KARLSRUHE (dpa) — Es geht um 86 Cent: Sachsen-Anhalt hat die geplan­te Anhebung des Rundfunk­bei­trags zum Jahres­wech­sel blockiert. Das geht so nicht, sagt Karls­ru­he. Die Entschei­dung hat Folgen für die Verbraucher.

Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt hat die von Sachsen-Anhalt blockier­te Erhöhung des Rundfunk­bei­trags vorläu­fig in Kraft gesetzt.

Das Bundes­land habe die im Grund­ge­setz gesicher­te Rundfunk­frei­heit verletzt, weil es dem verein­bar­ten Staats­ver­trag nicht zugestimmt habe, entschied das Karls­ru­her Gericht nach Angaben. Bis es eine Neure­ge­lung gibt, gilt nach Beschluss des Verfas­sungs­ge­richt Artikel 1 der ursprüng­li­chen Regelung rückwir­kend seit 20. Juli. Der Rundfunk­bei­trag steigt damit um monat­lich 86 Cent auf 18,36 Euro. (Az. 1 BvR 2756/20 u.a.)

Keine Erhöhung seit 2009

Für öffent­lich-recht­li­che Sender ist der Rundfunk­bei­trag die Haupt­ein­nah­me­quel­le. Seit 2013 wird er je Wohnung erhoben und betrug zuletzt 17,50 Euro pro Monat. Zum Jahres­wech­sel hatte er auf 18,36 Euro steigen sollen. Den Bedarf ermit­telt hat die unabhän­gi­ge Kommis­si­on KEF. Es wäre die erste Erhöhung seit 2009 gewesen.

So sollte eine Finanz­lü­cke von 1,5 Milli­ar­den Euro zwischen 2021 und 2024 ausge­gli­chen werden. Damit der ausge­han­del­te Staats­ver­trag in Kraft treten kann, fehlt aller­dings die Zustim­mung Sachsen-Anhalts.

Der Minis­ter­prä­si­dent des Landes, Reiner Hasel­off von der CDU, hatte den Gesetz­ent­wurf am 8. Dezem­ber vor der Abstim­mung im Landtag zurück­ge­zo­gen, weil sich abzeich­ne­te, dass seine Partei — anders als die Koali­ti­ons­part­ner SPD und Grüne — die Erhöhung nicht mittra­gen würden. Und mit der AfD, die als Kriti­ke­rin des öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks bekannt ist, wollte der Regie­rungs­chef keine gemein­sa­me Sache machen. Weil aber alle 16 Landes­par­la­men­te zustim­men müssen, ist die Erhöhung somit blockiert.

Gericht begrün­det Erhöhung

In Zeiten «vermehr­ten komple­xen Infor­ma­ti­ons­auf­kom­mens einer­seits und von einsei­ti­gen Darstel­lun­gen, Filter­bla­sen, Fake News, Deep Fakes anderer­seits» wachse die Bedeu­tung des beitrags­fi­nan­zier­ten öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks, entschied der Erste Senat mit dem nun veröf­fent­lich­ten Beschluss vom 20. Juli. Die Sender sollten die Wirklich­keit durch «authen­ti­sche, sorgfäl­tig recher­chier­te Infor­ma­tio­nen, die Fakten und Meinun­gen ausein­an­der­hal­ten» unver­zerrt darstel­len und das Sensa­tio­nel­le nicht in den Vorder­grund rücken.

Der Gesetz­ge­ber sei verant­wort­lich, dass auch die finan­zi­el­len Voraus­set­zun­gen für die Aufga­ben gegeben sind. «Erfüllt ein Land seine Mitge­währ­leis­tungs­pflicht nicht und wird dadurch die Erfül­lung des grund­recht­li­chen Finan­zie­rungs­an­spruchs unmög­lich, liegt bereits darin eine Verlet­zung der Rundfunkfreiheit.»

Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt kann bestim­men, wer seine Entschei­dun­gen vollstreckt. Es kann nach dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts­ge­setz auch im Einzel­fall die Art und Weise der Vollstre­ckung regeln.

Die Sender ARD, ZDF und Deutsch­land­ra­dio hatten sich in ihrer Rundfunk­frei­heit verletzt gesehen und in Karls­ru­he geklagt. Die obers­ten Verfas­sungs­rich­ter Deutsch­lands wiesen Eilan­trä­ge kurz vor Weihnach­ten ab, weil diese nicht gut genug begrün­det worden seien. Ihre Verfas­sungs­be­schwer­den seien auch «weder offen­sicht­lich unzuläs­sig noch offen­sicht­lich unbegrün­det», so das Gericht damals. Aller­dings sah es keinen Anlass, sofort einzugreifen.

Tom Buhrow begrüßt Entscheidung

Der ARD-Vorsit­zen­de Tom Buhrow hat die Entschei­dung begrüßt. «Die Entschei­dung versetzt uns in die Lage, in den kommen­den Jahren weiter das bestmög­li­che Programm für die Menschen zu machen», sagte Buhrow. «Wir danken dem Gericht für die zügige Beratung und begrü­ßen die eindeu­ti­ge Entschei­dung zur Gewähr­leis­tung der Rundfunk­frei­heit. Der Beschluss steht in Konti­nui­tät mit der bewähr­ten Recht­spre­chung der vergan­ge­nen Jahrzehn­te.» Die Festset­zung des Rundfunk­bei­trags müsse frei von politi­schen Inter­es­sen erfolgen.

Buhrow, der auch Inten­dant des Westdeut­schen Rundfunks (WDR) ist, beton­te zugleich, dass man weiter die laufen­de Diskus­si­on um die Reform des öffent­lich-recht­li­chen Auftrags konstruk­tiv beglei­ten und mitge­stal­ten werde.