte der für Syrien zustän­di­ge UN-Nothil­fe­ko­or­di­na­tor Muhan­nad Hadi der Deutschen Presse-Agentur. Bislang seien beispiels­wei­se etwa 60.000 Menschen mit Wasser und rund 13.000 Erdbe­ben­op­fer mit Zelten versorgt worden. Nach UN-Angaben sind derzeit aber rund 40.000 Haushal­te ohne Obdach.

Sollte die nötige Finan­zie­rung, die die UN allein für Syrien mit 400 Millio­nen Dollar veran­schlagt, nicht zustan­de­kom­men, könne auch künftig nicht allen gehol­fen werden, warnt Hadi.

Noch immer kommen demnach auch keine Hilfen aus den Regie­rungs­ge­bie­ten in die von Rebel­len kontrol­lier­ten Erdbe­ben­re­gio­nen. Die UN will Hilfen eigent­lich verstärkt auch über die inlän­di­schen Grenzen der Konflikt­par­tei­en in den von den Beben schwer getrof­fe­nen Nordwes­ten des Landes fließen lassen. «Wir waren noch nicht in der Lage das umzuset­zen», räumt der Nothil­fe­ko­or­di­na­tor ein. Die Trans­por­te der UN für die Rebel­len­ge­bie­te kommen demnach bislang ausschließ­lich über die Türkei. Syrien ist nach Jahren des Bürger­kriegs zersplit­tert in Gebie­te unter verschie­de­ner Kontrol­le. Das erschwert die humani­tä­re Hilfe nach der Katastro­phe deutlich.

8,8 Millio­nen Menschen in Syrien betroffen

Nach Angaben der Verein­ten Natio­nen sind in Syrien 8,8 Millio­nen Menschen von den Folgen der Erdbe­ben­ka­ta­stro­phe betrof­fen. «Die Mehrheit von ihnen benötigt voraus­sicht­lich irgend­ei­ne Form von humani­tä­rer Unter­stüt­zung», schrieb die stell­ver­tre­ten­de UN-Syrien­be­auf­trag­te Najat Rochdi bei Twitter. Die UN seien voll der Aufga­be verpflich­tet, mehr zur Hilfe aller Syrer zu unternehmen.

In Syrien war die Lage für viele Menschen schon vor den Beben verhee­rend. Bombar­de­ments und Kämpfe im jahre­lan­gen Bürger­krieg, eine schwe­re Wirtschafts­kri­se und eine oft kaum vorhan­de­ne öffent­li­che Versor­gung haben das Land zu einem Brenn­punkt für humani­tä­re Helfer werden lassen. Laut UN benötig­ten schon vor den Erdbe­ben mehr als 15 Millio­nen Menschen irgend­ei­ne Form von Hilfe.

Aktivis­ten und Helfer in den Rebel­len­ge­bie­ten im Nordwes­ten Syriens hatten in den Tagen nach den Beben vom 6. Febru­ar mangeln­de Hilfe der UN beklagt. UN-Nothil­fe­ko­or­di­na­tor Martin Griffiths hatte während eines Besuchs in der Region dann Versäum­nis­se bei der Hilfe für die Opfer im Nordwes­ten einge­räumt. Beobach­ter sahen dabei auch bürokra­ti­sche Hürden der UN, deren Güter angesichts kaput­ter Straßen mit kleine­ren Fahrzeu­gen schnel­ler hätten eintref­fen können als mit den üblichen großen Lastwagen.

Bisher fuhren seit der Katastro­phe mehr als 140 Lastwa­gen mit UN-Hilfs­gü­tern aus der Türkei in den von Rebel­len kontrol­lier­ten Nordwes­ten Syriens.

Bundes­re­gie­rung stockt Hilfe auf

Die UN fürch­ten derweil zudem Gewalt gegen Frauen und Kinder, die derzeit im Freien schla­fen oder in Notun­ter­künf­ten keinen siche­ren Zugang zu Toilet­ten haben. Hadi warnt, dass der Schutz für diese vulner­ablen Gruppen in Nordwest­sy­ri­en dringend ausge­baut werden müsse. Etliche Kinder hätten ihre Angehö­ri­gen verloren.

Die Bundes­re­gie­rung hat den Erdbe­ben­op­fern in Syrien unter­des­sen weite­re Hilfen in Millio­nen­hö­he zugesi­chert. «Auch wenn das Assad-Regime den Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen einen Stein nach dem anderen in den Weg legt: Wir lassen die Menschen dort nicht allein», sagte Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne) der «Bild am Sonntag». Es gehe um Mütter, Kinder und Großel­tern, die seit über zehn Jahren Krieg erleben, teils mehrmals flüch­ten mussten und nun ihre Liebs­ten unter den Trümmern betrau­ern. «Ihnen fehlt jetzt selbst das Aller­nö­tigs­te zum Überle­ben: ein Dach über dem Kopf, saube­res Trink­was­ser, etwas zu Essen und Medika­men­te. Deshalb erhöhen wir noch einmal unsere Hilfe für die Region um über 22 Millio­nen Euro.»