Vier Passan­ten sind tot, viele Verletz­te schwe­ben noch in Lebens­ge­fahr: Ein Anschlag erschüt­tert Öster­reichs Haupt­stadt Wien. Der Täter war wegen Mitglied­schaft in einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung vorbestraft.

Mindes­tens sieben Menschen seien «in kriti­schem, lebens­be­droh­li­chem Zustand», sagte eine Spreche­rin des Klinik­ver­ban­des am Morgen der Nachrich­ten­agen­tur APA.

Zur Identi­tät der Verletz­ten machte sie keine Angaben. Insge­samt würden 17 Opfer des Angriffs vom Montag­abend in mehre­ren Spitä­lern behan­delt, sagte die Spreche­rin weiter. Ein beim Anschlag verletz­ter Polizist befin­de sich in «kritisch-stabi­lem» Zustand.

Der Atten­tä­ter, der nach dem Anschlag von der Polizei erschos­sen worden ist, war 20 Jahre alt, hatte nordma­ze­do­ni­sche Wurzeln. In der Vergan­gen­heit wollte er nach Syrien ausrei­sen, um sich dort der Terror­mi­liz Islami­scher Staat (IS) anzuschlie­ßen. Er sei daran gehin­dert worden und statt­des­sen am 25. April 2019 wegen Mitglie­der­schaft in einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung zu 22 Monaten Haft verur­teilt worden, teilte Öster­reichs Innen­mi­nis­ter Karl Neham­mer (ÖVP) der Nachrich­ten­agen­tur APA am Diens­tag mit.

Der Mann sei am 5. Dezem­ber «vorzei­tig bedingt entlas­sen» worden. Demnach galt er als unger Erwach­se­ner und fiel damit unter die Privi­le­gi­en des Jugendgerichtsgesetzes.

Ob er einen oder mehre­re Kompli­zen hatte, ist aus Sicht der Behör­den weiter unklar. «Wir können derzeit nicht ausschlie­ßen, dass es noch andere Täter gibt», sagte Neham­mer am frühen Morgen. Die Ermitt­lun­gen liefen auf Hochtouren.

Nach offizi­el­len Angaben sind bei der Attacke mindes­tens vier Passan­ten getötet worden. Es hande­le sich um zwei Männer und zwei Frauen, bestä­tig­te der öster­rei­chi­sche Innen­mi­nis­ter Karl Neham­mer der Nachrich­ten­agen­tur APA.

Die Attacke geht nach den Worten von Neham­mer auf das Konto mindes­tens eines islamis­ti­schen Terro­ris­ten. Der Atten­tä­ter sei ein Sympa­thi­sant der Terror­mi­liz Islami­scher Staat (IS) gewesen, sagte Neham­mer am Diens­tag­mor­gen. Er sei mit einem Sturm­ge­wehr bewaff­net gewesen und habe zudem eine Spreng­stoff­gür­tel-Attrap­pe getra­gen. Er habe offen­bar Panik verbrei­ten wollen. Im Umfeld des Täters wurden mehre­re Objek­te durch­sucht. Es seien mehre­re Perso­nen festge­nom­men worden, hieß es aus dem Innen­mi­nis­te­ri­um ohne weite­re Details.

Die Bevöl­ke­rung habe der Polizei inzwi­schen Tausen­de von Video­auf­nah­men für die Ermitt­lun­gen zur Verfü­gung gestellt. Die Wohnung des Verdäch­ti­gen sei auf der Suche nach belas­ten­dem Materi­al durch­sucht worden, hieß es. 1000 Beamte seien in Wien im Einsatz.

Die Wiener Innen­stadt war zeitwei­se mit öffent­li­chen Verkehrs­mit­teln nicht mehr erreich­bar. Weder Busse noch Bahnen steuer­ten Ziele im histo­ri­schen Kern der Zwei-Millio­nen-Metro­po­le an.

Angesichts des Anschlags will sich Kanzler Sebas­ti­an Kurz in einer Rede an die Bevöl­ke­rung wenden. Um 12 Uhr empfan­gen Kurz und Vizekanz­ler Werner Kogler (Grüne) den Wiener Bürger­meis­ter Micha­el Ludwig (SPÖ) sowie die Frakti­ons­chefs der Parla­ments­par­tei­en im Bundes­kanz­ler­amt zu einem Gespräch. Danach folgt eine gemein­sa­me Kranz­nie­der­le­gung am Tatort, um der Opfer zu geden­ken. Aufgrund der weite­ren polizei­li­chen Ermitt­lun­gen wurden die Bürger dazu aufge­ru­fen, die Innen­stadt zu meiden.

Der Terror­an­griff ereig­ne­te sich wenige Stunden vor Beginn des teilwei­sen Lockdowns in Öster­reich. Seit Mitter­nacht sind alle Gaststät­ten im Kampf gegen die Corona-Pande­mie geschlos­sen. Die ersten Schüs­se fielen am Montag­abend gegen 20 Uhr nahe der Haupt­syn­ago­ge in einem Ausgeh­vier­tel Wiens. Nach Augen­zeu­gen­be­rich­ten feuer­te der Täter wahllos in die Lokale. Ein Mann brach tödlich getrof­fen auf einem Bürger­steig zusam­men. Viele Passan­ten rannten in Panik davon. Einige erhoben die Hände, um der Polizei zu zeigen, dass sie nicht bewaff­net sind.

«Wer einen von uns angreift, greift uns alle an», sagte Neham­mer. Kurz verur­teil­te den Angriff als «wider­wär­ti­gen Terroranschlag».

Der Polizei zufol­ge gab es sechs verschie­de­ne Tator­te. Einer davon liegt direkt neben der Synago­ge. Der Vorsit­zen­de der Israe­li­ti­schen Kultus­ge­mein­de, Oskar Deutsch, schrieb auf Twitter, es könne nicht gesagt werden, ob sie eines der Ziele war. «Fest steht aller­dings, dass sowohl die Synago­ge (…) als auch das Büroge­bäu­de an dersel­ben Adres­se zum Zeitpunkt der ersten Schüs­se nicht mehr in Betrieb und geschlos­sen waren.»

Spitzen­po­li­ti­ker in aller Welt zeigten sich betrof­fen. «Nach einem weite­ren abscheu­li­chen Terror­akt in Europa sind unsere Gebete bei den Menschen in Wien», schrieb US-Präsi­dent Donald Trump am späten Montag­abend (Ortszeit) auf Twitter. Die USA stünden an der Seite Öster­reichs, Frank­reichs und ganz Europas im Kampf gegen Terro­ris­ten, einschließ­lich radikal-islami­sche Terroristen.

Sein demokra­ti­scher Heraus­for­de­rer Joe Biden twitter­te, er und seine Frau Jill beteten nach dem schreck­li­chen Terror­an­griff in Wien für die Opfer und deren Famili­en. «Wir müssen alle vereint gegen Hass und Gewalt eintre­ten», ergänz­te er. In den USA wird am Diens­tag ein neuer Präsi­dent gewählt.

Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin verur­teil­te den Terror­an­schlag als ein «bruta­les und zynisches Verbre­chen». Israels Staats- und Regie­rungs­spit­ze verur­teil­te die Attacke ebenfalls. «Unsere Gedan­ken und Gebete sind mit den Öster­rei­chern, während wir die verab­scheu­ungs­wür­di­ge Terror­at­ta­cke aus der vergan­ge­nen Nacht in Wien mit Sorge verfol­gen», schrieb der israe­li­sche Präsi­dent Reuven Rivlin am Diens­tag bei Twitter. Minis­ter­prä­si­dent Benja­min Netan­ja­hu sagte Öster­reich volle Solida­ri­tät zu.

Frank­reichs Präsi­dent Emmanu­el Macron schrieb auf Deutsch auf Twitter: «Nach Frank­reich ist es ein befreun­de­tes Land, das angegrif­fen wird. Dies ist unser Europa. Unsere Feinde müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Wir werden nichts nachge­ben.» In Frank­reich hatte es in den vergan­ge­nen Wochen drei Anschlä­ge gegeben, die Ermitt­ler gehen jeweils von einem islamis­ti­schen Hinter­grund aus.