Die Corona-Situa­ti­on in Tsche­chi­en gerät außer Kontrol­le. Die Regie­rung verhängt Ausgangs­be­schrän­kun­gen, um einen Kollaps der Kranken­häu­ser zu verhin­dern. Selbst der Leiter des Krisen­stabs, Innen­mi­nis­ter Jan Hamacek, hat sich infiziert.

Von Donners­tag­mor­gen um 6.00 Uhr an müssen fast alle Geschäf­te schlie­ßen, wie Gesund­heits­mi­nis­ter Roman Prymu­la am Mittwoch bekannt­gab. Ausge­nom­men sind Lebens­mit­tel­lä­den und Super­märk­te, Droge­rien und Apothe­ken. Zudem werden Ausgangs­be­schrän­kun­gen wie im Frühjahr verhängt.

Die Regie­rung ordne­te an, dass die Menschen zu Hause bleiben und ihre Kontak­te mit anderen Leuten auf die «absolut notwen­di­ge Zeit» begren­zen müssen. Ausnah­men gelten nur für den Weg zur Arbeit, notwen­di­ge Einkäu­fe, Arzt- und Famili­en­be­su­che. Erlaubt sind auch Spazier­gän­ge in Parks und der freien Natur — aller­dings nur allein, zu zweit oder mit anderen Famili­en­mit­glie­dern. In Tsche­chi­en gilt offizi­ell seit dem 5. Oktober der Notstand.

«Wir müssen in erster Linie die Leben unserer Bürger retten», sagte Minis­ter­prä­si­dent Andrej Babis. Es gebe einen «enormen Anstieg» bei der Zahl der Menschen, die im Kranken­haus behan­delt werden müssten. Ohne die Maßnah­men würde das Gesund­heits­sys­tem in weniger als drei Wochen zusam­men­bre­chen. «Es ist eine Entschei­dung auf die Schnel­le, aber es bleibt keine Zeit», sagte der Multi­mil­li­ar­där und Gründer der populis­ti­schen Partei ANO. 80 Prozent der ursprüng­lich für Corona-Partien­ten reser­vier­ten Kranken­haus­bet­ten sind demnach schon jetzt belegt.

Auch das Ausland wurde um Hilfe gebeten. Nächs­te Woche sollen zwei Dutzend Ärzte der US-Natio­nal­gar­de als Verstär­kung eintref­fen. Die neuen Restrik­tio­nen gelten zunächst bis zum Ende des Notstands am 3. Novem­ber. Beobach­ter rechnen damit, dass der Ausnah­me­zu­stand mit Zustim­mung des Parla­ments verlän­gert wird. Bereits zuvor hatte Tsche­chi­en alle Schulen und Restau­rants geschlos­sen. Sowohl in Innen­räu­men als auch im Freien gilt eine weitge­hen­de Maskenpflicht.

Tsche­chi­en, das gut durch das Frühjahr gekom­men war, kämpft seit Wochen mit einer neuen Corona-Welle. Am Mittwoch wurde abermals ein neuer Höchst­stand bei der Zahl der tägli­chen Neuin­fek­tio­nen vermel­det. Es kamen 11.984 Fälle inner­halb von 24 Stunden hinzu. Die Gesamt­zahl der jemals Infizier­ten stieg damit auf knapp 194.000. Mehr als 1600 Menschen starben seit Beginn der Pande­mie in Verbin­dung mit einer Covid-19-Erkran­kung. Der EU-Mitglied­staat hat knapp 10,7 Millio­nen Einwohner.

Auch im europa­wei­ten Vergleich steht Tsche­chi­en im Kampf gegen Corona schlecht da. Inner­halb von 14 Tagen steck­ten sich nach Angaben der EU-Gesund­heits­agen­tur ECDC 975,8 Menschen je 100.000 Einwoh­ner an. Das war die höchs­te Zahl inner­halb der EU noch vor Belgi­en mit 867,2 Perso­nen. Deutsch­land lag in dieser Statis­tik bei einem Wert von genau 90. In Tsche­chi­en fällt inzwi­schen fast jeder dritte Corona-Test positiv aus. Sogar Innen­mi­nis­ter und Krisen­stabs-Leiter Jan Hamacek hat sich nach eigenen Angaben infiziert. Er arbei­te weiter online, teilte der Sozial­de­mo­krat mit.