Nach den tödli­chen Schüs­sen während einer Veran­stal­tung der Zeugen Jehovas in Hamburg gehen am Freitag die Ermitt­lun­gen zu der Bluttat weiter. Innen­se­na­tor Andy Grote (SPD) kündig­te für den Mittag eine Presse­kon­fe­renz an, bei der Details zu der Tat und zum Stand der Ermitt­lun­gen bekannt­ge­ge­ben werden sollen.

Während der Veran­stal­tung am Donners­tag­abend waren mehre­re Menschen durch Schüs­se getötet oder verletzt worden. Medien­be­rich­ten zufol­ge starben sechs oder sieben Menschen, mindes­tens acht weite­re seien verletzt worden. Der Täter ist mögli­cher­wei­se tot, seine Tat stuft die Polizei nach Infor­ma­tio­nen aus Sicher­heits­krei­sen als Amoklauf ein. Die Hinter­grün­de waren auch rund sieben Stunden nach der Tat zunächst unklar.

Zur genau­en Zahl der Toten äußer­te sich die Polizei zunächst nicht. «Es ist nach ersten Erkennt­nis­sen so, dass mehre­re Tote unter den Opfern zu bekla­gen sind», sagte ein Polizei­spre­cher. Unter den Toten soll mögli­cher­wei­se auch der Täter sein: «Es gibt Hinwei­se darauf, dass es der Täter sein könnte. Aber ob es wirklich der Täter gewesen ist, das ist noch unklar.» Es gebe keinen Hinweis auf einen anderen oder einen flüch­ti­gen Täter.

Über eine amtli­che Gefah­ren­durch­sa­ge der Behör­de für Inneres in Hamburg war die Rede von einer «extre­men Gefahr». «Am heuti­gen Tage gegen 21.00 Uhr schoss(en) ein oder mehre­re unbekann­te Täter auf Perso­nen in einer Kirche», hieß es in dem Text. Die Polizei sei gegen 21.15 Uhr telefo­nisch über die Schüs­se infor­miert worden.

Anwoh­ne­rin: «Es waren ungefähr vier Schussperioden»

Eine Nachba­rin berich­te­te von mehre­ren Schüs­sen bei der Veran­stal­tung der Zeugen Jehovas. «Es waren ungefähr vier Schuss­pe­ri­oden. In diesen Perioden fielen immer mehre­re Schüs­se, etwa im Abstand von 20 Sekun­den bis einer Minute», berich­te­te Studen­tin Lara Bauch. Später seien Menschen von Polizis­ten an Händen und Füßen auf die Straße getra­gen worden.

Am frühen Morgen sicher­te die Polizei vor, hinter und in den dreige­schos­si­gen Gebäu­de weiter Spuren. Im Gebäu­de maßen die Ermitt­ler den Tatort mit einem 3D-Scanner aus. Der Eingang war dabei mit einem Sicht­schutz abgedeckt. Die weiträu­mi­gen Absper­run­gen waren am Morgen zunächst abgebaut und die Straße wieder freige­ge­ben worden.

Reaktio­nen

Hamburgs Bürger­meis­ter Peter Tschent­scher (SPD) zeigte sich bestürzt über die Schüs­se während einer Veran­stal­tung der Zeugen Jehovas. «Die Meldun­gen aus Alster­dorf / Groß Borstel sind erschüt­ternd», schrieb Tschent­scher bei Twitter. «Den Angehö­ri­gen der Opfer gilt mein tiefes Mitge­fühl. Die Einsatz­kräf­te arbei­ten mit Hochdruck an der Verfol­gung der Täter und der Aufklä­rung der Hinter­grün­de.» Tschent­scher rief die Bürge­rin­nen und Bürger auf, die Hinwei­se der Polizei zu beachten.

Auch Hamburgs Zweite Bürger­meis­te­rin Katha­ri­na Fegebank zeigte sich erschüt­tert. «Ich bin schockiert über die Schie­ße­rei in Groß Borstel, bei der es mehre­re Tote & Verletz­te gab», schrieb die Grünen-Politi­ke­rin bei Twitter. «Mein tiefes Mitge­fühl gilt den Famili­en & Freun­den der Opfer. Dank an alle Einsatz­kräf­te, die mit Hochdruck an der Verfol­gung der Täter & der Aufklä­rung dieser grausa­men Tat arbeiten.»

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) bezeich­ne­te die tödli­chen Schüs­se als bruta­le Gewalt­tat. «Schlim­me Nachrich­ten aus #Hamburg. Mehre­re Mitglie­der einer Jehova-Gemein­de sind gestern Abend einer bruta­len Gewalt­tat zum Opfer gefal­len», poste­te er am Freitag­mor­gen über den Regie­rungs­ac­count auf Twitter. «Meine Gedan­ken sind bei ihnen und ihren Angehö­ri­gen. Und bei den Sicher­heits­kräf­ten, die einen schwe­ren Einsatz hinter sich haben.»

«In Hamburg sind mehre­re Menschen Opfer eines bruta­len Verbre­chens gewor­den. Vieles ist noch unklar. Wir sind erschüt­tert. Gemein­sam beten wir», schrieb das Erzbis­tum Hamburg am Donners­tag­abend auf Twitter. Weiter hieß es: «Wir sind bei denen, die verletzt sind und bei denen, die aus dem Leben geris­sen wurden.»

Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich ebenfalls «erschüt­tert». «Meine Gedan­ken sind in dieser schwe­ren Stunde bei den Opfern und ihren Angehö­ri­gen, bei den Gemein­de­mit­glie­dern und auch bei den Einsatz­kräf­ten», sagte Faeser der Deutschen Presse-Agentur.

EU-Innen­kom­mis­sa­rin Ylva Johans­son sprach auf Twitter von einer «schockie­ren­den Tat». Ihre Gedan­ken seien bei den Opfern und ihren Famili­en. Zugleich dankte die Schwe­din der Hambur­ger Polizei, die «unver­züg­lich mit unglaub­li­chem Mut» reagiert habe.

Zeugen Jehovas — Hintergrund

Die Zeugen Jehovas sind eine christ­li­che Gemein­schaft mit eigener Bibel-Ausle­gung. Die Anhän­ger glauben an Jehova als «allmäch­ti­gen Gott und Schöp­fer» und sollen sich stren­gen Vorschrif­ten unter­wer­fen. Sie sind davon überzeugt, dass eine neue Welt bevor­steht und sie als auser­wähl­te Gemein­de geret­tet werden. Weltweit haben die Zeugen Jehovas etwa acht Millio­nen Mitglie­der. Die «Weltzen­tra­le» ist in New York. Die deutsche Gemein­schaft mit weniger als 200.000 Mitglie­dern gehört zu den größten in Europa.

Hinter­grund zum Tatort

Bei dem Tatort handelt es sich um ein dreistö­cki­ges Gewer­be­ge­bäu­de, das an einer breiten Straße und neben einem Maler­be­trieb sowie einer Baustel­le mit drei großen Kränen liegt. In Hamburg-Alster­dorf leben rund 15.000 Menschen, der Stadt­teil im Bezirk Hamburg-Nord ist etwa drei Quadrat­ki­lo­me­ter groß. Neben Alster­dorf gibt es zwölf weite­re Stadt­tei­le in dem Bezirk. In Hamburg-Alster­dorf sind zahlrei­che Unter­neh­men angesie­delt. Durch den Stadt­teil verläuft der Fluss Alster.

Hinwei­spor­tal

Die Polizei hat ein Hinwei­spor­tal einge­rich­tet. Auf der Websei­te https://hh.hinweisportal.de/ können «Fotos und Videos zur Tat oder relevan­ten Ereig­nis­sen in diesem Zusam­men­hang hochge­la­den werden», teilte die Polizei Hamburg auf Twitter mit.

Von den dpa-Korrespondenten