Blitz-Impeach­ment: Nach dem Sturm auf das Kapitol berei­te­ten die Demokra­ten inner­halb weniger Tage ein Amtsent­he­bungs­ver­fah­ren gegen Präsi­dent Trump vor. Nun kommt es zur ersten großen Abstim­mung. Eine andere Strate­gie zur Abset­zung Trumps führte ins Leere.

Nach den Krawal­len seiner Anhän­ger am Kapitol steuert der abgewähl­te US-Präsi­dent Donald Trump auf sein zweites Amtsent­he­bungs­ver­fah­ren zu. Im US-Reprä­sen­tan­ten­haus wird am späten Mittwoch­abend (MEZ) die Abstim­mung über die Eröff­nung eines solchen Impeach­ment-Verfah­rens erwartet.

Eine Mehrheit gilt als sicher. Auch einzel­ne Abgeord­ne­te der Republi­ka­ner kündig­ten an, dafür zu stimmen, ihren Partei­kol­le­gen aus dem Amt zu entfer­nen. Die Demokra­ten werfen Trump «Anstif­tung zum Aufruhr» vor.

Die Demokra­ten hatten paral­lel versucht, Trumps sofor­ti­ge Abset­zung über einen Zusatz­ar­ti­kel der Verfas­sung zu errei­chen. Artikel 25 der Verfas­sung erlaubt es, den Präsi­den­ten für unfähig zu erklä­ren, «die Rechte und Pflich­ten des Amtes auszu­üben». US-Vizeprä­si­dent Mike Pence, der dies gemein­sam mit Mitglie­dern des Kabinetts hätte ansto­ßen müssen, lehnte einen solchen Schritt am Diens­tag­abend (Ortszeit) aber offizi­ell ab. Pence erklär­te, ein solches Vorge­hen sei weder im Inter­es­se der Nation noch im Einklang mit der Verfas­sung und würde einen «schreck­li­chen Präze­denz­fall» schaffen.

In einer außer­ge­wöhn­li­chen politi­schen Stellung­nah­me hat der General­stab der US-Streit­kräf­te die Erstür­mung des Kapitols durch Trump-Anhän­ger scharf verur­teilt. «Die Meinungs­frei­heit und das Versamm­lungs­recht geben nieman­dem das Recht zu Gewalt, Aufruhr und Aufstand», schrie­ben US-General­stabs­chef Mark Milley und seine Kolle­gen aus der US-Militär­füh­rung in einer gemein­sa­men Stellung­nah­me. Jeder Akt, der sich gegen die verfas­sungs­recht­li­chen Vorgän­ge richte, sei «nicht nur gegen unsere Tradi­tio­nen, Werte, und unseren Eid — es ist gegen das Gesetz». Der General­stab erinner­te das Militär daran, dass es dem Gesetz verpflich­tet sei und weiter­hin die Verfas­sung verteidige.

Am 20. Januar werde Joe Biden als künfti­ger US-Präsi­dent verei­digt und so zum nächs­ten Oberbe­fehls­ha­ber über die Streit­kräf­te, beton­ten die Top-Generä­le. So entspre­che es der Verfas­sung und so hätten es Bundes­staa­ten und Gerich­te bestä­tigt und der Kongress offizi­ell zerti­fi­ziert. Trump hatte seine Anhän­ger damit aufge­wie­gelt, dass ihm angeb­lich der Wahlsieg gestoh­len worden sei. Die US-Militär­füh­rung hält sich üblicher­wei­se aus der Tages­po­li­tik heraus.

Aufge­brach­te Trump-Anhän­ger waren am Mittwoch vergan­ge­ner Woche — nach einer aufsta­cheln­den Rede Trumps — während einer Sitzung des Kongres­ses in das Kapitol einge­drun­gen und hatten dort Chaos und Zerstö­rung angerich­tet. Mehre­re Menschen kamen bei den Krawal­len ums Leben. Der beispiel­lo­se Gewalt­aus­bruch im politi­schen Zentrum der USA löste natio­nal wie auch im Ausland einen Schock aus. Die Demokra­ten machten Trump persön­lich für die Ausschrei­tun­gen verant­wort­lich und forder­ten, ihn sofort aus dem Präsi­den­ten­amt zu entfer­nen — auch wenn Trumps Amtszeit in wenigen Tagen ohnehin endet.

Am Montag hatten die Demokra­ten eine Resolu­ti­on mit der Ankla­ge gegen Trump ins Reprä­sen­tan­ten­haus einge­bracht. An diesem Mittwoch soll darüber abgestimmt werden. Kommt eine Mehrheit zustan­de, was zu erwar­ten ist, würde das Amtsent­he­bungs­ver­fah­ren damit offizi­ell eröffnet.

Die Demokra­ten stellen im Reprä­sen­tan­ten­haus die Mehrheit. Am Diens­tag kündig­ten auch einzel­ne republi­ka­ni­sche Abgeord­ne­te an, für eine Amtsent­he­bung Trumps zu stimmen. Unter ihnen: die hochran­gi­ge republi­ka­ni­sche Abgeord­ne­te Liz Cheney, die Tochter des frühe­ren US-Vizeprä­si­den­ten Dick Cheney, die zur Führungs­rie­ge der Republi­ka­ner im Abgeord­ne­ten­haus gehört. Trump habe den «Mob», der das Kapitol stürm­te, zusam­men­ge­trom­melt und die Attacke ausge­löst, erklär­te sie. Nie habe es einen «größe­ren Verrat» eines Präsi­den­ten an seinem Amt und an seinem Eid auf die Verfas­sung gegeben.

Auch mehre­re andere republi­ka­ni­sche Abgeord­ne­te kündig­ten ihre Unter­stüt­zung für eine Amtsent­he­bung Trumps an. Der Fernseh­sen­der CNN berich­te­te unter Berufung auf republi­ka­ni­sche Quellen, am Ende könnten bis zu 20 Abgeord­ne­te der Partei mitziehen.

Eine Entschei­dung in einem Amtsent­he­bungs­ver­fah­ren fällt im Senat, der anderen Kongress­kam­mer. Dort wäre eine Zweidrit­tel­mehr­heit nötig, um Trump am Ende tatsäch­lich zu verur­tei­len. Dafür müssten sich weit mehr als ein Dutzend republi­ka­ni­sche Senato­ren auf die Seite der Demokra­ten schla­gen. Einzel­ne Republi­ka­ner im Senat haben sich offen gegen Trump gestellt, aber bisher kein Ja zum Impeach­ment zugesagt.

Der demokra­ti­sche Vorsit­zen­de des Geheim­dienst­aus­schus­ses im Reprä­sen­tan­ten­haus, Adam Schiff, sagte CNN, es könne womög­lich ein politi­sches «Erdbe­ben» im Senat geben, das zu einer Mehrheit für Trumps Impeach­ment führen könnte. Schiff bezog sich dabei auf einen Bericht der «New York Times», wonach der führen­de Republi­ka­ner im Senat, Mitch McCon­nell, intern erken­nen lassen habe, dass er den Ankla­ge­punkt gegen Trump für gerecht­fer­tigt halte. Unter Berufung auf nicht näher genann­te Quellen aus McCon­nells Umfeld schrieb die Zeitung, dieser sei froh, dass die Demokra­ten ein Impeach­ment-Verfah­ren angesto­ßen hätten, weil das der republi­ka­ni­schen Partei erleich­tern könne, sich von Trump loszusagen.

Den Demokra­ten geht es bei den Impeach­ment-Bemühun­gen auch darum, Trump möglichst für künfti­ge Regie­rungs­äm­ter zu sperren. Damit würde ihm eine etwaige Präsi­dent­schafts­kan­di­da­tur 2024 verwehrt.

Trump wäre der erste US-Präsi­dent in der Geschich­te, gegen den gleich zwei Amtsent­he­bungs­ver­fah­ren eröff­net wurden. In einem ersten Verfah­ren hatte sich Trump in der sogenann­ten Ukrai­ne-Affäre wegen Macht­miss­brauchs und der Behin­de­rung von Kongress­ermitt­lun­gen verant­wor­ten müssen, wurde am Ende aber im republi­ka­nisch dominier­ten Senat freigesprochen.

Trump wetter­te am Diens­tag, der «Amtsent­he­bungs­schwin­del» der Demokra­ten verur­sa­che «enorme Wut und Spaltung und Schmerz», was für die USA beson­ders gefähr­lich sei «in dieser sehr empfind­li­chen Zeit». Er selbst scheint sich keiner Schuld bewusst. Mit Blick auf seine Rede vor Unter­stüt­zern unmit­tel­bar vor dem tödli­chen Gewalt­aus­bruch am Kapitol sagte Trump: «Sie wurde analy­siert, und die Leute fanden, dass das, was ich gesagt habe, völlig angemes­sen war.»