MÜNCHEN (dpa) — Zum dritten und wohl letzten Mal spielt die Natio­nal­mann­schaft bei der Fußball-EM in München. Gegen Ungarn soll der letzte Schritt in die K.o.-Runde gelin­gen. Müllers Einsatz ist fraglich.

Die Debat­te um die von der UEFA nicht geneh­mig­te Regen­bo­gen-Beleuch­tung des Münch­ner Stadi­ons hat die sport­li­che Dimen­si­on des letzten deutschen EM-Gruppen­spiels fast überlagert.

Auch Joachim Löw musste sich noch am Vorabend des Duells gegen Ungarn zu der Causa äußern. Der Fokus ist aber nun wieder klar ausge­rich­tet. Gegen die Magya­ren soll der Fußball-Natio­nal­mann­schaft heute (21.00 Uhr/ZDF und Magen­ta TV) der letzte Schritt Richtung Achtel­fi­na­le gelin­gen, auch wenn Thomas Müller ausfal­len sollte.

DIE AUSGANGSLAGE: Manuel Neuer und seine Kolle­gen haben es selbst in der Hand. Schon mit einem Unent­schie­den ist das Achtel­fi­nal-Ticket gebucht. Mit einem Sieg ist auch noch Platz eins möglich, wenn Frank­reich nicht gegen Portu­gal gewinnt. Bei derzeit drei Punkten und einer positi­ven Tordif­fe­renz (+1) hängt ohnehin einiges vom Ausgang des Paral­lel­spiels zwischen Weltmeis­ter Frank­reich (4 Punkte/+1) und Europa­meis­ter Portu­gal (3/+1) ab.

Nur ein Fall darf für Joachim Löw nicht eintre­ten. Verliert die DFB-Elf gegen Ungarn und holt Portu­gal mindes­tens einen Punkt ist die EM für Deutsch­land vorbei und die Ära Löw auf unrühm­li­che Weise beendet. «Ich habe ein deutlich positi­ve­res Gefühl, als es 2018 der Fall war», zog Mats Hummels einen Vergleich zum WM-Debakel vor drei Jahren, als nach der Vorrun­de Schluss war.

DAS PERSONAL: Für Thomas Müller reicht es ziemlich sicher nicht für die Start­elf. Am Spiel­tag soll noch einmal das rechte Knie des Bayern-Profis einem Belas­tungs­test unter­zo­gen werden, um zu prüfen, ob ein Einsatz überhaupt möglich ist. «Wir warten bis zum Mittwoch­nach­mit­tag. Es gibt verschie­de­ne Gedan­ken­spie­le und Möglich­kei­ten in der Perso­nal­wahl», sagte der Bundestrainer.

Als Ersatz­mann stünde Leon Goretz­ka für seinen ersten Start­el­fein­satz bei der EM bereit. Mats Hummels (Reizung der Patel­la­seh­ne) und Ilkay Gündo­gan (Wade) sind hinge­gen wieder fit. Weite­re Änderun­gen muss Löw also nicht vorneh­men. Kapitän Neuer bestrei­tet gegen Ungarn sein 103. Länder­spiel und zieht damit in der DFB-Ranglis­te mit Kaiser Franz Becken­bau­er gleich.

DER GEGNER: Die Ungarn können ziemlich unbequem sein. «Wir wissen, dass sie ein ganz gefähr­li­cher Gegner sind. Vielleicht ist es besser für uns, dass wir jetzt auf sie treffen, wo wir sie schon zweimal gesehen haben», warnte Hummels. Gegen Frank­reich holten die Magya­ren einen Punkt, der würde ihnen in München aber nicht zum Weiter­kom­men reichen. Gleich vier Bundes­li­ga-Profis stehen im Aufge­bot: Roland Sallai vom SC Freiburg, Adam Szalai von Mainz 05 und die Leipzi­ger Peter Gulasci und Willi Orban.

DIE HISTORIE: Ungarn. Dieser Gegner löst bei deutschen Fans immer noch beson­de­re Gefüh­le aus. Dabei gab es seit 67 Jahren gegen die Magya­ren kein Pflicht­spiel mehr. Das letzte Duell von bislang nur drei Partien unter Turnier­be­din­gun­gen wird immer in den Geschichts­bü­chern stehen — als «Wunder von Bern». Am 4. Juli 1954 gelang Deutsch­land als großem Außen­sei­ter durch die Tore von Max Morlock und zweimal Helmut Rahn der erste WM-Triumph.

Mit insge­samt 34 Partien liegt Ungarn in der Ranglis­te der häufigs­ten DFB-Gegner auf Platz sieben. Joachim Löw hat gegen Ungarn als Bundes­trai­ner beide Spiele gewon­nen. Vor der WM 2010 gab es ein 3:0, vor der EM 2016 ein 2:0. Die letzte Nieder­la­ge gab es vor der EM 2004. Lothar Matthä­us führte die Ungarn als Trainer zu einem 2:0.

DIE PERSPEKTIVE: Angesichts der guten Ausgangs­la­ge kann der Blick schon über das Ungarn-Spiel hinaus­ge­hen. Mit dem Achtel­fi­na­le beginnt für die Natio­nal­mann­schaft die Europa­rei­se, den Münch­ner Heimvor­teil gäbe es nur noch einmal im Viertel­fi­na­le am 2. Juli bei einer von zwei mögli­chen Konstel­la­tio­nen als Gruppen­drit­ter. In der ersten K.o.-Runde ginge es als Gruppen­sie­ger in Bukarest am kommen­den Montag gegen die Schweiz oder die Ukrai­ne. Als Gruppen­zwei­ter wäre am kommen­den Diens­tag England in London der Gegner. Als einer der vier besten Gruppen­drit­ten müsste man sich am Sonntag entwe­der in Sevil­la mit Belgi­en oder in Budapest mit den Nieder­lan­den messen.

DER REGENBOGEN: Manuel Neuer wird wie in den ersten beiden Spielen wieder seine Regen­bo­gen-Kapitäns­bin­de tragen. Das wurde von der UEFA erlaubt. Eine Absage gab es hinge­gen für den Antrag der Stadt München, die Arena in der Farbkom­bi­na­ti­on als Zeichen für Vielfalt und Akzep­tanz diver­ser sexuel­ler Orien­tie­run­gen zu illumi­nie­ren. Löw bedau­er­te diese Entschei­dung, machte aber deutlich, dass über die Gesten hinaus wichti­ger sei, dass die «Werte auch gelebt werden».

Die bayeri­schen Politi­ker wollten die Aktion auch als klare Kritik an den homopho­ben Geset­zes­ent­schei­dun­gen der ungari­schen Regie­rung von Viktor Orban initi­ie­ren. Die Ableh­nung der UEFA stieß auf breite Kritik aus vielen Gesell­schafts­krei­sen. Viele Städte von Berlin bis Köln werden nun ihre Stadi­en mit den Regen­bo­gen­far­ben beleuchten.

Von Arne Richter, Jens Mende und Klaus Bergmann, dpa