DÜSSELDORF/RATINGEN (dpa) — Die verhee­ren­de Explo­si­on in einem Ratin­ger Hochhaus lässt mehre­re schwerst verletz­te Einsatz­kräf­te zurück — und viele offene Fragen. Unter anderem: Wie kam es zu der Detonation?

Die Explo­si­on in einem Ratin­ger Hochhaus mit mehre­ren schwerst verletz­ten Feuer­wehr- und Polizei­kräf­ten hat viele offene Fragen hinter­las­sen. Auch heute suchen die Ermitt­ler weiter nach Antwor­ten darauf, wie es zu der Detona­ti­on in einer Wohnung kommen konnte — und ob die Einsatz­kräf­te womög­lich von dem 57-jähri­gen Bewoh­ner in einen Hinter­halt gelockt wurden.

Die Düssel­dor­fer Staats­an­walt­schaft ermit­telt, ob es sich um versuch­ten Totschlag oder versuch­ten Mord handelt. Außer­dem ist die Identi­tät einer Frauen­lei­che zu klären, die nach der Festnah­me des Deutschen in der Wohnung gefun­den wurde, in der er mit seiner Mutter lebte. Die Frau war nach dpa-Infor­ma­tio­nen schon vor länge­rer Zeit gestorben.

Nach der Explo­si­on hat sich NRWs Innen­mi­nis­ter Herbert Reul vorsich­tig zu Motiv des mutmaß­li­chen Täters geäußert. Zu einem mögli­chen Corona-Leugner-Hinter­grund sagte der CDU-Politi­ker am Morgen dem Radio­sen­der «WDR2»: «Da bin ich nicht ganz sicher.»

Reul hatte gestern noch gesagt, der 57-jähri­ge Deutsche habe sich «im Corona-Leugner-Umfeld gedank­lich aufge­hal­ten». Dies hätten erste Recher­chen in sozia­len Medien ergeben. Nach Medien­be­rich­ten könnte es sich dabei aber auch um eine Namens­ver­wech­se­lung handeln. Diese Möglich­keit bestä­tig­te auch ein Sprecher der Polizei Düssel­dorf auf dpa-Nachfrage.

Für Polizei und Justiz war der Verdäch­ti­ge kein Unbekann­ter. Wegen eines nicht gezahl­ten Geldbe­trags habe ein Vollstre­ckungs­haft­be­fehl gegen ihn vorge­le­gen, sagte Laura Neumann, Spreche­rin der Düssel­dor­fer Staats­an­walt­schaft, der Deutschen Presse-Agentur. Er habe auch Vorein­tra­gun­gen, «aber nichts Einschlä­gi­ges, nichts Vergleich­ba­res», sagte sie.

Was ist in Ratin­gen passiert?

Die Düssel­dor­fer Polizei hatte am Donners­tag­abend eine drasti­sche Schil­de­rung des Gesche­hens wieder­ge­ge­ben. Demnach waren die Einsatz­kräf­te in das Ratin­ger Wohnge­biet mit vielen Hochhäu­sern gerufen worden, weil es Sorgen um eine Bewoh­ne­rin gab, deren Brief­kas­ten überquelle.

Als Polizei und Feuer­wehr vor ihrer Wohnungs­tür im 10. Stock gestan­den hätten, sei diese von ihrem 57-jähri­gen Sohn plötz­lich aufge­ris­sen worden, berich­te­te Polizei­spre­cher Raimund Dockter. «Es kam sofort zu einer Explo­si­on, unmit­tel­bar, also ein Feuer­ball kam auf die Kolle­gin­nen und Kolle­gen der Feuer­wehr und Polizei zu.»

Dadurch seien eine 25-jähri­ge Polizis­tin und ein 29-jähri­ger Polizist lebens­ge­fähr­lich verletzt worden. «22 weite­re trugen leich­te Verlet­zun­gen davon», teilte die Polizei am späte­ren Abend mit. Außer­dem seien sieben Einsatz­kräf­te der Feuer­wehr schwer verletzt worden, drei davon lebensgefährlich.

Zum Zustand der schwer verletz­ten Einsatz­kräf­te gibt es am Morgen keine neuen Erkennt­nis­se. Auf die Frage, ob er etwas darüber wisse, sagte Reul (CDU): «Leider auch nicht mehr». Und weiter: «Was ich damit weiß, klingt nicht gut.»

Wie die Explo­si­on konkret ausge­löst worden sei, müsse noch ermit­telt werden, sagte Dockter. Danach habe der Verdäch­ti­ge zudem einen Brand gelegt, der das Betre­ten der Wohnung und die Aufklä­rungs­ar­bei­ten erschwert habe. Dass der Mann die Einsatz­kräf­te in eine Falle locken wollte, sei möglich, könne derzeit aber nicht bestä­tigt werden.

Wie geht es den Opfern?

An dem Großein­satz waren Dutzen­de Rettungs­wa­gen, Notärz­te, Feuer­wehr­wehr­au­tos und Polizei­fahr­zeu­ge betei­ligt. Spezi­al­kräf­te sicher­ten das gesam­te Hochhaus ab, auf den Balko­nen der gegen­über­lie­gen­den Wohnun­gen brach­ten sich Scharf­schüt­zen in Stellung. Spezi­al­kräf­te stürm­ten schließ­lich die Wohnung und nahmen den 57-Jähri­gen fest. Ob der Mann noch Gegen­wehr leiste­te, dazu gaben Polizei und Innen­mi­nis­te­ri­um zunächst keine Auskunft. Einge­hüllt in eine Rettungs­de­cke und mit einer Atemmas­ke wurde er laut Polizei mit «schwers­ten Verlet­zun­gen» schließ­lich aus dem Haus und zu einem Kranken­wa­gen gebracht. Ob er durch die Explo­si­on oder bei der Festnah­me verletzt worden war, blieb offen.

Ratin­gens Bürger­meis­ter Klaus Pesch äußer­te sich entsetzt. «Dieje­ni­gen, die vorne im Feuer standen — das sind zehn bis zwölf Leute mit massivs­ten Verbren­nun­gen — und die das hoffent­lich überle­ben, werden das mit Sicher­heit für den Rest ihres Lebens mit sich tragen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Einige Opfer hätten schwers­te Verbren­nun­gen von bis zu 80 Prozent der Hautflä­che. «Da ist wirklich Hoffen und Bangen.»

In Ratin­gen im Kreis Mettmann seien viele Einsatz­kräf­te unter­ein­an­der bekannt. «Dementspre­chend ist die Wirkung», sagte Pesch. «Das ist, als wäre ein großer Vulkan­aus­bruch über eine ganze Familie nieder­ge­gan­gen.» Psycho­lo­gen und Notfall­seel­sor­ger stünden für die Einsatz­kräf­te bereit.