Kitas, Schulen und Geschäf­te bleiben offen — aber in der Freizeit müssen sich die Menschen in Deutsch­land von heute an stark einschrän­ken. Verzicht auf alle unnöti­gen Kontak­te lautet die Devise im November.

Auch für persön­li­che Treffen gelten stren­ge­re Regeln: In den meisten Bundes­län­dern dürfen nur noch zwei Haushal­te zusam­men­kom­men — teils gilt das sogar für Treffen im priva­ten Raum. Kitas, Schulen und Geschäf­te bleiben im Gegen­satz zum ersten Herun­ter­fah­ren des öffent­li­chen Lebens im Frühjahr diesmal geöffnet.

Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) hat an alle Bürge­rin­nen und Bürger Deutsch­lands appel­liert, die nun greifen­den Kontakt­be­schrän­kun­gen gegen die Corona-Pande­mie zu befol­gen. «Ob diese große gemein­sa­me Kraft­an­stren­gung etwas bringt im Monat Novem­ber, das hängt nicht nur von den Regeln ab, sondern auch davon, ob diese Regeln befolgt werden», sagte Merkel am Montag vor Journa­lis­ten in Berlin. Jede und jeder habe es in der Hand, ob es einen Wende­punkt in der Pande­mie gebe.

Deutsch­land­weit habe es zuletzt im Schnitt 127,8 Infek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner inner­halb von sieben Tagen gegeben. «Wie müssen in die Region von 50 kommen», sagte Merkel. «Das ist das Ziel.» Dann könnten die Beschrän­kun­gen in dieser zweiten Welle ein «Wellen­bre­cher» sein. Derzeit könnten die Gesund­heits­äm­ter die Kontak­te der Infizier­ten nicht nachver­fol­gen. Dies solle aber wieder möglich sein. Sehr viel mehr als 50 Infizier­te pro 100.000 Einwoh­ner könnten die Gesund­heits­äm­ter nicht schaffen.

Die Kontak­te zu minimie­ren, wo immer möglich, sei daher nötig. «Zu Hause sollen sich so wenige Menschen wie möglich treffen», beton­te Merkel. Im öffent­li­chen Raum sollten sich Angehö­ri­ge von nur zwei Hausstän­den treffen, bekräf­tig­te Merkel. Mit Blick darauf, dass es im Novem­ber keine Kultur­ver­an­stal­tun­gen und Gastro­no­mie-Besuche geben soll, räumte Merkel ein, dies bedeu­te Verzicht auf vieles, «was das Leben schön macht».

Sehr viele Menschen reagier­ten mit Verständ­nis, sagte Merkel. «Aber es gibt auch Zweifel, Skepsis, Ableh­nung.» Sie verste­he, dass viele Menschen enttäuscht seien, dass die Pande­mie so lange anhal­te. «Der Herbst ist jetzt mit großer Wucht gekom­men.» Das Licht am Ende des Tunnels sei noch ziemlich weit entfernt. Jedoch gelte: «Das Virus bestraft Halbher­zig­keit.» Es sei so etwas wie eine Natur­ka­ta­stro­phe, mit der Politik und Gesell­schaft umgehen müssten.

Kanzler­amts­chef Helge Braun (CDU) bekräf­tig­te den Willen der Regie­rung, die Einschrän­kun­gen im Dezem­ber wieder zu locker. «Unser erklär­tes Ziel ist, dass wir Ende Novem­ber die Maßnah­men in dieser Stren­ge beenden wollen», sagte er am Montag­mor­gen im RBB-Infora­dio. An diesem Montag­nach­mit­tag will Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) in der Bundes­pres­se­kon­fe­renz die Maßnah­men der Regie­rung zur Eindäm­mung der Pande­mie erneut erläu­tern. Zuletzt hatte sie dies am Donners­tag vergan­ge­ner Woche in einer Regie­rungs­er­klä­rung im Bundes­tag getan.

Das weitge­hen­de Herun­ter­fah­ren der Kontak­te soll verhin­dern, dass Gesund­heits­äm­ter und das Gesund­heits­sys­tem überlas­tet werden, insbe­son­de­re die Inten­siv­sta­tio­nen. Wie groß die Risiken sind, zeigen aktuel­le Zahlen des Robert Koch-Insti­tuts (RKI). Die Zahl erfass­ter Corona-Infek­tio­nen je 100.000 Einwoh­ner inner­halb von sieben Tagen liegt in Deutsch­land inzwi­schen bei 120,1. Am Freitag hatte diese sogenann­te 7‑Tage-Inzidenz erstmals über 100 gelegen (104,9), vor vier Wochen, am 5. Oktober hinge­gen bei gerade mal 16,8.

Die Gesund­heits­äm­ter melde­ten laut RKI vom Montag­mor­gen 12.097 Corona-Neuin­fek­tio­nen binnen eines Tages. Erfah­rungs­ge­mäß sind die Fallzah­len an Monta­gen niedri­ger, auch weil an Wochen­en­den weniger getes­tet wird. Am Montag vor einer Woche hatte die Zahl der Neuin­fek­tio­nen inner­halb von 24 Stunden bei 8685 gelegen.

Die Zahl der inten­siv­me­di­zi­nisch behan­del­ten Covid-19-Fälle hat sich in den vergan­ge­nen zwei Wochen von 769 Patien­ten auf 2061 Patien­ten fast verdrei­facht, wie es im RKI-Lagebe­richt vom Sonntag­abend heißt. Der Chef der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft, Gerald Gaß, rechnet mit einem neuen Höchst­stand an Inten­siv­pa­ti­en­ten: «In zwei bis drei Wochen werden wir die Höchst­zahl der Inten­siv­pa­ti­en­ten aus dem April übertref­fen — und das können wir gar nicht mehr verhin­dern. Wer bei uns in drei Wochen ins Kranken­haus einge­lie­fert wird, ist heute schon infiziert», sagte er der «Bild»-Zeitung.

Bund und Länder hatten sich am vergan­ge­nen Mittwoch angesichts der schnell steigen­den Infek­ti­ons­zah­len auf die drasti­schen Schrit­te verstän­digt. Sie sollen zunächst bis Ende Novem­ber dauern, nach zwei Wochen wollen Bund und Länder gemein­sam eine Bestands­auf­nah­me machen und gegebe­nen­falls nachsteu­ern. Die Länder setzen die Einschrän­kun­gen per Verord­nung um, daher gibt es regio­nal Unterschiede.

Die Einhal­tung der Regeln soll strik­ter als bisher überwacht werden. So kontrol­lier­te die Bundes­po­li­zei am Montag­mor­gen verstärkt auf Umstei­ge­bahn­hö­fen in Berlin und Potsdam, wie sie auf Twitter mitteilte.

Der Links­frak­ti­ons­chef im Bundes­tag, Dietmar Bartsch, kriti­sier­te die Zustän­de in Bussen und Bahnen. «Die Bahnen sind zu voll, Kontrol­len, ob Masken getra­gen werden, zu selten», sagte er der «Rheini­schen Post» mit Blick auf die Deutsche Bahn, deren Eigen­tü­mer der Bund ist. Er erwar­te, dass die Bundes­re­gie­rung nicht nur das indivi­du­el­le Verhal­ten der Menschen maßre­ge­le, sondern auch dort, wo sie direkt Verant­wor­tung habe.

Vizekanz­ler Olaf Scholz (SPD) machte deutlich, dass mit einer Rückkehr zur Norma­li­tät der Vor-Corona-Zeit nicht so schnell zu rechnen ist. «Solan­ge die Zahlen nicht sinken, wird es immer Beschrän­kun­gen geben», sagte er im «Frühstart» von RTL/ntv. Da man nicht wisse, wo die Anste­ckun­gen statt­fän­den, sei das drasti­sche Vorge­hen richtig. Zudem sprach Scholz davon, dass man sich auf eine neue Norma­li­tät einrich­ten müsse. «Das wird dieses und auch das nächs­te Jahr noch so sein.»

Der Vorsit­zen­de der Unions­frak­ti­on im Bundes­tag, Ralph Brink­haus (CDU), geht nach eigenen Worten davon aus, dass die neuen Regeln juris­tisch Bestand haben werden. Sie seien notwen­dig und verhält­nis­mä­ßig, sagte er dem Radio­sen­der Bayern 2. Deutsch­land habe keinen Lockdown — die Wirtschaft sei in wesent­li­chen Berei­chen offen, Schulen und Kitas blieben geöff­net. Außer­dem gebe es in Deutsch­land, anders als in vielen anderen Ländern, keine Ausgangssperren.