ROM (dpa) — 30 Partien ungeschla­gen, 1055 Minuten ohne Gegen­tor: Itali­en geht nach einer perfek­ten EM-Gruppen­pha­se mit viel Selbst­ver­trau­en in die K.o.-Phase. Die Azzur­ri spielen sich in den Kreis der Titel-Favoriten.

Nach einer Vorrun­de der Super­la­ti­ve wächst in Itali­en der Glaube an das ganz große Titel-Ziel.

«Wir tun gut daran, groß zu träumen. Wir sind hier, um die Trophäe hochzu­hal­ten», sagte der starke Feder­i­co Chiesa nach dem 1:0 (1:0) gegen Wales zum Abschluss der Gruppen­pha­se bei der Fußball-EM. Die perfek­te Bilanz von drei Siegen und 7:0 Toren, der Rekord von inzwi­schen 30 ungeschla­ge­nen Partien in Serie und 1055 Minuten ohne Gegen­tor: Für die Squadra Azzur­ra gibt es vor dem Achtel­fi­na­le viele Gründe, die kommen­den Aufga­ben voller Selbst­ver­trau­en anzuge­hen und an die eigene Titel­chan­ce zu glauben.

«Jetzt beginnt ein ganz anderes Turnier», kündig­te Trainer Rober­to Manci­ni mit Blick auf den ersten Auftritt seines Teams in der K.o.-Phase an. Am Samstag ist im Londo­ner Wembley-Stadi­on Öster­reich oder die Ukrai­ne der Gegner. «Es wird schön, in Wembley zu spielen, das ist ein fantas­ti­sches Stadi­on», sagte Manci­ni, der sich nach den drei Gruppen­spie­len in Rom bei den heimi­schen Fans bedank­te und versprach: «Wir wollen gut spielen, um bis zum Ende im Turnier zu sein und dann noch einmal nach Wembley zurückzukehren.»

Ziel: Endspiel in London

Das Finale in London am 11. Juli ist mittler­wei­le das erklär­te Ziel der Italie­ner, die als Mannschaft ohne große Stars allen­falls als Außen­sei­ter ins Titel­ren­nen gegan­gen waren. Dreiein­halb Jahre nach der verpass­ten WM 2018 war auch im Land des vierma­li­gen Weltmeis­ters vor dem Turnier die Skepsis groß, wie viel der Elf von Manci­ni eigent­lich zuzutrau­en ist. Doch mit jedem mitrei­ßen­den Auftritt in Rom wuchsen Begeis­te­rung und Zuver­sicht. «Wir sind ein Märchen», schwärm­te der «Corrie­re dello Sport»: «Wembley, wir kommen!»

Die positi­ven Erkennt­nis­se, die Manci­ni mit ins Achtel­fi­na­le nehmen kann, sind nach dem Erfolg gegen Wales durch einen Treffer von Matteo Pessi­na (39. Minute) noch einmal gewach­sen. Auf acht Positio­nen verän­der­te der Coach seine Start­elf, 25 von 26 Spielern im EM-Kader kamen schon zum Einsatz. Und dennoch funktio­nier­te auch die Ersatz-Mannschaft gegen Wales nach einigen Anlauf-Schwie­rig­kei­ten perfekt. «Manci­ni ist der Star: Er lässt alle spielen und gewinnt die Gruppe», jubel­te die «Gazzet­ta dello Sport». Chiesa, der erstmals in der Start­elf stand, sagte: «Wir spielen alle großar­tig und wollen den Trainer in Schwie­rig­kei­ten bringen, wen er aufstel­len soll.»

Offene Perso­nal­fra­gen

In der Tat muss Manci­ni nun gleich mehre­re offene Perso­nal­fra­gen beant­wor­ten. Mittel­feld-Regis­seur Marco Verrat­ti gab gegen Wales ein starkes Comeback, Chiesa überzeug­te offen­siv. Für beide müssten aber Spieler aus der erfolg­rei­chen Stamm­elf, die bei den 3:0‑Siegen gegen die Türkei und die Schweiz das Publi­kum begeis­ter­te, weichen. Auch Kapitän Giorgio Chiel­li­ni arbei­tet nach seiner Verlet­zung am Oberschen­kel auf sein Comeback hin. «Wenn die Jungs so weiter­spie­len, bin ich glück­lich», sagte Manci­ni. «Mehr verlan­ge ich nicht.»

Eine EM-Gruppen­pha­se ohne Punkt­ver­lust gelang den Azzur­ri zuletzt 2000, damals stand am Ende eine Nieder­la­ge im Endspiel gegen Frank­reich. Ähnli­ches haben sich die Italie­ner wieder vorge­nom­men. Im Achtel­fi­na­le soll nun erst einmal das 31. ungeschla­ge­ne Spiel in Serie her, damit würde Manci­ni Weltmeis­ter-Coach Vitto­rio Pozzo die Bestmar­ke endgül­tig entrei­ßen. Zwischen 1935 und 1939 verlor Itali­en unter Pozzo 30 Spiele in Serie nicht. Und auch die Sieges­se­rie von inzwi­schen elf Partien würde Manci­ni mit seiner Elf gerne fortset­zen, zu den schon 1055 Minuten ohne Gegen­tor sollen weite­re hinzukommen.

Angespro­chen auf den histo­ri­schen Rekord von Pozzo, der 1934 und 1938 Weltmeis­ter und 1936 Olympia­sie­ger wurde, verwies Manci­ni auf die große Titel-Sehnsucht seiner Lands­leu­te 15 Jahre nach dem WM-Titel von 2006. «Pozzo hat viele andere wichti­ge Dinge gewon­nen», sagte Manci­ni schmun­zelnd. «Da sind wir im Moment noch hinten dran.»

Von Miriam Schmidt, dpa