Ein gefleck­tes Fell zur Tarnung, kein eigener Geruch, dafür aber ein Duckre­flex: Rehkit­ze können sich im hohen Gras wunder­bar vor natür­li­chen Feinden verste­cken — doch gerade das wird ihnen bei Mähdre­schern zum Verhängnis.

MÜNCHEN (dpa/lby) — Jäger, Tierschüt­zer und Landwir­te suchen im Frühjahr wieder im hohen Gras nach Jungtie­ren, um sie vor dem Mähtod zu retten. «Das ist für uns eine Herzens­auf­ga­be», beton­te eine Spreche­rin des Bayeri­schen Jagdver­bands (BJV). Ab Mitte April spüren sie die Tiere mit Drohnen und Wärme­bild­ka­me­ras auf, bevor die Landwir­te die Wiesen mähen.

Jungtie­re vieler Arten verste­cken sich instink­tiv im Gras vor Räubern wie Greif­vö­geln, Füchsen oder Mardern, erklär­te die BJV-Spreche­rin. Vor allem Rehkit­ze seien ohne eigene Witte­rung und und mit ihrem flecki­gen Fell gut getarnt. Die Mütter beobach­ten ihren Nachwuchs aus der Ferne und nähern sich ihm nur zum Säugen.

«Das ist ein ganz schlau­er, angebo­re­ner Schutz­me­cha­nis­mus der Natur um Jungwild vor Beute­grei­fern zu schüt­zen, sowohl bei den Rehkit­zen, aber auch beim Feldha­sen oder anderen Nestho­ckern.» Doch beim Mähwerk endet der Schutz­me­cha­nis­mus tödlich: Statt zu fliehen, ducken sich die Tiere bis zuletzt im hohen Gras.

Bei der Rehkitz­ret­tung in Augsburg sind in den kommen­den Wochen knapp 50 ehren­amt­li­che Drohnen-Piloten und Helfer im Einsatz, berich­te­te die Koordi­na­to­rin und Tierärz­tin Corne­lia Günther. Sie stehen noch vor dem Morgen­grau­en auf und fliegen mit Drohnen das Feld ab. Entde­cken sie ein Jungtier, wird ein Helfer mit einem Funkge­rät an den Fundort gelotst.

Mit Handschu­hen und Grasbü­scheln wird das Tier dann vorsich­tig aus der Wiese getra­gen. «Wir müssen die Rehkit­ze tatsäch­lich in einem Karton oder Wäsche­korb wegsper­ren, bis die Fläche komplett gemäht ist», erzähl­te Günther. Ansons­ten würden die Jungtie­re gleich wieder im vermeint­lich siche­ren Gras Schutz suchen. Vergan­ge­nes Jahr hätten sie auf diese Weise rund 30 Kitze in der Region Augsburg gerettet.

Die Tierschüt­zer und Jäger spüren aber auch Katzen, Jungha­sen oder Eier von Boden­brü­tern auf. Im Isarmoos sind vor allem die Kiebit­ze gefähr­det. Mit einem Pilot­pro­jekt möchte der Bund Natur­schutz dort rund 2000 Küken vor dem Mähtod retten: Die Landwir­te sollen bis zum 1. Mai mit dem Bestel­len ihrer Felder warten, dann sind die Küken nämlich groß genug, um vor den Maschi­nen zu flüch­ten. Zum Ausgleich bekom­men die Landwir­te dafür 150 Euro pro Hektar.

Vegeta­ti­ons- und witte­rungs­be­dingt bleibt den Landwir­ten nur ein kleines Zeitfens­ter, um ihre Wiesen zu mähen. Sie sind verpflich­tet, die Fläche vorab nach Jungtie­ren abzusu­chen. Weil diese mit bloßem Auge aber kaum zu erken­nen sind, werden nach Schät­zun­gen jährlich rund 100 000 Kitze und viele andere Tiere beim Mähen getötet.