Die Kommis­sa­rin «Rosa Roth», die Konsu­lin in «Die Budden­brooks», die Grafen­toch­ter in «Die Gulden­burgs». «Sketchup» und «Der Wagner-Clan». Was hat Iris Berben nicht alles schon gespielt. Jetzt wird sie 70. Und was kommt jetzt? Eine Begeg­nung in Berlin.

Im deutschen Film- und TV-Geschäft gibt es nur wenige Schau­spie­le­rin­nen, die in der Liga von Iris Berben spielen. An diesem Mittwoch (12. August) wird sie 70 Jahre alt.

Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er hat bereits gratu­liert. In einem am Diens­tag veröf­fent­lich­ten Schrei­ben heißt es: «Als wunder­vol­le Schau­spie­le­rin begeis­tern Sie Ihr Publi­kum schon so viele Jahre — sei es als Kommis­sa­rin, als Komödi­an­tin oder als zerris­se­ner Charak­ter. Wir Zuschau­er können Ihnen nur immer wieder aufrich­tig danken für den Zauber Ihrer vielfäl­ti­gen Schauspielkunst.»

Mehr als 150 Rollen, eine lange Liste mit Preisen, politisch engagiert, ein Leben mit Geheim­nis­sen: Wenn es eine Fernseh­kö­ni­gin gäbe, dann wäre es Iris Berben. Während des dpa-Inter­views sagt sie einem zögern­den Fotogra­fen mit leich­ter Ironie: «Drücken Sie ab. Es wird schon gut gehen.» Das stimmt natür­lich, sie sieht gut aus.

Ein Fernseh­kol­le­ge sagt: Sie sei eine Diva — wenn das positiv für eine ausdrucks­star­ke Frau gemeint ist. Sie lache gern über sich selbst. Wer sie trifft, merkt: Sie ist eine nachdenk­li­che Frau, die überlegt, was sie sagen möchte. Ihre Stimme hat Gewicht. Sie weiß, dass sich eine unbedach­te Äußerung schnell verselbstständigt.

Zum Thema Alter ist Berben, mittler­wei­le zweifa­che Großmutter, oft gefragt worden. So oft, dass ein Artikel einmal nur Inter­view­fra­gen dazu versam­melt hat. «Super, oder? Andere nehmen so viel mehr an meinem Alter Anteil als ich selbst. Ich lebe einfach von einem Tag zum nächs­ten», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Charak­ter­dar­stel­le­rin, Sexsym­bol, Ulknu­del. Etiket­ten hatte sie in ihrer Filmkar­rie­re einige. Ihr Leben im Schnell­durch­lauf: Geboren in Detmold bei Biele­feld, aufge­wach­sen in Hamburg, von der Schule geflo­gen, in der 68er-Protest­sze­ne gelan­det, bei Demos mitmar­schiert. Erste Filme mit den Programm­ki­no-Größen Rudolf Thome und Klaus Lemke. Die Fernseh­zu­schau­er kennen sie seit den 70er Jahren, seit «Zwei himmli­sche Töchter» mit Ingrid Steeger, später folgte «Sketchup» mit Diether Krebs — mit Einschalt­quo­ten von 40 Prozent.

Ein Meilen­stein war die Famili­en­se­rie «Das Erbe der Gulden­burgs», in den 80er Jahren Deutsch­lands Antwort auf den «Denver-Clan». Ein Kriti­ker fand: «Selten gab es Iris Berben besser als in der Rolle der labilen Grafen­toch­ter.» Später kamen die «Die Patri­ar­chin», «Die Budden­brooks», «Der Wagner-Clan», «Die Proto­kol­lan­tin», «Hanne». Fernse­hen mit Anspruch. Aber auch Inter­na­tio­na­les ist dabei: Mit Cannes-Gewin­ner Ruben Östlund («The Square») drehte sie aktuell das satiri­sche Drama «Triang­le of Sadness».

Fast 20 Jahre lang, bis 2013, spiel­te sie die ZDF-Kommis­sa­rin «Rosa Roth» — wie so oft ein Gemein­schafts­werk mit ihrem 1971 gebore­nen Sohn Oliver Berben, einem der wichtigs­ten Produ­zen­ten in Deutsch­land. Das führt zum Kapitel «Priva­tes». Sie lebt in Berlin. Ganz früher war sie mal mit dem Sänger Abi Ofarim liiert, mehr als 30 Jahre war sie mit dem israe­li­schen Geschäfts­mann Gabri­el Lewy zusam­men, danach folgte bis heute der Stunt­man und Unter­neh­mer Heiko Kiesow. «Mein Partner» nennt sie ihn.

Ein wichti­ger Beglei­ter in ihrem Leben war auch Terri­er Paul, der vor zwei Jahren starb. Wie wäre es mit noch einem Hund? «Mit Paul Berben kann keiner mithal­ten. Er ist die große Liebe. Er war 17 Jahre bei mir und ist immer noch da. Er lässt mich nicht los, um anderen Platz zu geben.»

Beson­ders am Herzen liegt ihr Israel. Sie drehte eine Fernseh­re­por­ta­ge über das Land, engagiert sich gegen Antise­mi­tis­mus und bekam den renom­mier­ten Leo-Baeck-Preis. Auch das deutsche Kino hat sie als eine Fürspre­che­rin. Sie war neun Jahre lang Präsi­den­tin der Deutschen Filmaka­de­mie, war die Stimme der Branche und hat sich auch in der MeToo-Debat­te zu Wort gemel­det. Was sie da über den einst mächti­gen Regis­seur Dieter Wedel sagte, war wenig schmeichelhaft.

An ihrem Geburts­tag sendet das Erste um 20.15 Uhr einen neuen Iris-Berben-Film, der von Alter und Vergäng­lich­keit handelt. In «Mein Altwei­ber­som­mer» (12. August, ARD) von Dustin Loose spielt sie die Lebens­mit­tel­tech­ni­ke­rin Ebba, die ihren Ehemann (Rainer Bock) betrügt und mit einem dänischen Zirkus­di­rek­tor (Peter Mygind) durch­brennt, die Reise führt vom Designer­haus zum Lager­feu­er an der polni­schen Ostsee.

Bereits am Montag lief im ZDF der Thril­ler «Nicht tot zu kriegen» von Nina Grosse. Dort spiel­te Berben eine altern­de Schau­spiel­di­va mit Pelzman­tel und Roséfla­sche, die sich melan­cho­lisch alte Filme ansieht. Ein Stalker bedroht sie, ein Ex-Polizist (Murathan Muslu) soll ihr helfen, als Bodyguard. Ein klassi­scher ZDF-Thril­ler mit etwas München-Touch wie in der Serie «Kir Royal». 4,75 Millio­nen sahen zu.

Kennt Berben das Diven-Szena­rio aus dem Film? Als sie in der Vorbe­rei­tung alte Fotos und Filme durch­guck­te, kam sie, die von den wilden 60ern und 70ern geprägt ist, ins Grübeln. «Natür­lich bleibt man da mal hängen und denkt: Hat man eigent­lich noch diese Rotzig­keit wie mit 20? Dieses Gefühl, mir gehört sowie­so die Welt. Es war eine tolle Zeit. Es gibt auch Melancholie. »

Vor ihrem 70. Geburts­tag spricht der Freigeist aus ihr: «Ich will wissen, was noch möglich ist. Ich bin noch furcht­lo­ser gewor­den, gesicher­tes Terrain zu verlas­sen.» Den Geburts­tag feiert sie nicht. Sie dreht. «So wie ich gerne feiern würde, geht es ja dieses Jahr nicht. Champa­gner kann ich auch allei­ne trinken.»