In nicht einmal zehn Monaten formt Hansi Flick aus nicht mehr gefürch­te­ten Bayern-Stars das beste Fußball-Ensem­ble Europas. Er dankt beschei­den seinem Team. Dabei müssen nach dem «größten Spekta­kel» beim Final­tur­nier in Lissa­bon alle ihm dankbar sein.

Nach einer rauschen­den Jubel-Nacht mit der so grandi­os erkämpf­ten Champi­ons-League-Trophäe kehrten die Fußball-Heroen nach München zurück und wurden in ihrem Flieger mit Wasser­fon­tä­nen begrüßt. Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU) nahm den übermü­de­te­ten Tross nach der Ankunft aus Lissa­bon am Montag­nach­mit­tag noch auf dem Vorfeld in Empfang und bat Neuer & Co. zum Gruppen­bild. «Das ist eine der beein­dru­ckends­ten Bayern-Mannschaf­ten, die wir je gesehen haben», schwärm­te Söder, der die Profis corona-gerecht nur mit dem Ellbo­gen abklatsch­te. «Ganz Bayern ist stolz.»

Der ganze FC Bayern ist stolz auf diese Mannschaft — und auf Hansi Flick. Der Baumeis­ter des zweiten Münch­ner Triples hatte seinen «Männern» zuvor kein Feier-Limit gesetzt und sie vielmehr auf der Party­büh­ne ausdrück­lich zum 100-Prozent-Einsatz animiert. «Genießt den Abend», schrie Flick ins Mikro­fon, bevor er wie schon Stunden zuvor im Estádio da Luz nach dem 1:0 (0:0) gegen Paris Saint-Germain von seinen Spielern noch einmal fünfmal in die Luft gewor­fen wurde. Der beschei­den­de Hans(i) im Glück ging im Teamho­tel für einen kurzen Moment aus sich heraus: «Wirklich Männer, ich bin so was von stolz, dass wir euch beglei­ten dürfen. Tausend Dank, Männer! Ich habe noch nie so eine Mannschaft trainiert.»

Es hat auch noch nie einen Coach gegeben, der in nur zehn Monaten alles gewinnt, was es zu gewin­nen gibt. Der als Assis­tent in eine Saison startet und dann als Chefcoach gegen alle Wider­stän­de wie Corona alles gewinnt, was es zu gewin­nen gibt: Meister­schaft, Pokal, Champi­ons League. Missi­on erfüllt! Was kann jetzt noch kommen?

Flick lächel­te. Er könnte tatsäch­lich als Fußball-König von Deutsch­land und Europa sofort abtre­ten. Er tut es aber nicht, und das nicht wegen seines gerade erst verlän­ger­ten Vertra­ges bis 2023. «Jetzt genie­ße ich einfach diesen Sieg im Finale. Wir gehen mit dem Henkel­pott nach Hause», sagte Flick.

Ein Autokor­so durch die Stadt, ein verdien­ter Empfang mit tausen­den Fans auf dem Rathaus­platz mussten in Corona-Zeiten entfal­len. Ab in den Urlaub, hieß es dafür. 14 Tage Durch­pus­ten sagte Flick an: «Alles, was in der Zukunft kommt, ist erstmal hinten angestellt.»

Schon am 11. Septem­ber geht die neue Titel­hatz los. Aber das war egal am Ende dieser zwei Wochen in Portu­gal inklu­si­ve Trainings­camp an der Algar­ve. Das Final-8-Turnier war ein geleb­ter Traum: 8:2 im Viertel­fi­na­le gegen Barce­lo­na, 3:0 im Halbfi­na­le gegen Lyon, 1:0 gegen Paris. «Danke für das, was wir in den zehn Tagen erleben durften. Ich bin ja schon lange in dem Geschäft: Das war das größte Spekta­kel, was ich jemals erleben durfte. Ich habe selten einen verschwo­re­ne­ren Haufen erlebt als diese Truppe», rühmte Bayern-Boss Karl-Heinz Rumme­nig­ge den zweiten Münch­ner Triple-Jahrgang nach 2013 in seiner Rede im «Penha Longo Resort». «Wir haben eine komische Zeit erlebt in den letzten drei Monaten, Corona, ohne Zuschau­er, das Stadi­on wäre heute mit Zuschau­ern explo­diert», sagte der 64-Jährige.

Die Freude der kleinen, lautstar­ken Bayern-Delega­ti­on in der Arena explo­dier­te aber auch so nach dem Kopfball­tor von Kings­ley Coman in der 59. Minute und erst recht nach dem erlösen­den Schluss­pfiff. «Es ist ein Traum für uns alle», schwärm­te Natio­nal­tor­wart Manuel Neuer, der beste Mann auf dem Platz, der als Kapitän den Pokal als Erster in Händen halten durfte. Flick posier­te erst viel später mit dem Pott.

Rumme­nig­ge musste ihn extra auf die Bühne zitie­ren. Er zog ihn an sich, umarm­te den 55-Jähri­gen herzlich und sagte danke. «Du bist immer so ein beschei­de­ner Mensch. Du hast einen Wahnsinns­job gemacht, du kannst darauf stolz sein», sagte Rummenigge.

Für Flicks Leistung gibt es keinen Super­la­tiv, der ihr gerecht würde. Natür­lich: Die Bayern haben einen Kader mit lauter Ausnah­me­kön­nern. Neuer, der im Finale Neymar und alle anderen PSG-Stars entzau­ber­te, wenn sie vor ihm auftauch­ten. Robert Lewan­dow­ski, der Bayern-Spieler der Saison, der im Endspiel torlos blieb, aber ein Doppel-Triple feiern konnte. Drei Titel mit dem Team und dreimal Schüt­zen­kö­nig in Bundes­li­ga (34 Tore), DFB-Pokal (6) und Champi­ons League (15), den Wettbe­werb, den der 32 Jahre alte Pole endlich gewin­nen konnte.

«Er ist für uns ein wahnsin­nig wichti­ger Spieler — wie so viele andere auch», sagte Flick, der keinen Perso­nen­kult mag. Man denke nur an Müller, Alaba, an den wohl wechseln­den Thiago, die 95er-Genera­ti­on um Kimmich, Goretz­ka, Gnabry oder Süle und — nicht zu verges­sen — den gerade mal 19 Jahre alten Senkrecht­star­ter Alphon­so Davies.

«Ich muss alle loben. Am Ende hat sich jeder einzel­ne Spieler derma­ßen entwi­ckelt. Nur deswe­gen ist es so zustan­de­ge­kom­men, dass wir dieses Jahr drei Titel einfah­ren konnten. Das geht immer nur über die Mannschaft», referier­te Flick. Das ist das Erfolgs­sys­tem Flick, wie Junior­chef Joshua Kimmich sagte, der den Pokal am Montag bei der Abfahrt zum Flugha­fen stolz zum Bus trug. «Die mensch­li­che Seite ist top. Für ihn sind wir nicht nur Spieler, die er für sein System benutzt, sondern er sieht auch wirklich den Menschen dahin­ter. Das merken wir Spieler und auch die Mitar­bei­ter», sagte Kimmich. Es war bezeich­nend, dass Flick nach den 90 aufre­gen­den Final­mi­nu­ten erstmal den heulen­den Neymar tröste­te — statt an sich selbst zu denken.

Flick hat nach der Ablösung von Niko Kovac eine Wohlfühl­at­mo­sphä­re geschaf­fen, in der Leistung und ein beispiel­lo­ser Erfolgs­lauf entste­hen konnten. Kimmich hatte auch im engen Kampf mit Paris «ein wenig das Gefühl der Unschlag­bar­keit». 2020 haben die Bayern kein Spiel verlo­ren, Flicks Pressing­fuß­ball ist erdrü­ckend. «Der Haufen ist Wahnsinn, von A bis Z», schwärm­te Thomas Müller, neben Neuer, Boateng, Alaba und Martí­nez zum zweiten Mal Triple-Champion.

Jetzt, da die Flick-Bayern mit dem noch dazu stoßen­den 50-Millio­nen-Trans­fer Leroy Sané vor einer golde­nen Ära zu stehen schei­nen, erinner­te Flick aber auch an die Anfangs­zeit mit ihm als Chef und damit sogar mal Platz sieben in der Bundes­li­ga mit sieben Punkten Rückstand auf die Spitze. «Im vergan­ge­nen Novem­ber war zu lesen, dass man keine Angst mehr hat vor der Mannschaft, keinen Respekt. Und wie schlecht die Mannschaft eigent­lich ist», sagte Flick. Die Entwick­lung danach sei «einfach sensa­tio­nell» gewesen. Der Triple-Baumeis­ter begrün­de­te sie ganz einfach: «Es war harte Arbeit!»