STUTTGART (dpa/lsw) — Spatz, Meise oder Amsel — welche Vögel sind am Futter­haus zu sehen? Das wollen Natur­schutz­ver­bän­de Jahr für Jahr wissen und bauen dabei auf Vogel­fans. Das warme Wetter hat ihnen dieses Mal bei ihrer Mitmach-Aktion aber einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Mal Sonne, mal Regen, aber von Schnee und Frost weit und breit keine Spur: Das milde Schmud­del­wet­ter zum Jahres­be­ginn bringt die Gewohn­hei­ten von Vögeln ebenso durch­ein­an­der wie die tradi­tio­nel­le Zählung an den Futter­häus­chen in Gärten und Parks. Nach vorläu­fi­gen Zahlen des Natur­schutz­bun­des Deutsch­land (Nabu) haben sich bei der «Stunde der Winter­vö­gel» in Baden-Württem­berg in diesem Jahr deutlich weniger Vogel­freun­de betei­ligt, die Zahl der entdeck­ten Vögel ist entspre­chend stark gesunken.

«Bisher haben fast 7400 Aktive zu Stift, Handy und Fernglas gegrif­fen», teilte der Nabu am Mittwoch in einer Zwischen­bi­lanz zu seiner bereits abgeschlos­se­nen Mitmach-Aktion mit. Es seien fast
172.000 Vögel in rund 5400 Gärten notiert worden — das sind etwa 43 Prozent der Vögel und 46 Prozent der Teilneh­men­den im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2022. Auch die Zahl der Vögel pro Garten ist zurück­ge­gan­gen, um 2 auf 32. Vor zwei Jahren, im Corona-Jahr 2021, waren es in der endgül­ti­gen Bilanz der Aktion noch fast 37.

«Dieses Jahr war eher eine Stunde der Regen­vö­gel. Das nassküh­le Wetter hat offen­bar nur wenige zum Vögel­zäh­len einge­la­den», sagte der Nabu-Vogel­kund­ler Stefan Bosch in Stuttgart.

Der Landes­bund für Vogel- und Natur­schutz (LBV) im bayeri­schen Hilpolt­stein und der Nabu rufen alljähr­lich zu der nach ihren Angaben größten wissen­schaft­li­chen Mitmach­ak­ti­on Deutsch­lands auf. Am häufigs­ten sichte­ten sie laut Zwischen­bi­lanz erneut Haussper­ling, Kohlmei­se und Blaumei­se. Die Zahl der gesich­te­ten Amseln ist aller­dings um fast ein Viertel (23 Prozent) gesun­ken, weil die Art unter dem tropi­schen Usutu-Virus leidet.

Überra­schend hinge­gen: Wegen der vergan­ge­nen milden Wochen bleiben die norma­len Winter­gäs­te aus Nord- und Osteu­ro­pa wie der Erlen­zei­sig, die Wachol­der­dros­sel und der Bergfink im Südwes­ten weitge­hend aus. «Vermut­lich sind sie aufgrund des milden Winters in ihren Brutge­bie­ten geblie­ben oder nicht so weit nach Südwes­ten vor dem Winter ausge­wi­chen», sagte Bosch. Ebenfalls selte­ner wurden Waldvo­gel­ar­ten wie Buchfink, Buntspecht, Eichel­hä­her oder Kleiber gesich­tet. Ein mögli­cher Grund: Das vergan­ge­ne Jahr war ein Mastjahr, Eicheln, Fichten­sa­men und Bucheckern gibt es daher im Überfluss. «Die Vögel haben im Wald so viel Nahrung, dass sie weniger in unsere Siedlun­gen kommen», teilte der Nabu mit.

Bei der «Stunde der Winter­vö­gel» geht es den Natur­schutz­ver­bän­den nicht um eine vollstän­di­ge Erfas­sung aller Vögel. Die Aktion soll vielmehr wichti­ge Erkennt­nis­se über Verän­de­run­gen in der heimi­schen Vogel­welt in den Städten und Dörfern bringen. Dafür werden die Daten über mehre­re Jahre vergli­chen. Die Beobach­tun­gen zeigen dem Nabu zufol­ge zum Beispiel, dass immer mehr Zugvö­gel auch im Winter in Deutsch­land bleiben.

Wer in diesem Jahr mitma­chen wollte, konnte vom 6. bis 8. Januar eine Stunde lang die Vögel im Garten, am Balkon, vor dem Fenster oder im Park zählen und übers Inter­net, per App, Telefon oder Post melden. Ergeb­nis­se können laut Nabu bis einschließ­lich 15. Januar gemel­det werden.