BIBERACH — Die Preis­ver­lei­hung der 44. Biber­acher Filmfest­spie­le fand am Samstag, 05.11.2022 ab 19 Uhr in der Stadt­hal­le statt. Sebas­ti­an Hölz führte durch den Abend führen. Es wurden viele Filmschaf­fen­de erwar­tet, die ihre Preise persön­lich entge­gen nahmen. Anschlie­ßend wird ab 22 Uhr die After-Filmfest-Part gefeiert.

Die Preis­trä­ger der 44. Biber­acher Filmfestspiele:

1. Sonder­preis der Biber­acher Filmfestspiele
Gestif­tet von der Volks­bank Biber­ach-Ulm, dotiert mit 2.000 €
Gewin­ner: Gerd Nefzer

2. Schüler-Biber
Gestif­tet von der Kreis­spar­kas­se Biber­ach, dotiert mit 3.000€
Gewin­ner: „Heart­be­ast“ von Aino Suni
Jury-Begrün­dung: Er spricht Kino-Enthu­si­as­ten, jung wie alt an hinsichtlich:
– der Diver­si­tät der Schauspieler*innen
– der Kontras­te zwischen den Charak­te­ren als auch den verschie­de­nen Szenen und der darin herrschen­den Atmosphäre
– der Musik, deren Kompo­si­ti­on sich konge­ni­al in die Handlung des Filmes einpasst und die Story­line klarer macht und unterstützt
– der überzeu­gen­den schau­spie­le­ri­schen Darstel­lung der Hauptdarsteller*innen und
– durch die heraus­ra­gen­de Kameraführung.

3. Publi­kums-Biber
Gestif­tet von der Biber­acher Werbe­ge­mein­schaft e.V., dotiert mit 2.000€
Gewin­ner: Die Stangen­boh­nen-Partei
Jury-Begrün­dung: „Warum in die Ferne schwei­fen, wenn das Gute liegt so nah“… fällt einem spontan zu diesem Film ein. Als wir den Film sahen, dachten wir sofort: „Das müssen wir uns unbedingt in Natura anschau­en!“. Der Film ist eine Hommage an den guten Boden, aus dem alles Leben kommt — er macht Mut und weckt Sehnsucht nach einem einfa­chen, nachhal­ti­gen Leben und zeigt, dass Geld weder glück­lich macht, noch das Wichtigs­te im Leben ist. Der No-Budget-Film überzeugt durch authen­ti­sche Darstel­lung, stimmungs­vol­le Musik, herrli­che Landschafts­auf­nah­men und die glück­li­che, zufrie­de­ne Ausstrah­lung von Serena und Jared, die mit sich und ihrem Leben im Reinen sind. Der Publi­kums­bi­ber geht an den Dokumen­tar-Film „Die Stangen­boh­nen-Partei“ von Paddy Schmitt aus der Rubrik „Biber­ach Spezi­al“, der morgen Nachmit­tag im Filmfest­pro­gramm zu sehen ist.

Aufgrund der unter­schied­li­chen Genre unserer Film-Auswahl fiel uns die Entschei­dung zwischen dem Dokumen­tar-Sieger­film und einem Spiel­film sehr schwer und es ist uns ein Bedürf­nis, zusätz­lich eine Spiel­film-Empfeh­lung zu geben: „The Ordina­ry“ beschreibt den Weg der jungen, hervor­ra­gend besetz­ten Protago­nis­tin, die ihren Weg von der Neben- in die Haupt­rol­le sucht und sich dabei selbst zu verlie­ren droht.

4. Kurzfilm-Biber
Gestif­tet von der IHK Ulm, dotiert mit 2.000€
Gewin­ner: „Esther“ von Ana Scheu Amigo und „Killing Bagheera“ von Muschirf Shekh Zeyn
Jury-Begrün­dung: Wir haben uns entschie­den, den Preis für den besten Kurzfilm zu teilen. Denn beide Filme sind für uns gleicher­ma­ßen hervor­ra­gend. Einer dieser beiden Filme verwebt unter­schied­li­che Themen auf eine filigra­ne Weise mitein­an­der: Alt und Jung, Stadt und Land, tradi­tio­nel­le und moder­ne Konzep­te von Arbeit und der Vertei­lung von Rollen. Dabei sehen wir auf eine berüh­ren­de Weise, wie unter­schied­li­che Welten auch inein­an­der verschmel­zen dürfen, wenn sie zusam­men­sto­ßen — ohne einan­der auszu­schlie­ßen. Hervor­zu­he­ben ist die einfühl­sa­me Kamera­füh­rung, die all das einfängt, ohne zu stören, die sich in das wechsel­sei­tig entge­gen­ge­brach­te Vertrau­en gut einfin­det. Spürbar wird das Band zwischen den Protago­nis­ten und Protago­nis­tin­nen, das wie eine Seilbahn Berge zusam­men­füh­ren kann. Herzli­chen Glück­wunsch an Regis­seu­rin Ana Scheu Amigo und ihr Team von „Esther“!
Der andere Film: Die Bezie­hung zwischen zwei Brüdern ist immer komplex, aber in diesem Film ist es dem Team gelun­gen, diese in andere Dimen­sio­nen zu heben: Es erzählt das komple­xe Thema toxische Masku­li­ni­tät von zwei Brüdern auf der Flucht in einer großen Einfach­heit und Schön­heit. In 13 Minuten schafft es der Film, uns nicht nur in die schreck­li­chen Umstän­de zu verset­zen, mit denen die Haupt­fi­gu­ren konfron­tiert sind, sondern auch ihre Ängste zu entblö­ßen. Der Kampf, im Tunnel, dem Bauch der Schlan­ge, führt zwar auf die andere Seite, aber nicht aus der Gewalt, die sich zwischen den Brüdern breit gemacht hat. Herzli­chen Glück­wunsch an Regis­seur Muschirf Shekh Zeyn von „Killing Bagheera“!

5. Biber für den besten mittel­lan­gen Film
Gestif­tet von apero GmbH, dotiert mit 2.000€
Gewin­ner: „Triumph des Schau­spie­lers“ von Daniel Holzberg
Jury-Begrün­dung: Diese Komödie schafft es, dem Thema Diskri­mi­nie­rung mit Leich­tig­keit zu begeg­nen. Auf der Bühne der Filmbran­che wird stell­ver­tre­tend dieses Problem unserer Gesell­schaft durch­de­kli­niert. Der Schau­spie­ler mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, der versucht, aus dem Stereo­typ für seine Beset­zung auszu­bre­chen, ist dabei ebenso komisch, wie nachfühl­bar. Wir fiebern mit ihm mit, wie er seiner Passi­on nachgeht, die sich ausge­rech­net in der Rolle eines Nazis verkör­pert. Jede Szene überzeugt durch erzäh­le­ri­sche und visuel­le Details und hervor­ra­gend gesetzt Pointen. Ein rundes, sehr gut kompo­nier­tes Werk. Herzli­chen Glück­wunsch an das Team um den Regis­seur Daniel Holzberg und Schau­spie­ler und Co-Autor Ercan Karaca­yl „Triumph des Schauspielers“!

6. Doku-Biber
Gestif­tet von Fa. LIEBHERR, dotiert mit 3.000€
Gewin­ner: „(Im)mortels“ von Lila Ribi
Jury-Begrün­dung: Als Doku-Jury haben wir in den letzten Tagen acht ausge­zeich­ne­te, formal sehr unter­schied­li­che Werke gesich­tet. Wir bedan­ken uns für den außer­or­dent­lich starken Wettbe­werb. Durch die große Varie­tät der Filme war es für uns schwie­rig, Bewer­tungs­kri­te­ri­en zu finden. Wir haben uns schließ­lich für das Krite­ri­um der emotio­na­len Wirkung entschie­den. Die Protago­nis­tin Greti war der Überzeu­gung, sie sei 106. Dabei war sie am Ende der Dokumen­ta­ti­on nur 103. Diese kleine wunder­schö­ne Szene zwischen Großmutter und Enkelin beschreibt sehr gut die Protago­nis­tin und ihren Esprit. Über 10 Jahre beglei­te­te die Enkelin ihre Großmutter und erzählt auf liebe­vol­le und feinfüh­li­ge Art die letzten Jahre Gretis. Der Tod ist ein univer­sel­les Thema. Dieser Film hat es geschafft, uns alle drei auf eine persön­li­che und doch gemein­sa­me Art und Weise zu berüh­ren, mitzu­rei­ßen, und an unsere eigenen Eltern und Großel­tern zu denken, die wir teilwei­se schon verlo­ren haben. Der Film ist eine Berei­che­rung für alle Genera­tio­nen und eine Hymne auf das Leben und das eventu­el­le Leben danach.

7. Fernseh­bi­ber
Gestif­tet von OBI Biber­ach, dotiert mit 3.000€
Gewin­ner: „So laut du kannst“ von Esther Bialas
Jury-Begrün­dung: Stellen Sie sich vor, Sie haben soeben ein Verge­wal­ti­gungs­dra­ma gesehen. Das Licht geht an, der Kinosaal leert sich. Mit welchen Worten würden Sie Ihren Gemüts­zu­stand wohl am ehesten beschrei­ben? Sind sie aufge­wühlt? Bestürzt? Haben Sie einen dicken Kloß im Hals? Hat sie das Drama der beiden jungen Frauen gefes­selt? Für uns, die Jury, trifft all dies im Falle von „So laut du kannst“ zu. Aber noch viel mehr fühlen wir uns beschenkt. Beschenkt durch die präzi­se und einfühl­sa­me Regie von Esther Bialas. Beschenkt durch die kluge Erzähl­wei­se der Autor*Innen Lilly Bogen­ber­ger, Isabel Kleefeld, Sophia Krapoth, David Weichelt und gerade­zu beglückt durch die Schau­spiel­leis­tung von Nina Gummich und Friede­ri­ke Becht die „So laut du kannst“ zu einem Erleb­nis machen. 

8. Debüt-Biber
Gestif­tet vom Landkreis Biber­ach und der OEW, dotiert mit 3.000€
Gewin­ner: „Bulldog“ von André Szardenings
Jury-Begrün­dung: Dieser spannungs­ge­la­de­ne Debüt­film hat die Jury bewegt und beein­druckt. Er ist ein Beispiel für das gelun­ge­ne Zusam­men­spiel aller Gewer­ke: Drehbuch, Schau­spiel und Insze­nie­rung schaf­fen eine hohe Identi­fi­ka­ti­on mit glaub­haft erzähl­ten Figuren. Bildge­stal­tung, Ton und Monta­ge greifen gekonnt inein­an­der, ziehen das Publi­kum in eine Welt, die örtlich stark reduziert ist und gleich­zei­tig doch seltsam weit. Mit viel Mut zum Unaus­ge­spro­che­nen offen­bart sich eine schwie­ri­ge Bezie­hung. Konse­quent wird der Film aus der Perspek­ti­ve der Haupt­fi­gur erzählt. Ein gerade erwach­se­ner Sohn und seine nur 15 Jahre ältere Mutter gaunern sich durch eine Urlaubs­in­sel. Kurz vor Beginn der Saison befin­den sie sich in einer Zwischen­welt, die darauf wartet, dass sich etwas verän­dert. Kleine Momen­te, Blicke und Gesten lassen uns mit den Figuren fühlen, wir begrei­fen sie, ihre Haltlo­sig­keit, ihre Ziello­sig­keit — aber vor allem, und das ist das Wichtigs­te: die Liebe in all ihrer Ambiva­lenz. Und die ganze Zeit klopft uns das Herz bis zum Hals. Ein großar­ti­ges Kino-Debüt, eine selten gelun­ge­ne Mischung aus Impro­vi­sa­ti­on und Präzi­si­on — BULLDOG!

9. Golde­ner Biber (bester Spielfilm)
Gestif­tet von der Stadt Biber­ach, dotiert mit 8.000€
Gewin­ner: „The Forgot­ten“ von Daria Onyshchenko
Jury-Begrün­dung: Ein Film, der so gegen­wär­tig ist und doch die Zeit verschiebt, der uns mitten in den Alltag eines Konflik­tes katapul­tiert und doch ständig daran erinnert, was gerade jetzt, heute und im Moment des Krieges passiert. Hier wird die Identi­tät eines Landes verhan­delt, aber kein banaler Patrio­tis­mus propa­giert. The Forgot­ten wirft uns kraft­voll und kompro­miss­los in das Spannungs­feld der selbst ernann­ten Volks­re­pu­blik Lugansk in der Ost-Ukrai­ne im Jahr 2019. In sehr sensi­bler und diffe­ren­zier­ter Weise schil­dert Onysh­chen­ko die Komple­xi­tät der Situa­ti­on anhand von mehre­ren Protago­nis­ten, die nicht nur die Reali­tät in der VR Lugansk, sondern auch in der gesam­ten Ukrai­ne beleuch­tet. Wie lässt sich ein Film, der in Lugansk spielt, vor dem Hinter­grund der aktuel­len Ereig­nis­se cineas­tisch beurtei­len? Diese Aufga­be wäre schwer lösbar gewesen, hätte Regis­seu­rin und Co-Autorin Daria Onysh­chen­ko nicht eine Partei­nah­me tunlichst vermie­den. Ihr zweiter Langfilm »Die Verges­se­nen« ist kein ukrai­ni­scher Propaganda-Film. 

Der detail­lier­te filmi­sche Blick und die hervor­ra­gend heraus­ge­ar­bei­te­ten Milieus lassen einen komple­xen Kosmos entste­hen, durch den wir einer starken weibli­chen Protago­nis­tin folgen. Wir erleben eine Haupt­fi­gur, die Haltung zeigt — die mit kleinen Gesten und Sätzen aufbe­gehrt — die etwas verän­dern möchte, was sich kaum mehr ändern lässt. Trotz der verhee­ren­den Konse­quen­zen, die sie dafür in Kauf nehmen muss. 

So glaub­haft und fein sind die Unter­schie­de in der Figuren­zeich­nung in einer Konstel­la­ti­on roher Todes­angst. Was es heißt, dort zu bleiben, sich zu arran­gie­ren, offen oder verbor­gen Wider­stand zu leisten, Geld fürs Alltäg­li­che verdie­nen zu müssen, eine Bezie­hung zu führen und Liebe und Hass aus und in alle Richtun­gen zu erfah­ren. Regis­seu­rin Daria Onyshen­ko erzählt aus der Perspek­ti­ve der Ukrai­ne, aber wir werden nicht geblen­det von einsei­ti­gem Patrio­tis­mus. Mitun­ter verlie­ren sich die paral­le­len Strän­ge, aber man lernt es verste­hen — so viel, was erzählt werden will und muss. Da ist aber auch eine Kamera, die uns mit ihren sinnli­chen und schonungs­lo­sen Blicken Zeit gibt, um uns im Anschluss mit all der Härte der Situa­ti­on zu konfron­tie­ren. Es bleiben Fragen, Wider­wor­te und am Ende vor allem das Empfin­den der Dring­lich­keit dieser Geschich­te. Und sie könnte an so vielen Orten dieser Welt statt­fin­den. Auf Grund der vielschich­ti­gen Erzähl­wei­se, der authen­ti­schen Darstel­lung und der deutli­chen Ambiva­lenz kamen wir jedoch zu dem überzeug­ten Urteil, dass ›Zabuti‹, wie der Film im Origi­nal heißt, den diesjäh­ri­gen Spiel­film­preis der Biber­acher Filmfest­spie­le erhal­ten soll. 

10. Silber­ner Biber
Gestif­tet von Kaufmann & Kaufmann Steuer­be­ra­ter Partner­schaft mbB, dotiert mit 2.000€
Gewin­ner: Julius Nitsch­koff für seine heraus­ra­gen­de schau­spie­le­ri­sche Leistung im Film „Bulldog“