STUTTGART (dpa/lsw) — Fast alle Covid-Patien­ten auf den Inten­siv­sta­tio­nen sind nicht geimpft, und die Zahlen steigen. Das Land sieht sich schon in einer vierten Corona-Welle. Spätes­tens nach den Ferien will die Regie­rung kräftig auf die Bremse treten.

Ein teilwei­ser Lockdown für Ungeimpf­te in Baden-Württem­berg rückt näher. Die grün-schwar­ze Regie­rung sieht das Land mitten in der vierten Corona-Welle und will spätes­tens nach den Sommer­fe­ri­en am 13. Septem­ber Kontakt­be­schrän­kun­gen für ungeimpf­te Menschen möglich machen — etwa, dass sich nur noch zwei Haushal­te treffen dürfen. Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann hält das für unaus­weich­lich. «Die Nicht-Geimpf­ten sind jetzt natür­lich die Träger der Pande­mie», sagte der Grüne der Deutschen Presse-Agentur. Wenn es bei den Ungeimpf­ten zu hohe Inziden­zen gebe, wirke sich das auf die Kranken­haus­be­le­gung aus. Und dann müsse die Politik handeln. «Das hat nichts mit Strafe oder irgend­was durch die Hinter­tür zu tun, sondern es ist die Erfor­der­nis, die Pande­mie im Griff zu behal­ten. Andere Motive stehen überhaupt nicht dahin­ter», sagte Kretschmann.

Land will neues Infek­ti­ons­schutz­ge­setz abwarten

Nach aktuel­len Planun­gen will die Landes­re­gie­rung doch erst abwar­ten, dass das geänder­te Infek­ti­ons­schutz­ge­setz Bundes­tag und Bundes­rat passiert. Darum soll die geplan­te neue Corona-Verord­nung im Südwes­ten voraus­sicht­lich Ende kommen­der Woche verkün­det und am 13. Septem­ber in Kraft treten, sagte eine Spreche­rin des Staats­mi­nis­te­ri­ums am Freitag in Stutt­gart. Dann fängt in Baden-Württem­berg auch die Schule wieder an. Zunächst war überlegt worden, schon kommen­de Woche neue Regeln zu erlas­sen. Aller­dings werde die Verord­nung in den nächs­ten Tagen abgestimmt, um sie in der Schub­la­de zu haben, wenn wegen stark steigen­der Zahlen ein frühe­res Handeln nötig wäre, sagte die Sprecherin.

Inzidenz nicht mehr entschei­den­der Faktor

Wesent­li­cher Maßstab für zu ergrei­fen­de Maßnah­men soll nach dem Bundes­ge­setz insbe­son­de­re die Zahl aufge­nom­me­ner Corona-Patien­ten in den Klini­ken je 100.000 Einwoh­ner in sieben Tagen sein. Es sollen aber auch andere Indika­to­ren berück­sich­tigt werden, etwa die Zahl der Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner in sieben Tagen, die verfüg­ba­ren Inten­siv­ka­pa­zi­tä­ten und die Zahl der Geimpf­ten. Die Länder sollen dann selbst Schwel­len­wer­te festset­zen. Bisher sind im Bundes­ge­setz einheit­li­che Werte genannt, ab welcher Inzidenz die Länder oder Behör­den vor Ort einschrei­ten sollen: ab 50 Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner in sieben Tagen zum Beispiel mit «umfas­sen­den Schutzmaßnahmen».

Aber die Corona-Zahlen könnten aus dem Ruder laufen

Zuletzt hatte es aus dem Landes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um gehei­ßen, bei 200 bis 250 beleg­ten Inten­siv­bet­ten wolle das Land erste Gegen­maß­nah­men ergrei­fen. Die Exper­ten im Landes­ge­sund­heits­amt gehen davon aus, dass Mitte kommen­der Woche die 200 schon überschrit­ten ist. Nach der Progno­se ist abseh­bar, dass die Zahl der Inten­siv­pa­ti­en­ten mit Covid-19 zu Schul­be­ginn am 13. Septem­ber den Grenz­wert 300 errei­chen wird — wenn viele Urlau­ber aus dem Ausland wieder da sind. Dann könnte das Land die 2G-Regel einfüh­ren. Das würde bedeu­ten, dass nur noch Geimpf­te oder Genese­ne etwa Restau­rants besuchen dürften. Im Moment gilt die 3G-Regel. Danach stehen bestimm­te Berei­che des öffent­li­chen Lebens neben den Geimpf­ten und Genese­nen auch den negativ Getes­te­ten offen.

Wie das Landes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um mitteil­te, werden zurzeit fast doppelt so viele Corona-Patien­ten wegen eines schwe­ren Verlaufs in den Kranken­häu­sern behan­delt als noch in der vergan­ge­nen Woche. Es sind zurzeit über 500. Die Zahl der Inten­siv­pa­ti­en­ten mit Covid-19 liegt bei 131. Die meisten Inten­siv­pa­ti­en­ten seien zwischen 35 und 59 Jahre alt, 95 Prozent von ihnen seien nicht geimpft.

Lehrkräf­te und Alten­pfle­ge­rin­nen sollen Impf-Auskunft geben

Auch in Baden-Württem­berg sollen Arbeit­ge­ber künftig von Beschäf­tig­ten in Kitas, Schulen und Pflege­hei­men Auskunft über eine Corona-Impfung verlan­gen können. Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um hatte den Bund vergan­ge­ne Woche dazu aufge­for­dert, nun haben sich Union und SPD im Grund­satz darauf verstän­digt, das zu ermög­li­chen. Eine Auswei­tung auf die Privat­wirt­schaft soll es aber nicht geben.

Kretsch­mann: «Der Druck kommt vom Virus, nicht von uns»

Kretsch­mann wies den Vorwurf zurück, man übe zu viel Druck auf Ungeimpf­te aus. «Der Druck kommt vom Virus, nicht von uns.» Die Politik müsse Vorsor­ge treffen, weil man nicht genau wisse, wie sich die Zahlen entwi­ckel­ten. «Das Virus ist der Übeltä­ter, nicht wir», argumen­tier­te er. «Es werden die angesteckt, die nicht geimpft sind.» Die Gefahr, dass Geimpf­te erneut erkrank­ten, sei gering. «Die wenigen Impfdurch­brü­che sind pande­misch nicht von großem Belang statis­tisch gesehen.»

Der Regie­rungs­chef warb dafür, auch Kinder und Jugend­li­che über zwölf Jahren impfen zu lassen. Er verwies auf die Ständi­ge Impfkom­mis­si­on. «Nachdem die Stiko das auch bestä­tigt hat, kann man das auch guten Gewis­sens empfeh­len.» Davon hänge auch ab, wie das neue Schul­jahr ablau­fe. Es sei auch dort extrem wichtig, sich impfen zu lassen. «Sonst haben wir viele Leute in Quaran­tä­ne, und das wirkt sich wieder nachtei­lig für Öffnun­gen aus, weil das Perso­nal fehlt.»

Von Henning Otte, dpa