KIEW (dpa) — Aus der Ukrai­ne werden die ersten Toten und Verletz­ten Solda­ten gemel­det. Angaben aus Kiew zufol­ge sind indes russi­sche Panzer in die Ostukrai­ne einge­rückt. Auch von ersten russi­schen Boden­trup­pen ist die Rede.

Infol­ge russi­scher Luftan­grif­fe sind ukrai­ni­schen Angaben zufol­ge mindes­tens sieben Solda­ten getötet und 15 weite­re verletzt worden. Zudem würden 19 Solda­ten vermisst, teilte das Innen­mi­nis­te­ri­um in Kiew mit. Eine Brücke über den Fluss Inhulez in der Südukrai­ne sei zerstört worden.

Laut ukrai­ni­schem Grenz­schutz rückten russi­sche Panzer zudem in die Ostukrai­ne ein. Mehre­re Kolon­nen hätten demnach im Gebiet Luhansk bei Krasna Taliw­ka, Milowe und Horodyscht­sche von russi­schem Terri­to­ri­um aus die Grenze überquert.

Einem von der Behör­de veröf­fent­li­chen Video zufol­ge sind russi­sche Truppen auch von der annek­tier­ten Schwarz­meer-Halbin­sel Krim ins Kernge­biet der Ukrai­ne vorgedrungen.

Der ukrai­ni­sche Grenz­schutz berich­te­te zudem von mindes­tens einem getöte­ten Grenz­sol­da­ten. Er sei bei einem Beschuss mit Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer­sys­te­men von der Halbin­sel Krim aus im Gebiet Cherson getötet worden.

Als Reakti­on auf den russi­schen Einmarsch bricht die Ukrai­ne die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen mit dem Nachbar­land Russland ab. Das sagte Präsi­dent Wolodym­yr Selenskyj.

Die Ukrai­ne betreibt bislang neben der Botschaft in Moskau vier Konsu­la­te in St. Peters­burg, Rostow am Don, Jekate­rin­burg und Nowosi­birsk. Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba hatte kürzlich Präsi­dent Selen­skyj den Abbruch der diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen angera­ten. Der ständi­ge Vertre­ter der Ukrai­ne wurde bereits zu Konsul­ta­tio­nen nach Kiew zurück­ge­ru­fen, nachdem Russland Anfang der Woche die ostukrai­ni­schen Separa­tis­ten­ge­bie­te Donezk und Luhansk als unabhän­gi­ge Staaten anerkannt hatte. Russland und die Ukrai­ne haben bereits seit Jahren keine Botschaf­ter mehr im Nachbarland.

Einnah­me von zwei Klein­städ­ten in Ostukraine

Die Separa­tis­ten im Gebiet Luhansk teilten mit, zwei Kampf­flug­zeu­ge der Ukrai­ne vom Typ Su-24 seien abgeschos­sen worden. Die Berich­te ließen sich nicht unabhän­gig überprü­fen. Zudem wird in der Ostukrai­ne die Einnah­me von zwei Klein­städ­ten gemel­det. Es hande­le sich dabei um Stanyz­ja Luhans­ka und um Schtschast­ja, teilten die Separa­tis­ten mit. Demnach sind Truppen über den Fluss Siwers­kyj Donez vorge­drun­gen, der bisher die Front­li­nie bilde­te. Die Behör­den in Kiew bestä­tig­ten zugleich das Vordrin­gen der prorus­si­schen Kräfte auf das von ukrai­ni­schen Regie­rungs­trup­pen kontrol­lier­te Gebiet.

Außer­dem sei die russi­sche Armee zu den Orten Milowe und Horodyscht­sche auf ukrai­ni­sches Gebiet vorge­sto­ßen, teilte das Innen­mi­nis­te­ri­um in der Haupt­stadt Kiew mit. Ferner seien Muniti­ons­la­ger im westukrai­ni­schen Gebiet Chmel­nyz­kyj und im südost­ukrai­ni­schen Gebiet Dnipro­pe­trowsk mit Raketen angegrif­fen worden. In der westukrai­ni­schen Stadt Luzk sei ein Fernseh­turm zerstört worden. Außer­dem wurden den Angaben zufol­ge Kaser­nen der ukrai­ni­schen Streit­kräf­te im westukrai­ni­schen Gebiet Winnyz­ja und nahe der Haupt­stadt Kiew angegrif­fen. Die Hinter­grün­de waren zunächst unklar.

Der Chef der selbst ernann­ten Volks­re­pu­blik Donezk hat angekün­digt, dass es keine langen Kämpfe geben werde. Denis Puschi­lin sagte im russi­schen Staats­fern­se­hen: «Die Befrei­ungs­be­we­gung wird ziemlich schnell enden.» Die Militär­ope­ra­ti­on sei im vollen Gang. «Ich kann sagen, dass dies sehr bald enden wird.» Die Städte und Dörfer der Region würden «in naher Zukunft befreit werden», behaup­te­te er.

Selen­skyj ruft Kriegs­zu­stand aus

Selen­skyj hat im ganzen Land den Kriegs­zu­stand ausge­ru­fen. Das teilte er in einer Video­bot­schaft mit. Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin hatte zuvor eine Militär­ope­ra­ti­on gegen das Nachbar­land angeordnet.

Nach Angaben des General­stabs der ukrai­ni­schen Armee hat es einen Beschuss im Osten des Landes durch russi­sches Militär gegeben. Es gebe Angrif­fe von Gebie­ten und Siedlun­gen entlang der Staats­gren­ze sowie auf mehre­ren Flugplät­zen, teilte der General­stab in Kiew mit. Landungs­ope­ra­tio­nen des russi­schen Militärs in der südost­ukrai­ni­schen Stadt Odessa habe es nicht gegeben.

Das ukrai­ni­sche Militär hat eigenen Angaben zufol­ge im Gebiet Luhansk fünf russi­sche Flugzeu­ge und einen Hubschrau­ber abgeschos­sen. Das teilten die ukrai­ni­schen Landstreit­kräf­te mit. Das russi­sche Verte­di­gungs­mi­nis­te­ri­um weist die Abschüs­se zurück.

Ukrai­ni­scher Botschaf­ter bittet um militä­ri­sche Hilfe

Der ukrai­ni­sche Botschaf­ter in Deutsch­land, Andrij Melnyk, hat um militä­ri­sche Hilfe gebeten. Es gehe darum, dass die ukrai­ni­sche Armee mit Defen­siv­waf­fen und Muniti­on gestärkt werde, sagte Melnyk dem rbb-Infora­dio. «Jetzt ist es an der Zeit für Deutsch­land aufzu­wa­chen.» Der Botschaf­ter sprach von einem lange geplan­ten und großan­ge­leg­ten Angriffs­krieg, der die Existenz der Ukrai­ne bedro­he. «Man hat alle Warnun­gen im Westen ignoriert, auch in Deutschland.»

Unter­stüt­zung bekommt Melnyk vom CDU-Außen­po­li­ti­ker Norbert Röttgen. «Wir, auch in Deutsch­land, müssen jetzt der Ukrai­ne alles liefern, was wir liefern können», sagte er im Sender WDR 2. «Das sind auch Waffen. Dafür bin ich jetzt seit dem heuti­gen Tag.»

Bislang habe er dies abgelehnt, um nicht die Gesprächs­mög­lich­kei­ten zu zerstö­ren, die spezi­ell Deutsch­land mit Russland habe. Diese bestün­den jetzt aber nicht mehr, sagte Röttgen.

Raketen­an­grif­fe auf Kiew und Charkiw?

Im Inter­net haben sich schnell viele nicht verifi­zier­ba­re Berich­te über Kriegs­hand­lun­gen auch außer­halb der Separa­tis­ten­ge­bie­te verbrei­tet. Vor allem belarus­si­sche Propa­gan­da-Kanäle auf Telegram veröf­fent­lich­ten in der Nacht Fotos und Videos und schrie­ben unter anderem von angeb­li­chen Raketen­an­grif­fen auf Kiew und Charkiw. Diese Infor­ma­tio­nen waren zunächst nicht überprüfbar.

Ein Repor­ter der Deutschen Presse-Agentur in Kiew berich­te­te von Luftschutz­alarm in der Stadt. Erste Menschen verlie­ßen demnach das Stadt­ge­biet, eine größe­re Panik blieb aber zunächst aus. In ukrai­ni­schen Medien gab es Berich­te über Einschlä­ge in der Ostukrai­ne aus den Städten Charkiw und Dnipro, zudem aus Odessa, Berdjansk und Krama­torsk, wie die staat­li­che Nachrich­ten­agen­tur Ukrin­form meldete.

Deutsche sollen Ukrai­ne verlassen

Die Bundes­re­gie­rung ruft deutsche Staats­an­ge­hö­ri­ge dringend auf, die Ukrai­ne zu verlas­sen. Außer­dem wurde die deutsche Botschaft in Kiew vorüber­ge­hend geschlos­sen. «In der Ukrai­ne finden Kampf­hand­lun­gen & Raketen­an­grif­fe statt», teilte das Auswär­ti­ge Amt auf Twitter mit. An die deutschen Staats­an­ge­hö­ri­gen appel­lier­te das Außen­mi­nis­te­ri­um, vorläu­fig an einem geschütz­ten Ort zu bleiben, falls diese das Land nicht auf einem siche­ren Weg verlas­sen könnten.