WEINGARTEN — Die unsiche­re Versor­gungs­si­tua­ti­on mit russi­schem Gas belas­tet auch weiter­hin die Wirtschaft in der Region. Martin Buck, Präsi­dent der Indus­trie- und Handels­kam­mer Boden­see-Oberschwa­ben (IHK), warnt vor einem drama­ti­schen Wirtschafts­ein­bruch und ruft zum Zusam­men­halt von Wirtschaft und Gesell­schaft auf. Die Vollver­samm­lung der IHK widme­te sich in ihrer Sommer­sit­zung schwer­punkt­mä­ßig dem Thema Energieversorgung.

Die Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer hatten sich Referen­ten und Vertre­ter aus der Energie­bran­che einge­la­den, um über die aktuel­le Versor­gungs­la­ge in der Region zu disku­tie­ren und eine Resolu­ti­on zum Thema zu verab­schie­den. IHK-Präsi­dent Buck warnte in seiner Rede vor einem drasti­schen Wirtschafts­ein­bruch: „Wir müssen auf alles gefasst sein. Legt man die aktuel­len Szena­ri­en für einen Gaslie­fer­stopp zugrun­de, droht unserer indus­trie­star­ken Region, die so dringend auf Energie­im­por­te angewie­sen ist, ein Rückgang von bis zu acht Prozent der Wirtschafts­leis­tung.“ Vor allem in der vom Mittel­stand und starken Famili­en­un­ter­neh­men gepräg­ten Region Boden­see-Oberschwa­ben dürfe man sich nun aber nicht spalten lassen: „Die Aufga­be ist nur gemein­sam als Gesell­schaft zu lösen und bedeu­tet insbe­son­de­re jetzt, Gas und Strom zu sparen. Egal ob als Unter­neh­men oder privat.“ bekräf­tigt Buck.

Im Folgen­den infor­mier­ten die als exter­ne Exper­ten einge­la­de­nen Gäste, Dr. Sebas­ti­an Bolay, Bereichs­lei­ter Energie, Umwelt und Indus­trie beim Deutschen Indus­trie- und Handels­kam­mer­tag (DIHK) in Berlin und Olaf Sener, Leiter Asset Manage­ment beim Strom­über­tra­gungs­netz­be­trei­ber Trans­net BW in Stutt­gart, die Anwesen­den über aktuel­le politi­sche und fachli­che Entwick­lun­gen im Bereich Gas- und Strom­ver­sor­gung und Ausbau der Erneu­er­ba­ren Energien.

Drohen­de Versor­gungs­eng­päs­se im Winter

Bolay zeich­ne­te in seinem Vortrag ein drama­ti­sches Bild der Lage. „Insbe­son­de­re für den Süden und den Osten Deutsch­lands drohen im kommen­den Winter Versor­gungs­eng­päs­se beim Gas.“ Schie­fer­gas­för­de­rung als Lösung für die kurzfris­ti­gen Proble­me im kommen­den Winter erteil­te Bolay eine Absage: „Die Kapazi­tä­ten müssten erst aufge­baut werden und das dauert. Schie­fer­gas in Deutsch­land könnte dann voraus­sicht­lich frühes­tens 2026 einen signi­fi­kan­ten Beitrag leisten.“ Eine Alter­na­ti­ve zum teuren Flüssig­gas aus Übersee könne diese Rohstoff­quel­le mittel­fris­tig aller­dings durch­aus darstel­len. Olaf Sener, als Leiter des Asset Manage­ments bei Trans­net BW ausge­wie­se­ner Exper­te für das Strom­netz, beschrieb die aktuel­le Strom­ver­sor­gungs­la­ge als heraus­for­dernd, aber sicher. Aller­dings attes­tier­te er dem Süden, insbe­son­de­re mit Blick auf die Energie­wen­de, langfris­tig abhän­gig von Strom­im­por­ten zu bleiben. „Wir sind ganz weit weg davon, uns selbst mit Strom zu versor­gen.“ Hierfür müsse das Strom­netz noch wesent­lich konse­quen­ter ausge­baut werden. „Die gute Nachricht ist, dass die Versor­gung Europas aus ausschließ­lich erneu­er­ba­ren Energien technisch machbar ist. Der Aufwand ist aller­dings hoch, das muss uns allen bewusst sein.“

Die beiden Fachvor­trä­ge liefer­ten die Basis für die anschlie­ßen­de Debat­te um den zentra­len Beschluss der Sommer­sit­zung der Vollver­samm­lung der IHK Boden­see-Oberschwa­ben zur Siche­rung der Energie­ver­sor­gung und Wettbe­werbs­fä­hig­keit in der Region. Darin sprach sich die IHK unter anderem für ein trans­pa­ren­tes Vorge­hen bezüg­lich der Abschalt­re­geln aus, welches die Grund­stoff­in­dus­trie siche­re und die Zustän­dig­kei­ten klar regle. Ganz unmit­tel­bar bedür­fe es jetzt Mecha­nis­men, um die Unter­neh­men zu unter­stüt­zen, die beson­ders stark von den hohen Gasprei­sen oder gar mögli­chen Abschal­tun­gen betrof­fen sind oder sein werden. Zur Siche­rung der Versor­gung mit Strom und Gas forder­te die Vollver­samm­lung die Politik auf, alle Möglich­kei­ten ideolo­gie­frei und ergeb­nis­of­fen zu prüfen, was expli­zit auch die Verlän­ge­rung der Laufzeit der verblie­be­nen deutschen Kernkraft­wer­ke einschlie­ßen müsse. Langfris­tig bekräf­tig­te das Gremi­um aller­dings die Forde­rung zur Vollendung der Energie­wen­de, denn nur so lasse sich das Problem dauer­haft lösen.

Aktuel­les aus der IHK-Arbeit

Neben dem Beschluss zur Siche­rung der Energie­ver­sor­gung widme­te sich die IHK Vollver­samm­lung der Vorbe­rei­tung für die im kommen­den Jahr anste­hen­den Wahlen zur Vollver­samm­lungs­pe­ri­ode 2023–2028. Sie setze hierfür einen ehren­amt­li­chen Wahlaus­schuss ein. Die Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin der IHK, Anje Gering, berich­te­te über aktuel­le Themen aus der IHK-Arbeit, unter anderem die zum Stich­tag 30. Juni 2022 neu geschlos­se­nen Ausbil­dungs­ver­trä­ge. Leider setze sich der Trend der rückläu­fi­gen Ausbil­dungs­zah­len weiter fort. Die IHK werde ihre Anstren­gun­gen bei der Bewer­bung einer Fachka­rie­re mit beruf­li­cher Ausbil­dung zusam­men mit ihren Partnern in der Region beibe­hal­ten und weiter intensivieren.

Verlei­hung der Golde­nen Ehren­na­del an ehema­li­gen Hauptgeschäftsführer

Beim an die Vollver­samm­lungs­sit­zung anschlie­ßen­den gemein­sa­men Abend­essen, bei dem knapp 50 Vollver­samm­lungs­mit­glie­der und Gäste anwesend waren, verlieh IHK Präsi­dent Martin Buck feier­lich dem ehema­li­gen Haupt­ge­schäfts­füh­rer Prof. Dr.-Ing. Peter Jany für sein heraus­ra­gen­des Engage­ment für die Wirtschafts­re­gi­on Boden­see-Oberschwa­ben die Ehren­na­del der IHK in Gold. „Wir sind hier in der Region als Menschen und als Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer vollkom­men zurecht stolz darauf, zu einer der innova­tivs­ten, wirtschafts­stärks­ten und lebens­wer­tes­ten Regio­nen der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land zu gehören. Dafür, dass wir dies werden konnten und dass dies auch jetzt und in Zukunft so bleibt, bedarf es immer wieder ganz beson­de­rer Persön­lich­kei­ten, die bereit sind, Verant­wor­tung zu überneh­men, unter erheb­li­chen Abstri­chen im Privat­le­ben mit einem hohen Zeitein­satz für die Region unter­wegs zu sein und dabei die Inter­es­sen der regio­na­len Wirtschaft als Diplo­mat und Speer­spit­ze zugleich zu vertre­ten,“ lobte Buck Janys Engagement.