LONDON (dpa) — In England geht der Protest auch nach dem Schei­tern der Super League weiter. Auch die UEFA steht in der Kritik. Deren Präsi­dent kündigt baldi­ge Gesprä­che über mögli­che Strafen an.

Die Fans in England fordern Konse­quen­zen nach dem Schei­tern der Super League, die kriti­schen Stimmen an der Reform der Champi­ons League werden lauter.

Auch nach der vorerst geplatz­ten großen Revolu­ti­on wird die Debat­te um die Zukunft des europäi­schen Fußballs scharf geführt. Nach dem deutschen Natio­nal­spie­ler Ilkay Gündo­gan äußer­te sich auch Jürgen Klopp negativ über das neue Modell der Königs­klas­se, das die Europäi­sche Fußball-Union am Montag verab­schie­det hatte.

«Die UEFA hat uns nicht gefragt, die Erfin­der der Super League haben uns nicht gefragt. Niemand hat uns gefragt. Es heißt immer nur, wir sollen mehr Spiele machen. Wir müssen einfach nur liefern. Was ist der Grund? Geld!», sagte der Coach des FC Liver­pool. In der Champi­ons League werden ab 2024 36 statt 32 Teams spielen, jede Mannschaft wird zehn statt sechs Gruppen­spie­le absolvieren.

Vor dem 1:1 von Liver­pool gegen Newcast­le United forder­ten einige Fans der Reds am Stadi­on die Abset­zung von Haupt­ei­gen­tü­mer John Henry und dessen Fenway Sports Group. Klopps Arbeit­ge­ber gehör­te zu den Gründungs­mit­glie­dern der Super League. Nach massi­ven Fan-Protes­ten haben sich inzwi­schen alle sechs engli­schen Gründungs­mit­glie­der, darun­ter auch FC Liver­pool, von der Super League distan­ziert. Diese wäre eine direk­te Konkur­renz zur Champi­ons League der UEFA gewesen.

Aber auch das verän­der­te Modell der bestehen­den Königs­klas­se stößt auf Ableh­nung. «Das kleine­re Übel bleibt: ein Übel», schrieb Dirk Zingler, Präsi­dent des 1. FC Union Berlin, in einem Gastbei­trag der «Berli­ner Zeitung», der wortgleich im Programm­heft für das Bundes­li­ga-Spiel gegen Werder Bremen erschien.

Die am Montag verab­schie­de­te Champi­ons-League-Reform folge dem gleichen Prinzip wie die Super League, nämlich: «mehr, mehr, mehr», kriti­sier­te Zingler. Direkt ging er UEFA-Präsi­dent Aleksan­der Ceferin an. Dieser habe mit der Verhin­de­rung der Super League nicht den «europäi­schen Fußball für die Fans gerettet».

Ceferin hatte den zwölf abtrün­ni­gen Spitzen­clubs mit einem Ausschluss aus den UEFA-Wettbe­wer­ben gedroht. Das Projekt wurde nach nur knapp drei Tagen wieder gestoppt. Paral­lel dazu verab­schie­de­te die UEFA die Reform ihrer Königsklasse.

Im Gegen­satz zu den engli­schen Verei­nen drohen den verblie­be­nen Mitgrün­dern der Super League dabei immer noch Konse­quen­zen. Ceferin kündig­te für kommen­de Woche weite­re Gesprä­che an. «Wir warten noch auf recht­li­che Einschät­zun­gen und dann werden wir dies sagen. Aber jeder muss die Konse­quen­zen für seine Entschei­dun­gen tragen und sie wissen das», sagte der Präsi­dent der Europäi­schen Fußball-Union UEFA in einem Inter­view der Nachrich­ten­agen­tur AP.

Bei der Sitzung des UEFA-Exeku­tiv­ko­mi­tees am vergan­ge­nen Freitag sei man überein­ge­kom­men, sich mit den betrof­fe­nen natio­na­len Verbän­den und Ligen in Verbin­dung zu setzen. «Das werden wir nächs­te Woche machen. Es wäre gut, wenn wir sehen würden, was bestimm­te Ligen tun können, was die Verbän­de tun können und was die UEFA tun kann», sagte der 53 Jahre alte Slowe­ne. Es sei absolut klar, dass die Verei­ne entschei­den müssten, ob sie «in der Super League oder ein europäi­scher Verein» seien. «Wenn sie in der Super League sind, dann können sie natür­lich nicht in der Champi­ons League sein.»

Damit bezog sich Ceferin auf die Mitin­itia­to­ren Real Madrid und Juven­tus Turin sowie den FC Barce­lo­na und den AC Mailand, die bisher offizi­ell noch keine Absich­ten zum endgül­ti­gen Ausstieg aus dem Projekt verkündeten.

Madrids Präsi­dent Floren­ti­no Pérez konter­te und warf Ceferin «ungesun­des» Verhal­ten vor. «Alles, was passiert ist, war bedau­er­lich, mit Belei­di­gun­gen und Drohun­gen. Wir waren von seiner Gewalt überrascht», sagte der Boss der Super League in einem Inter­view der Sport­zei­tung «AS». Die Drohung Ceferins, Clubs von Europa­cup-Wettbe­wer­ben auszu­schlie­ßen, die an der Super League festhal­ten, versto­ße klar gegen die Regeln des freien Wettbewerbs.

Die engli­schen Gründungs­mit­glie­der der Super League hatten sich bereits zurück­ge­zo­gen, die Fans damit aber nicht besänf­tigt. Der Totten­ham Hotspur Support­ers Trust (THST) plädiert für den Rücktritt des Vorstan­des und die Instal­lie­rung eines neuen Gremi­ums, in dem auch Fanver­tre­ter sitzen. «Wir fordern eine effek­ti­ve, gewähl­te und rechen­schafts­pflich­ti­ge Vertre­tung der Fans auf Vorstands­ebe­ne», hieß es in einer Mittei­lung der Fan-Organi­sa­ti­on des Londo­ner Clubs am späten Freitagabend.

Der Eigen­tü­mer des FC Chelsea, Roman Abramo­witsch, richte­te entschul­di­gen­de Worte an die Fans. Man hätte das Thema zuvor mit den Anhän­gern bespre­chen sollen, schrie­ben Abramo­witsch und der Vorstand des Vereins von Trainer Thomas Tuchel in einem langen Brief, den der Verein am späten Freitag­abend veröf­fent­lich­te. «Der Besit­zer und der Vorstand verste­hen, dass die Einbe­zie­hung des Clubs in solch einem Vorschlag eine Entschei­dung war, die wir nicht hätten treffen sollen. Es handelt sich um eine Entschei­dung, die wir zutiefst bedauern.»

Im Zuge der Kontro­ver­se um die Super League zeigte der Gründer und Chef des Musik­strea­ming-Markt­füh­rers Spoti­fy, Daniel Ek, Inter­es­se an einem Kauf des FC Arsenal. Schon als Kind habe er die Londo­ner angefeu­ert, schrieb der Schwe­de auf Twitter. Wenn sich Clubbe­sit­zer Stan Kroen­ke entschlie­ßen würde, Arsenal zu verkau­fen, wäre er bereit, seinen «Hut in den Ring zu werfen», so Ek.

Kroen­ke ist wegen des Super-League-Fiaskos in der Bredouil­le. Vor der Partie gegen den FC Everton (0:1) war es am Freitag­abend vor dem Emira­tes Stadi­um in London zu Fan-Protes­ten gekom­men. Zahlrei­che Arsenal-Anhän­ger forder­ten den Rückzug von Kroen­ke wegen dessen Unter­stüt­zung der Super League. «Kroen­ke raus» und «Wir wollen unser Arsenal zurück», riefen die Fans unter anderem.