Die Olympi­schen Spiele in Tokio und die Fußball-EM rücken näher — und die Pande­mie ist längst nicht besiegt. Das Thema Impfen ist für den Weltsport und die Athle­ten von großer Bedeu­tung — und umstritten?

Spitzen­sport­ler und Profi­fuß­bal­ler deshalb bevor­zugt gegen das Corona­vi­rus zu impfen, ist umstrit­ten und heikel. «Ich finde es nicht unpro­ble­ma­tisch, dass Sport­ler zuerst geimpft werden, damit sie dem Profi­sport nachge­hen können», sagte der SPD-Gesund­heits­po­li­ti­ker Karl Lauterbach.

Bei der Festle­gung der Priori­tä­ten bei der Impfung müsse man sich auf die Empfeh­lun­gen der Ethik­rä­te und der Ständi­gen Impfkom­mis­sio­nen verlas­sen. Dennoch erschei­ne es ihm fragwür­dig, «dass wir Sport­ler impfen und ältere Ungeimpf­te noch erkran­ken und um ihr Leben kämpfen» müssten, meinte der 57 Jahre alte Medizi­ner. Der Sprecher der Spitzen­ver­bän­de pflich­tet ihm bei. «Ich habe einen 91-jähri­gen Vater und wünsche mir, dass er einer der Ersten ist, der den Impfstoff erhält», sagte Ingo Weiss. «Der Sport muss sich dahin­ter anstellen.»

Die Mehrheit der Bundes­bür­ger teilt diese Ansicht. 66 Prozent sind gegen bevor­zug­te Corona-Impfun­gen für Sport­ler, 19 Prozent dafür. Das ergab eine reprä­sen­ta­ti­ve Umfra­ge des Meinungs­for­schungs­in­sti­tuts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur unter 2045 Befrag­ten. 15 Prozent machten keine Angaben.

«Wir haben den Traum, zu Olympia zu gehen. Trotz­dem sollte das, was für die Gesell­schaft das Wichtigs­te ist, im Vorder­grund bleiben», beton­te die Turne­rin Elisa­beth Seitz. Für sie sei es wichtig, dass dadurch keine Risiko­grup­pen oder Ärzte und Kranken­haus­per­so­nal benach­tei­ligt werden: «Sie sollten vor uns Sport­lern stehen.» Außer­dem möchte die Olympia-Vierte am Stufen­bar­ren von Rio 2016 «vorher alle Risiken und Neben­wir­kun­gen» abgeklärt wissen. «Impfen ist nicht schlecht», meinte ihr Turn-Kolle­ge Marcel Nguyen. «Ich möchte trotz­dem nicht der Erste sein, der das ausprobiert.»

Weniger Beden­ken haben andere Sport­ler, allen voran Max Hartung. «Ich werde mich impfen lassen», kündig­te der Vorsit­zen­de von Athle­ten Deutsch­land und Säbel­fech­ter an. Auch die sechs­ma­li­ge Olympia­sie­ge­rin der Dressur­rei­ter, Isabell Werth, werde es «sofort machen». Eine «hohe Bedeu­tung» hat die Impfung für Tisch­ten­nis-Ass Dimit­rij Ovtcha­rov. «Nicht nur in Bezug auf den Sport, sondern auf die ganze Pande­mie-Situa­ti­on bezogen», erklär­te er. Er plane, wenn möglich, sich «sehr zeitnah impfen zu lassen.»

Auch die Boxerin Nadine Apetz ist für das Impfen, sieht für sich aber aktuell keine Notwen­dig­keit. «Da ich eine der Sport­le­rin­nen bin, die schon mit Corona infiziert war, habe ich noch Antikör­per in mir», berich­te­te die mehrfa­che WM- und EM-Dritte. Von daher wisse sie nicht, ob eine Impfung derzeit sinnvoll sei.

Ähnli­che Gedan­ken hegt Ringer Frank Stäbler, der sich auch infiziert hatte. Laut seiner Ärzte habe er aktuell starke Antikör­per und sei keine Gefahr für andere. «Ich glaube aber, dass die Impfbe­schei­ni­gung ein Türöff­ner werden dürfte an Flughä­fen, in Hotels oder wo wir uns sonst überall in der Welt bewegen», sagte er. «Wenn es erfor­der­lich ist, um meinen Olympia-Traum ohne weite­re große Hinder­nis­se zu verwirk­li­chen, würde ich mich selbst­ver­ständ­lich impfen lassen.»

Fraglich ist indes, ob sich jeder Olympia-Starter impfen lassen will. «Ich denke, es gibt einige Sport­ler, die das nicht machen wollen», sagte Turner Andre­as Toba. «Dann ist die Frage: Was macht man mit den Sport­lern? Dürfen sie aufgrund des Nicht-Impfens nicht zu den Olympi­schen Spielen?»

Eine Impfpflicht für die Tokio-Spiele vom 23. Juli bis 8. August wird es nicht geben, versi­cher­te Thomas Bach. Der Präsi­dent des Inter­na­tio­na­len Olympi­schen Komitees ist jedoch sicher, von Schnell­tests und Impfun­gen bei der Organi­sa­ti­on siche­rer Spiele zu profi­tie­ren. «Impfun­gen sind kein Allheil­mit­tel», unter­strich er.

«Ich könnte mir vorstel­len, dass es eine Regelung geben wird, wonach man nur starten darf, wenn man geimpft ist», sagte Gesa Krause. Im Leistungs­sport müsse man sich mit Dingen arran­gie­ren, die man disku­tie­ren könne. «Meine überge­ord­ne­ten Ziele stehen jedoch über so etwas», sagte die Hinder­nis­lauf-Europa­meis­te­rin. Sie sehe sich als Teil des Prozes­ses: «Ich habe nicht die riesen­gro­ße Angst in Corona-Zeiten, da ich ein positiv denken­der Mensch bin.»

Der Sport­so­zio­lo­ge Gunter Gebau­er sieht ungeach­tet der Impf-Proble­ma­tik vor dem Hinter­grund der Corona-Pande­mie generell ein erheb­li­ches Risiko für die Austra­gung der Tokio-Spiele. «Bei 10 000 Athle­ten im Olympi­schen Dorf ist der Gefah­ren­herd gewal­tig», sagte er. «Wenn das nicht beherrsch­bar ist, ist es sicher besser, man lässt die Spiele ausfal­len, als dass man so etwas wie einen Super-Super-Sprea­der veran­stal­tet.» Denn hinter­her würden alle wieder in alle Weltge­gen­den nach Hause fahre — «und dann ist die Pande­mie nochmal poten­ziert, falls eine Pande­mie überhaupt poten­zier­bar ist».