SZEKESFEHERVAR (dpa) — Ein Torhü­ter, der zum Helden wird, ein Trainer mit «Notfall­plan» und ein verrück­ter Spiel­ver­lauf: Der Elfme­ter-Krimi der deutschen U21 gegen Dänemark hält so manch beson­de­re Geschich­te bereit.

An eine sponta­ne Kabinen­par­ty dachte keiner der deutschen U21-Fußal­ler. Viel zu erschöpft und müde waren die Nachwuchs-Profis nach dem verrück­ten und kräfte­zeh­ren­den 6:5‑Sieg im Elfme­ter­schie­ßen im EM-Viertel­fi­na­le gegen Dänemark.

«Es gab keinen Spieler in der Kabine, der nur einen Ansatz von einem Tanzschritt gemacht hat, weil sie einfach nicht mehr können», sagte Trainer Stefan Kuntz lächelnd, der nach dem leiden­schaft­li­chen Auftritt seiner Mannschaft in Szekes­f­eher­var «schon stolz» war.

Nach einer starken ersten Hälfte, in der sich die deutsche U21 nicht mit der Führung belohn­te, und dem 0:1‑Rückstand, kämpf­te sich die Mannschaft dank des Treffers von Lukas Nmecha (88. Minute) in die Verlän­ge­rung. Dort sah es nach dem Tor von Jonathan Burkardt (100.) nach einem Sieg für die deutsche Auswahl aus, ehe die Dänen erneut zurück­schlu­gen. Im Elfme­ter­schie­ßen wurde dann Keeper Finn Dahmen zum Helden — nur eine von vielen beson­de­ren Geschich­ten an diesem Abend:

MATCHWINNER: Der Mainzer Dahmen hat eine ungewöhn­li­che U21-Reise hinter sich. Im März patzte er in der EM-Vorrun­de beim 1:1 gegen die Nieder­lan­de schwer, verschul­de­te das 0:1 — sein Teamkol­le­ge Jonathan Burkardt rette­te ihm damals mit seinem Tor das 1:1. Gut 60 Tage später verschoss Burkardt nun den ersten Elfme­ter gegen Dänemark — und dieses Mal wurde Dahmen zum Helden und sicher­te mit zwei gehal­te­nen Straf­stö­ßen den vierten Halbfi­nal-Einzug einer deutschen U21 in Serie. «Ich habe damals gesagt, jeder ist für den anderen da und heute war ich halt dran», sagte der 23-Jähri­ge bei ProSieben.

GEFÜHLSCHAOS: Stefan Kuntz schlug nach dem Abpfiff die Hände über den Kopf, als könne er gar nicht glauben, was in den 120 Minuten plus Elfme­ter­schie­ßen zuvor passiert war, dann sackte er auf die Knie. «Irgend­wann wollen die Gefüh­le nochmal kurz raus», sagte der Coach, der ein «hochklas­si­ges U21-Spiel» gesehen hatte: «Das ist das, was einem Fan Spaß macht: Wenn er sieht, dass die Jungs sich den Hintern aufrei­ßen und am Ende ihr letztes Hemd geben, um zu gewinnen.»

IMPROVISATION: Kuntz griff gegen die spätes­tens ab Halbzeit zwei taktisch perfekt einge­stell­ten Dänen zu allen Mitteln. Beim Stand von 0:1 brach­te er kurz vor Schluss Innen­ver­tei­di­ger Lars Lukas Mai für den offen­si­ven Flori­an Wirtz — ein «Notfall­plan», wie der 58-Jähri­ge berich­te­te. In der Verlän­ge­rung baute der Coach seine Elf dann auch taktisch um und so mancher lande­te auf völlig neuen Positio­nen. «Da gab es schon viele beson­de­re Geschich­ten», sagte Kuntz grinsend.

NERVENSTÄRKE: Nach dem verschos­se­nen Elfme­ter von Burkardt blieben die U21-Fußbal­ler eiskalt: Die sechs weite­ren Versu­che verwan­del­ten sie souve­rän. «Die Spieler haben selber gesagt, wer schießt», berich­te­te Kuntz, sagte zur Entschei­dung vom Punkt aber: «Das macht als Trainer keinen Spaß. Es ist inter­es­sant, sagen wir mal so.»

WIEDERSEHEN: In der Vorrun­de gab es am Ende ein 1:1, im Halbfi­na­le sind die Nieder­lan­de am Donners­tag nun wieder der deutsche Gegner. «Dann werden wir alles reinwer­fen», versprach Außen­ver­tei­di­ger David Raum, der das 2:1 vorbe­rei­tet hatte. Denn klar ist auch: Spätes­tens jetzt ist das dritte U21-Finale in Serie das Ziel dieser Mannschaft.