HANNOVER (dpa) — Für Flüge im Voraus bezah­len, die am Ende gar nicht statt­fin­den? Wegen chaoti­scher Zustän­de an Flughä­fen trifft das in diesem Sommer viele Reisen­de. Nieder­sach­sen schlägt nun vor, das Prinzip der Vorkas­se zu streichen.

Mit einer Bundes­rats­in­itia­ti­ve will Nieder­sach­sen angesichts des Chaos an mehre­ren deutschen Flughä­fen in diesem Sommer das Vorkas­se-Prinzip bei Flugrei­sen abschaf­fen. «Diese Art von Vertrags­ge­stal­tung hat in den vergan­ge­nen Jahren bereits vielfach zu erheb­li­chen Schwie­rig­kei­ten bei den Reisen­den geführt, wenn die jewei­li­gen Flüge nicht wie geplant durch­ge­führt worden sind», heißt es in der Initia­ti­ve der Landes­re­gie­rung in Hanno­ver, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Künftig sollen Ticket­prei­se demnach frühes­tens «bei Abfer­ti­gung des Fluges» verlangt werden dürfen. Zuvor hatte das «Handels­blatt» darüber berichtet.

«Künftig müsste dann das Ticket erst beim Check-in bezahlt werden. Damit wollen wir den Verbrau­cher­schutz für die Reisen­den deutlich verbes­sern», sagte Nieder­sach­sens Verkehrs­mi­nis­ter Bernd Althus­mann (CDU) der Wirtschafts­zei­tung. Anlass für die Initia­ti­ve seien die chaoti­schen Zustän­de bei der Abfer­ti­gung von Reisen­den an mehre­ren deutschen Flughä­fen in diesem Sommer, sagte ein Sprecher des Wirtschafts­mi­nis­te­ri­ums. Wegen fehlen­dem Perso­nal seien bereits tausen­de Flüge ausge­fal­len. Althus­mann sagte, diese Flugaus­fäl­le gingen fast immer zu Lasten der Reisen­den. «Sie haben oft Monate zuvor das Flugti­cket bezahlt, müssen sich im Falle einer Stornie­rung aber mühsam und teilwei­se langwie­rig um eine Rückerstat­tung bemühen.»

Dem Bericht des «Handels­blatts» zufol­ge nahmen die Beschwer­den bei der Schlich­tungs­stel­le für den öffent­li­chen Perso­nen­ver­kehr (SÖP) zuletzt deutlich zu. Demnach gingen in diesem Jahr zwischen dem 1. Juli und dem 15. August bei der Stelle 3082 Anträ­ge ein — das waren 127,5 Prozent oder 1727 Fälle mehr als im Vorjah­res­zeit­raum. Rund 80 Prozent der Streit­fäl­le gingen auf den Flugver­kehr zurück. Die Bahn betraf rund 15 Prozent der Fälle, weite­re drei Prozent umfass­ten Fernbus­se und den Nahver­kehr. Über diese Zahlen hatte zuvor der «Kölner Stadt-Anzei­ger» berichtet.

Im Bundes­tag kommt Zustim­mung von SPD und CSU

Nach Angaben des Wirtschafts­mi­nis­te­ri­ums in Hanno­ver will die rot-schwar­ze Landes­re­gie­rung den Vorschlag am Diens­tag im Kabinett beschlie­ßen und in der nächs­ten Bundes­rats­sit­zung am 16. Septem­ber auf die Tages­ord­nung bringen. Inwie­weit weite­re Länder die Initia­ti­ve unter­stüt­zen, konnte der Minis­te­ri­ums­spre­cher am Samstag nicht sagen.

Zustim­mung kam am Samstag aus den Bundes­tags­frak­tio­nen von SPD und CSU, wie das «Handels­blatt» berich­te­te. «Eine Aufwei­chung des Prinzips der Vorkas­se ist denkbar und angesichts zuneh­men­der Beschwer­den ein ernst­haft zu überle­gen­der Schritt», sagte CSU-Verbrau­cher­po­li­ti­ker Volker Ullrich der Zeitung. Er beton­te, aus seiner Sicht sei es aber ebenso wirkungs­voll, Flugge­sell­schaf­ten dazu zu verpflich­ten, ihre Kunden mithil­fe sogenann­ter Smart Contracts automa­tisch zu entschädigen.

Die Chefin des Verbrau­cher­zen­tra­len-Bundes­ver­ban­des, Ramona Pop, hatte sich mit Blick auf das Flugcha­os in Deutsch­land schon Ende Juli für die Abschaf­fung des Vorkas­se-Prinzips ausge­spro­chen. Der Bundes­ver­band fordert unabhän­gig von der gegen­wär­ti­gen Lage bereits seit länge­rem, dass der Preis für Flüge und Pauschal­rei­sen frühes­tens zum Zeitpunkt des Reise­an­tritts fällig werden sollte. Der Bundes­ver­band der Deutschen Luftver­kehrs­wirt­schaft wies zuletzt dagegen auf Vortei­le des Vorkas­se-Systems hin. Durch die Vorkas­se könnten die Flugge­sell­schaf­ten langfris­tig planen, eine hohe Auslas­tung der Flugzeu­ge errei­chen und den Verbrau­chern im Gegen­zug preis­wer­te­re Tickets über Frühbu­cher­ra­bat­te anbie­ten, hieß es.