In den Erdbe­ben-Gebie­ten in Syrien und der Türkei werden bei der Suche nach Verschüt­te­ten immer mehr Leichen aus den Resten einge­stürz­ter Gebäu­de gebor­gen. Mehrfach korri­gier­ten die türki­schen Behör­den die Zahl bestä­tig­ter Opfer nach oben — in den beiden Ländern starben mehr als 11.700 Menschen.

Präsi­dent Recep Tayyip Erdogan versprach den Betrof­fe­nen finan­zi­el­le Unter­stüt­zung und räumte zugleich Schwie­rig­kei­ten bei Rettungs­ak­tio­nen ein. Indes wurde die inter­na­tio­na­le Hilfe verstärkt.

So stock­te die Bundes­re­gie­rung in Berlin ihre humani­tä­re Hilfe für Syrien und die Türkei um weite­re 26 Millio­nen Euro auf. Davon sind nach Angaben des Auswär­ti­gen Amts insge­samt 25 Millio­nen Euro für zwei Hilfs­fonds der Verein­ten Natio­nen vorge­se­hen sowie eine Milli­on für den Malte­ser Hilfs­dienst. Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) sagte im Bundes­tag, Deutsch­land liefe­re Hilfs­gü­ter in die Türkei und stehe in engem Kontakt mit den Verein­ten Natio­nen, um humani­tä­re Hilfe auch in das syrische Erdbe­ben­ge­biet zu bringen.

Hilfe in Syrien kommt noch nicht an

Vor allem im Norden Syriens ist die Lage unüber­sicht­lich. Dort gestal­tet sich die Unter­stüt­zung schwie­rig, die auch wegen der politi­schen Lage erschwert wird — so etwa am einzi­gen offenen Grenz­über­gang Bab al-Hawa zwischen der Türkei und Syrien. Dort hatte eine beschä­dig­te Straße die Liefe­rung humani­tä­rer Hilfe verzö­gert. Die Fahrbahn ist nach Angaben der Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) mittler­wei­le repariert. Die UN zeigten sich zuver­sicht­lich, dass erste Lastwa­gen schon am Donners­tag wieder fahren könnten.

Bab al-Hawa ist der letzte von einst vier Grenz­über­gän­gen, über den Hilfen auch in die Teile Syriens gelan­gen können, die nicht von der Regie­rung kontrol­liert werden. In Syrien herrscht seit 2011 Bürger­krieg. Die Regie­rung von Präsi­dent Baschar al-Assad beherrscht inzwi­schen wieder rund zwei Drittel des zersplit­ter­ten Landes.

Hilfs­gü­ter, die über die Haupt­stadt Damas­kus ins Land kommen, werden von Assads Regie­rung verteilt. Immer wieder gibt es Berich­te, dass sich die Regie­rung daran selbst berei­chert und Gebie­te übergeht, die sie als verfein­det betrach­tet. Allein in dem Bürger­kriegs­land werden noch Tausen­de Menschen vermisst. Es fehlt Ausrüs­tung, um Trümmer zu beseitigen.

Die Zeit drängt

In der Türkei starben nach Angaben Erdogans bislang mehr als 9057 Menschen. Aus Syrien wurden zuletzt 2662 Tote gemel­det. Mehr als 57.000 Menschen wurden in den beiden Ländern verletzt. Die Opfer­zahl schnell­te nicht zuletzt deshalb in die Höhe, weil sich nun deutlich mehr Rettungs­teams an der Bergung betei­li­gen. Angesichts der vielen Vermiss­ten wird befürch­tet, dass noch mehr Leichen gefun­den werden.

Bei den winter­li­chen Tempe­ra­tu­ren drängt die Zeit. Vor allem die Türkei kann sich auf Hilfe aus dem Ausland stützen. Am Mittwoch trafen etwa 50 Einsatz­kräf­te des Techni­schen Hilfs­werks (THW) in Gaziantep im Südos­ten des Landes ein. Die Diako­nie Katastro­phen­hil­fe teilte mit, Partner­or­ga­ni­sa­tio­nen hätten damit begon­nen, Matrat­zen, Winter­klei­dung, Decken und Trink­was­ser an Betrof­fe­ne zu vertei­len. Viele Organi­sa­tio­nen riefen zu Spenden auf.

Aus Deutsch­land werden nach Angaben von Bundes­in­nen- und Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um unter anderem Zelte, Schlaf­sä­cke, Feldbet­ten, Decken, Heizge­rä­te und Genera­to­ren ins Katastro­phen­ge­biet gebracht. Ein Sprecher des Innen­mi­nis­te­ri­ums berich­te­te von etwa 82 Tonnen Materi­al im Gesamt­wert von einer Milli­on Euro. Die Bundes­wehr will am Donners­tag­vor­mit­tag laut Luftwaf­fe rund 50 Tonnen Hilfs­gü­ter ausflie­gen. Es soll täglich drei Flüge mit Hilfs­lie­fe­run­gen geben.

Erdogan reist ins Katastrophengebiet

Der türki­sche Präsi­dent sagte bei einem Besuch in Kahra­man­ma­ras den betrof­fe­nen Famili­en jeweils 10.000 Türki­sche Lira (rund 500 Euro) Sofort­hil­fe zu. «Am ersten Tag gab es natür­lich einige Proble­me, aber am zweiten Tag und heute konnte die Situa­ti­on bewäl­tigt werden.» Betrof­fe­ne kriti­sie­ren fehlen­de oder nur schlep­pen­de Hilfe bei der Bergung Verschütteter.

In der Türkei wird die Katastro­phe zuneh­mend auch zum innen­po­li­ti­schen Thema: Kemal Kilicda­ro­g­lu, Chef der größten Opposi­ti­ons­par­tei CHP, warf Präsi­dent Erdogan Versa­gen beim Krisen-Manage­ment vor. Der Präsi­dent habe es versäumt, das Land in seiner 20-jähri­gen Regie­rungs­zeit auf solch ein Beben vorzubereiten.

Die Türkei ist wegen ihrer geogra­fi­schen Lage beson­ders erdbe­ben­ge­fähr­det. Vieler­orts wird jedoch auch die dürfti­ge Bausub­stanz als ein Grund für die vielen einge­stürz­ten Häuser diskutiert.

Mit einer Stärke von 7,7 bis 7,8 hatte das Beben am frühen Montag­mor­gen das Gebiet an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien erschüt­tert. Am Montag­mit­tag folgte dann ein weite­res Beben der Stärke 7,5 in dersel­ben Region. Tausen­de Gebäu­de stürz­ten ein.

Die Bergungs­ar­bei­ten sind ein Rennen gegen die Zeit: Die kriti­sche Überle­bens­gren­ze für Verschüt­te­te liegt norma­ler­wei­se bei 72 Stunden. Tempe­ra­tu­ren um den Gefrier­punkt machten den Überle­ben­den zusätz­lich zu schaf­fen, viele haben kein Dach mehr über dem Kopf.

Von Mirjam Schmitt, Anne Pollmann und Johan­nes Sadek, dpa