POTSDAM/GRÜNHEIDE (dpa) — Tesla-Chef Elon Musk hat den ehrgei­zi­gen Zeitplan für seine erste «Gigafac­to­ry» in Europa nicht einhal­ten können. Nun soll es bei Berlin bald losge­hen. Vorher muss Tesla aber noch ein paar Hausauf­ga­ben erledigen.

Rund zwei Jahre nach Baube­ginn hat der US-Elektro­au­to­bau­er Tesla grünes Licht für seine erste europäi­sche Fabrik vor den Toren Berlins. Das Land Branden­burg geneh­mig­te die «Gigafac­to­ry» in Grünhei­de am Freitag mit Auflagen.

Diese Vorga­ben will Tesla nach Angaben der Landes­re­gie­rung inner­halb von zwei Wochen abarbei­ten und rasch mit der Produk­ti­on begin­nen. Die Fabrik ist praktisch fertig: Tesla hat mit 19 vorzei­ti­gen Zulas­sun­gen auf eigenes Risiko gebaut, obwohl die letzte Geneh­mi­gung noch fehlte.

Das Projekt gilt als eines der wichtigs­ten Indus­trie­vor­ha­ben in Ostdeutsch­land. Branden­burgs Minis­ter­prä­si­dent Dietmar Woidke (SPD) sagte am Freitag: «Ich sehe heute die Entschei­dung, die wir hier zu verkün­den haben, als kleinen Sonnen­strahl in schwie­ri­gen Zeiten, aber als ganz wichti­gen Schritt für die Entwick­lung unseres Landes.»

500.000 E‑Autos pro Jahr

Für die deutsche Autoin­dus­trie erwächst nun neue Konkur­renz auf eigenem Gebiet. Tesla plant zunächst mit bis zu 500.000 E‑Autos pro Jahr und rund 12.000 Beschäf­tig­ten. Etwa 3000 Beschäf­tig­te sind es derzeit. Eine eigene Batte­rie­fa­brik soll außer­dem künftig neuar­ti­ge Batte­rie­zel­len ferti­gen. Zum Vergleich: Volks­wa­gen hat am Stamm­sitz in Wolfs­burg zuletzt rund 400.000 Autos im Jahr gebaut. Die Marke VW verkauf­te 2021 rund 263 000 reine Elektroautos.

Der Anfang 2020 begon­ne­ne Bau der Tesla-Fabrik und die Geneh­mi­gung nach Bundes­im­mis­si­ons­s­schutz­ge­setz gingen zwar vergleichs­wei­se schnell — aber nicht so schnell wie von Unter­neh­menss­chef Elon Musk erhofft. Ursprüng­lich wollte der Tesla-Chef schon am 1. Juli 2021 mit der Produk­ti­on in Grünhei­de beginnen.

Der Geneh­mi­gungs­be­scheid hat nach Angaben von Landes­um­welt­mi­nis­ter Axel Vogel (Grüne) 536 Seiten, dazu 23 700 Seiten Anlagen. Rund 400 Aufla­gen und Bedin­gun­gen seien erteilt worden. Dabei sei beson­ders auf den Schutz von Umwelt und Wasser geach­tet worden. Umwelt­ver­bän­de trommeln seit dem Baube­ginn gegen das Projekt.

Die ersten Autos für den Verkauf dürften in einigen Wochen vom Band rollen. Tesla plant für die Erfül­lung notwen­di­ger Aufla­gen zum Start der Produk­ti­on nach Angaben der Landes­re­gie­rung zwei Wochen ein. «Das ist ein Zeitrah­men, den sich Tesla selber vorge­nom­men hat», sagte Vogel. Tesla muss Aufla­gen etwa zur Luftqua­li­tät erfül­len und für die Inbetrieb­nah­me weite­re Bedin­gun­gen wie ein Konzept zur Verhin­de­rung von Störfäl­len vorle­gen. Das Unter­neh­men erklärt: «Wir sind zuver­sicht­lich, dass wir das schnell hinbe­kom­men werden.»

«Eine Mammut­auf­ga­be»

Der Regie­rungs­chef zeigte sich erleich­tert, dass die Geneh­mi­gung unter Dach und Fach ist. «Wir sind auch ein Stück weit froh und stolz, dass wir das geschafft haben», sagte Woidke. Das Verfah­ren sei eine Mammut­auf­ga­be gewesen. Er sieht Branden­burg als Modell­land für die erfolg­rei­che Verbin­dung von erneu­er­ba­ren Energien und neuen Indus­trie­ar­beits­plät­zen. «Wir sind nicht mehr die verlän­ger­te Werkbank des Westens», meinte Woidke. «Branden­burg ist das Land der klima­neu­tra­len Mobili­tät.» Die Ansied­lung von Tesla sieht er wie Wirtschafts­mi­nis­ter Jörg Stein­bach (SPD) als Blaupau­se für weite­re Unter­neh­men. Es gebe bereits Ankün­di­gun­gen für Investitionen.

Vom Bundes­ver­band der Deutschen Indus­trie (BDI) gab es Lob: Die Unter­stüt­zung durch die Branden­bur­ger Landes­re­gie­rung habe zu einer erheb­li­chen Beschleu­ni­gung des Verfah­rens geführt, sagte Vize-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Holger Lösch der Deutschen Presse-Agentur. Auch der Deutsche Indus­trie- und Handels­kam­mer­tag (DIHK) äußer­te sich positiv. Haupt­ge­schäfts­füh­rer Martin Wansle­ben sagte den Zeitun­gen der Funke-Medien­grup­pe: «In unter drei Jahren ist es gelun­gen, ein Inves­ti­ti­ons­pro­jekt von mehre­ren Milli­ar­den Euro zu geneh­mi­gen und gleich­zei­tig zu bauen.»

Die Geneh­mi­gung für Tesla hatte sich verscho­ben, unter anderem weil das Unter­neh­men seinen Antrag zur Geneh­mi­gung um Errich­tung und Betrieb der Batte­rie­fa­brik ergänzt hatte. Nach der Ausle­gung des erneu­er­ten Antrags begann eine Erörte­rung Hunder­ter Einwän­de, die wegen des Vorwurfs einer zu kurzen Frist wieder­holt wurde.

Streit um Wasser

Natur­schüt­zer und Anwoh­ner befürch­ten von der Fabrik Umwelt­ge­fah­ren. Sie halten das Wasser in der Region für gefähr­det. Ein Teil des Gelän­des liegt in einem Wasser­schutz­ge­biet. Tesla hat die Beden­ken stets zurück­ge­wie­sen und den geplan­ten Wasser­ver­brauch gesenkt.

Um das Thema Wasser gibt es aller­dings noch Streit vor Gericht: In einem Verfah­ren um Wasser­rech­te haben Natur­schutz­ver­bän­de einen Teilerfolg erzielt. Das Verwal­tungs­ge­richt Frank­furt (Oder) hat die Bewil­li­gung für eine zusätz­li­che Wasser­ent­nah­me in dem Werk für «rechts­wid­rig» und nicht «vollzieh­bar» erklärt.

Das Gericht begrün­de­te die Entschei­dung am Freitag­abend mit einem Verfah­rens­feh­ler und gab damit der Klage der Umwelt­ver­bän­de Grüne Liga und Natur­schutz­bund Branden­burg teilwei­se statt. Das Landes­amt für Umwelt habe die Öffent­lich­keit nicht bei der Entschei­dung über eine Erhöhung der Förder­men­gen von 2,5 auf 3,57 Millio­nen Kubik­me­ter im Jahr betei­ligt, so der Vorsit­zen­de Richter.

Die Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung muss nun nachge­holt werden. Erst dann könne die erhöh­te Förde­rung begin­nen, wie das Gericht ausführ­te. Offen ist, wie lange das dauern wird. Gegen die Entschei­dung können Rechts­mit­tel einge­legt werden.

Der Wasser­ver­band Straus­berg-Erkner hatte angekün­digt, den Vertrag mit Tesla zu kündi­gen, wenn die Wasser­be­wil­li­gung verlo­ren gehen würde. «Kein Wasser — kein Tesla!»

Die Landes­re­gie­rung betont indes, die Wasser­ver­sor­gung für das Autowerk wie auch für die Bürger der Region sei sicher. Sie sieht keinen Zusam­men­hang des Gerichts­ver­fah­rens mit der Geneh­mi­gung, die sie für rechts­si­cher hält.

Der Elektro­au­to­bau­er verzich­te­te im Novem­ber 2021 für die geplan­te Batte­rie­fer­ti­gung überra­schend auf eine mögli­che staat­li­che Förde­rung des Bundes in Milli­ar­den­hö­he. Die EU-Kommis­si­on hatte einen Rahmen von maximal rund 1,1 Milli­ar­den Euro geneh­migt, vom Land Branden­burg sollten 120 Millio­nen Euro Förde­rung kommen. Die Länge des Geneh­mi­gungs­ver­fah­rens hatte Tesla kritisiert.

Über 100 Stand­or­te hatte sich das Unter­neh­men nach eigenen Angaben angese­hen, bevor die Entschei­dung für Deutsch­land und Branden­burg fiel. Es gilt als wahrschein­lich, dass Tesla die Geneh­mi­gung groß feiern wird. Dazu könnte auch Elon Musk einflie­gen, der zuletzt im Herbst in Grünhei­de war und rund 9000 Besucher aus der Region zum «Tag der offenen Tür» begrüß­te. Auch wenn manche Anwoh­ner weiter kritisch sind — Tesla sagt: «Wir fühlen uns hier in Branden­burg sehr wohl.»

Von Oliver von Riegen und Verena Schmitt-Rosch­mann, dpa