KUNHEIM (dpa) — Eine Corona-Infek­ti­on kann von Hunden erschnüf­felt werden. Alters­hei­me in Frank­reich wollen ihre Bewoh­ner künftig regel­mä­ßig von Vierbei­nern auf eine Anste­ckung testen lassen. Eine Option für Deutschland?

Wenn man Pokaa so beobach­tet, könnte man fast meinen, das Corona­vi­rus rieche gut. Zumin­dest scheint der Schweiß­ge­ruch eines Infizier­ten den Golden Retrie­ver wie magisch anzuzie­hen: Ohne lange zu überle­gen, setzt er sich vor die Metall­box mit der positi­ven Probe und stupst immer wieder mit der Schnau­ze dagegen.

Pokaa ist laut seinen Ausbil­dern der erste Corona-Schnüf­fel­hund, der in Frank­reich im Einsatz ist. Er arbei­tet in einem elsäs­si­schen Alten­heim in unmit­tel­ba­rer Nähe zur deutschen Grenze. Das zwei Jahre alte Tier soll dabei helfen, Infek­tio­nen in der Einrich­tung schnell und sicher zu erken­nen — und könnte bald auch für deutsche Heime arbeiten.

Die Metho­de wurde mit der tierärzt­li­chen Hochschu­le EnvA nahe Paris erarbei­tet. Die zu testen­den Perso­nen drücken sich eine Zeit lang ein Baumwoll­tüch­lein unter die Achsel. Die Tücher kommen anschlie­ßend einzeln in durch­lö­cher­te Metall­bo­xen. Pokaa läuft an der Boxen­rei­he vorbei — auf der Suche nach dem Geruch des sogenann­ten Spike-Prote­ins des Corona­vi­rus. Vor Schweiß­pro­ben von Infizier­ten setzt er sich hin und stupst mit der Nase gegen den Kasten.

Dass Hunde in der Lage sind, mit ihrem ausge­zeich­ne­ten Geruchs­sinn Corona-Infek­tio­nen aufzu­spü­ren, ist wissen­schaft­lich belegt. Jüngst veröf­fent­lich­ten etwa Forscher der Tierärzt­li­chen Hochschu­le Hanno­ver eine Studie zum Thema. Ergeb­nis: Spürhun­de waren in der Lage, mehr als neun von zehn mit Corona infizier­ten Perso­nen anhand von Schweiß­pro­ben zu erken­nen (91 Prozent). Zudem markier­ten sie nur selten Corona-negati­ve Perso­nen fälsch­lich als positiv. Wurde Urin zum Schnüf­feln vorge­legt, waren die Ergeb­nis­se noch besser. Auch eine Studie aus Großbri­tan­ni­en liefer­te vielver­spre­chen­de Erkenntnisse.

Erfah­rungs­wer­te gibt es bereits vom Flugha­fen der finni­schen Haupt­stadt Helsin­ki. Dort konnten sich bis Ende Mai Freiwil­li­ge von acht Corona-Spürhun­den auf das Corona­vi­rus testen lassen. Die Tiere unter­such­ten mit ihren Nasen Tücher, die die Proban­den sich zuvor über die Haut gestri­chen hatten. «Mitten in der Pande­mie war das etwas, das den Menschen Hoffnung und Freude gegeben hat», sagte Susan­na Paavil­ai­nen von der Nose Acade­my, die die Hunde am Flugha­fen einge­setzt hatte. Das Pilot­pro­jekt ist vorbei, aber künftig könnten die Hunde an Finnlands Grenzen arbeiten.

Auch auf Pokaa, dem Golden Retrie­ver aus dem Elsass, ruhen große Hoffnun­gen. Er habe bei ersten Tests im Alten­heim «La Roseliè­re» in Kunheim eine Treffer­quo­te von 100 Prozent an den Tag gelegt, erzählt Pokaas Traine­rin Christel­le Schrei­ber. Mögli­cher­wei­se könne er die Infek­ti­on sogar früher feststel­len als PCR-Tests: So habe Pokaa eine eigent­lich negativ vermu­te­te Probe markiert. Die betref­fen­de Person sei erneut einem PCR-Test unter­zo­gen worden — und sei doch infiziert gewesen. «Als wir gesehen haben, dass er sich einfach nicht irrt, dachten wir “wow”», sagt Schrei­ber. Demnächst soll Pokaa regel­mä­ßig die mehr als 200 Bewoh­ner und Angestell­ten des Heims durchtesten.

Die Hunde­trai­ne­rin hatte das Tier zuvor bei dessen vierwö­chi­ger Ausbil­dung nahe Paris beglei­tet. Dort bekam er erst synthe­tisch herge­stell­tes Spike-Prote­in vorge­setzt — pur, um seine Nase darauf zu trainie­ren. Mit der Zeit wurde die Konzen­tra­ti­on immer weiter verrin­gert. Am Ende kamen Schweiß­pro­ben echter Menschen zum Einsatz.

Im Alten­heim in Kunheim ist man begeis­tert von den neuen Möglich­kei­ten, die Pokaa eröff­net. Endlich keine Nasen­ab­stri­che mehr bei Demenz­kran­ken, die man dafür zum Teil mit mehre­ren Helfern festhal­ten müsse und die das als gewalt­sam erleb­ten, sagt Heimlei­ter Robert Kohler. Endlich schnel­le­re Ergeb­nis­se — zu einem günsti­ge­ren Preis als Labor­tests. Die Zusatz­aus­bil­dung eines Corona-Suchhun­des koste 3500 Euro — das rechne sich bei der Masse an gespar­ten Tests schnell.

Kohler ist gleich­zei­tig Präsi­dent des Vereins Handi’Chiens. Dieser bildet eigent­lich Hunde für die Arbeit mit Alten und Kranken aus — so wie einst auch Pokaa. Das neue Ziel laute: So viele Hunde wie möglich für die Suche nach Corona-Infizier­ten fitma­chen. «Unsere Hunde werden Leben retten», zeigt Kohler sich überzeugt. Bei Frank­reichs Regie­rung habe man finan­zi­el­le Unter­stüt­zung angefor­dert. 250 Handi’Chiens-Hunde seien schon in Heimen und Kranken­häu­sern im Einsatz. Sie alle sollen nach Willen Kohlers die Corona-Zusatz­aus­bil­dung absol­vie­ren und dann im großen Stil Menschen testen.

Ein Hund reiche für regel­mä­ßi­ge Tests in bis zu zehn Heimen, glaubt Kohler. Und sollte die Pande­mie einmal vorbei sein, könne man den Vierbei­nern ja beibrin­gen, andere Krank­hei­ten zu erschnüffeln.

Von Violet­ta Heise, dpa