Trotz monatelanger Schließungen hat sich das Coronavirus bisher nicht wirklich eindämmen lassen — im Gegenteil. Vor Ostern rückt daher die Corona-Notbremse in den Blick. Doch wie hart wird sie angezogen?
BERLIN (dpa) — Angesichts immer höherer Infektionszahlen wachsen die Sorgen vor einer neuen bedrohlichen Zuspitzung der Corona-Lage in Deutschland. Mit Blick auf die Osterzeit werden Mahnungen zu Vorsicht und einem stärkerem Gegensteuern lauter.
Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, warnte: «Es gibt sehr deutliche Signale, dass diese Welle noch schlimmer werden kann als die ersten beiden Wellen.» Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bat die Bürger, sich auch Ostern idealerweise nur draußen zu treffen. Er appellierte an die Länder, die vereinbarte Notbremse bei hohem Infektionsgeschehen konsequent anzuwenden. Nordrhein-Westfalen will sie ab Montag doch nicht landesweit ziehen, sondern vorerst regional.
Spahn sagte in Berlin, momentan stiegen die Infektionszahlen zu schnell, und die ansteckenderen Virusvarianten machten die Lage besonders gefährlich. «Wenn das so ungebremst weitergeht, laufen wir Gefahr, dass unser Gesundheitssystem im Laufe des April an seine Belastungsgrenzen kommt.» Die Zahl der Intensivpatienten in Kliniken steige schon stärker. Das Eindämmen von Ansteckungen bleibe auch bei den jetzt stärker anziehenden Impfungen wichtig. «Je höher die Inzidenz, desto weniger hilft das Impfen, um die Zahlen zu drücken.»
Die von Bund und Ländern vereinbarte «Notbremse» sieht vor, Öffnungen zurückzunehmen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region oder einem Land an drei aufeinander folgenden Tagen auf über 100 steigt. Bundesweit legte diese Zahl der neuen Fälle pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen nun nochmals auf 119 zu, wie das RKI am Freitag bekannt gab. Es gibt aber weiter regionale Unterschiede — von 61 im Saarland bis 221 in Thüringen. RKI-Chef Wieler sagte: «Wenn wir nicht sofort gegensteuern, dann werden die Folgen gravierend sein.» Vorstellbar sei, dass es 100.000 Neuinfektionen pro Tag gebe, wenn die dritte Welle nicht eingedämmt werde. Derzeit sind es rund 21.500 neue Fälle.
DAS REGIONALE VORGEHEN: Das bevölkerungsreichsten Bundesland NRW will trotz steigender Zahlen vorerst doch nicht landesweit die Notbremse ziehen. Nur in Kommunen mit Sieben-Tage-Inzidenz über 100 müssen Läden, Sportstätten und Kultureinrichtungen schließen, wie aus einer veröffentlichten Verordnung hervorgeht. Betroffene Kreise und Städte dürfen aber Ausnahmen für Menschen mit tagesaktuellem negativem Schnell- oder Selbsttest erlauben. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte zur Notbremse zunächst gesagt, das ganze Land sei der Maßstab. Er hatte jedoch auch betont, es müsse ein neues Kapitel aufgeschlagen werden, reines Schließen sei an seine Grenzen gekommen.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stellte regionale Gegenmaßnahmen in Aussicht. Er erwarte, «dass wir künftig in unserem Land deutlich mehr Ausgangssperren erleben werden, vor allen Dingen in den Hotspots». Er verwies auch darauf, dass etwa das Nordseebad Cuxhaven den überregionalen Tagestourismus unterbinden wolle. In Brandenburg hält das Gesundheitsministerium wieder mehr Betten in den Kliniken frei. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CDU) rief alle Länder zur Umsetzung der Notbremse in Hotspots auf. Wo sie ausgesetzt werde, drohe eine Verharmlosung der Pandemie.
DIE PERSPEKTIVEN: Dieses Osterfest sei noch nicht wieder