Während der US-Wahlkampf auf die Zielge­ra­de geht, steigt im Land steil die Zahl der Corona-Infek­tio­nen. Präsi­dent Donald Trump spielt die Gefahr jedoch konse­quent herun­ter. Unter­des­sen gibt es einen neuen Corona-Fall im Umfeld des Weißen Hauses.

Der in Umfra­gen zurück­lie­gen­de Trump hielt gleich drei Wahlkampf­re­den in North Caroli­na, Ohio und Wiscon­sin. Biden trat zweimal in Pennsyl­va­nia auf. Diese Bundes­staa­ten könnten den Ausgang der Wahl am 3. Novem­ber entschei­den. Unter­des­sen wurde der Stabs­chef von Vizeprä­si­dent Mike Pence, Marc Short, positiv auf das Corona­vi­rus getes­tet und begab sich in Quaran­tä­ne. Pence will trotz­dem mit seinen Wahlkampf­auf­trit­ten weitermachen.

Auch insge­samt wird der Schluss­spurt des US-Wahlkampfs von einem steilen Anstieg der Corona-Fälle beglei­tet. Mit mehr als 83.000 Neuin­fek­tio­nen an einem Tag wurde ein Rekord aufge­stellt. Mehr als 900 Ameri­ka­ner starben, die Gesamt­zahl der Todes­op­fer überschritt die Marke von 224.000. Trump, dem viele Wähler in Umfra­gen nicht zutrau­en, die Corona-Krise zu meistern, spiel­te die Pande­mie auch im Angesicht der schlech­ten Zahlen konse­quent herunter.

«Ich hatte es, hier bin ich», verkün­de­te Trump in Anspie­lung auf seine Covid-19-Erkran­kung bei einem der Wahlkampf­auf­trit­te. «Und jetzt sagen sie, dass ich immun bin.» Trump war unter anderem mit einem noch experi­men­tel­len Antikör­per-Medika­ment behan­delt worden, das er als «Heilmit­tel» bezeich­ne­te. Bei jedem der Auftrit­te erzähl­te er zudem, dass sein 14-jähri­ger Sohn Barron schon kurz nach dem positi­ven Test von den Ärzten wieder für gesund erklärt worden sei. Trump gab bei den drei Reden drei Varian­ten zum Besten, wie schnell das ging: Nach 15 Sekun­den, nach 15 Minuten und am nächs­ten Tag.

Den Anstieg der Corona-Infek­tio­nen im Land führte Trump darauf zurück, dass mehr als früher getes­tet werde. «Wenn wir halb so viel testen würden, wäre die Zahl halb so hoch.» Überhaupt werde in den Medien ständig über das Virus geredet. «Macht man den Fernse­her an: «Covid, Covid, Covid, Covid, Covid»», beschwer­te sich der Präsident.

«Ein Flugzeug stürzt ab, 500 Leute sind tot, sie reden nicht darüber. “Covid, Covid, Covid, Covid.”» Nach der Präsi­den­ten­wahl werde man davon nichts mehr hören, weil die Medien den Leuten nur jetzt Angst machen wollten, behaup­te­te Trump. Bei seinen Auftrit­ten standen dicht gedrängt tausen­de Anhän­ger, viele von ihnen trugen keine Masken.

Biden warf Trump erneut Versa­gen in der Corona-Krise vor, das Leben von Ameri­ka­nern gekos­tet habe. Er rief die Menschen dazu auf, Masken zu tragen. «Es wird ein düste­rer Winter, wenn wir nicht unser Verhal­ten ändern», beton­te er. «Und das alles, weil der Präsi­dent sich mehr um den Aktien­markt als um Euch Sorgen macht», sagte Biden an die Adres­se der Wähler. Anders als Trump sprach Biden vor Leuten, die wie in einem Autoki­no mit ihren Fahrzeu­gen zu den Wahlkampf­events kamen. Ihre Zustim­mung drück­ten sie mit einem Hupkon­zert aus. Bei einem der Auftrit­te gab Rockstar Jon Bon Jovi ein Mini-Konzert. Ein neuer Werbe­spot für Biden, der am Samstag Premie­re hatte, wurde von Holly­wood-Schau­spie­ler Brad Pitt eingesprochen.

Auch Ex-Präsi­dent Barack Obama, dessen Vize Biden einst war, machte Wahlkampf für ihn in Flori­da. Obama ging mit Trumps Krisen­ma­nage­ment in der Pande­mie ebenfalls hart ins Gericht: «Er erkennt nicht einmal an, dass es ein Problem gibt.»

Am Samstag­mor­gen machte Trump von der Möglich­keit Gebrauch, schon frühzei­tig seine Stimme bei der Präsi­den­ten­wahl abzuge­ben. Trump suchte dafür ein Wahllo­kal in einer Biblio­thek in West Palm Beach im Bundes­staat Flori­da auf. «Ich habe für einen Typen namens Trump gestimmt», sagte er danach in die Fernseh­ka­me­ras. Dabei beton­te er erneut, dass eine persön­li­che Stimm­ab­ga­be siche­rer sei als Briefwahl.

Flori­da, wo Trump seit gut einem Jahr seinen offizi­el­len Wohnsitz hat, gehört zu den Bundes­staa­ten, die ihre Einwoh­ner bereits vor dem offizi­el­len Wahlter­min abstim­men lassen.

Bisher gaben bereits mehr als 50 Millio­nen Menschen ihre Stimme in Wahllo­ka­len oder per Brief ab. Bei der Präsi­den­ten­wahl 2016 hatten knapp 139 Millio­nen Ameri­ka­ner abgestimmt. Angesichts der Corona-Krise nutzen mehr Menschen als sonst die Möglich­keit zur frühen Stimm­ab­ga­be. Nachdem es in den vergan­ge­nen Monaten die Sorge gab, dass per Brief abgeschick­te Stimm­zet­tel nicht recht­zei­tig ankom­men könnten, nehmen viele Menschen stunden­lan­ge Warte­zei­ten in Kauf, um persön­lich abzustim­men — etwa in New York, wo am Samstag Wahllo­ka­le für frühe Abstim­mun­gen öffneten.

Trump behaup­tet seit Monaten, dass mit massen­wei­se per Post verschick­ten Stimm­zet­teln die Gefahr von Wahlfäl­schun­gen drastisch steige. Exper­ten und Wahlbe­hör­den betonen indes, dass es dafür keine Belege gebe. Die Demokra­ten warnen vor einem Versuch des republi­ka­ni­schen Präsi­den­ten, so Zweifel am Wahlaus­gang zu säen.

Bei der Präsi­den­ten­wahl vor vier Jahren hatten gut 47 Millio­nen US-Bürger die Möglich­keit zur frühen Stimm­ab­ga­be genutzt. Diesmal waren es bis Sonntag nach Daten des «U.S. Elections Project» des Politik­wis­sen­schaft­lers Micha­el McDonald von der Univer­si­tät Flori­da bereits knapp 57,5 Millio­nen. Von ihnen hätten fast 18 Millio­nen persön­lich abgestimmt und rund 39,5 Millio­nen per Brief.