BERLIN (dpa) — Seit Jahres­be­ginn ist der Sprit teurer gewor­den. Das liegt auch am CO2-Preis — aber wie stark soll er für mehr Klima­schutz steigen, welche Folgen hat das? Millio­nen von Autofah­rer sind Millio­nen Wähler.

Wenige Monate vor der Bundes­tags­wahl ist im «Autoland» Deutsch­land ein hefti­ger Streit um die künfti­gen Preise an der Zapfsäu­le ausgebrochen.

SPD-Kanzler­kan­di­dat Olaf Scholz sprach sich gegen weiter steigen­de Benzin­prei­se aus. «Wer jetzt einfach immer weiter an der Sprit­preis­schrau­be dreht, der zeigt, wie egal ihm die Nöte der Bürge­rin­nen und Bürger sind», sagte Scholz der «Bild» (Donners­tag). Ein immer höherer CO2-Preis sorge «nicht für mehr Klima­schutz, sondern nur für mehr Frust».

Grünen-Kanzler­kan­di­da­tin Annale­na Baerbock war zuvor für eine Benzin­preis-Erhöhung von insge­samt 16 Cent einge­tre­ten — gemäß dem Programm­ent­wurf ihrer Partei. Ein Teil davon sei schon erfolgt: «6 Cent Preis­er­hö­hung gab es jetzt zum Jahres­be­ginn, weil erstma­lig auch ein CO2-Preis auf Benzin einge­führt worden ist. Wir sagen, dass das schritt­wei­se weiter angeho­ben werden muss auf die 16 Cent, die (ihr Co-Vorsit­zen­der) Robert Habeck erwähnt hat», hatte die designier­te Kanzler­kan­di­da­tin am Sonntag­abend «Bild» gesagt.

Dafür wurde sie bereits von mehre­ren Seiten kriti­siert, unter anderem von den Linken. CSU-Bundes­ver­kehrs­mi­nis­ter Andre­as Scheu­er sagte der «Bild»: «Es geht nicht, dass die Preise immer weiter nach oben gehen.»

Baerbock konter­te: «Naja, das zeugt schon von einer beson­de­ren Form der Selbst­ver­ges­sen­heit in der Regie­rungs­ko­ali­ti­on», sagte sie dem «Handels­blatt». Die Koali­ti­on habe einen CO2-Preis selbst einge­führt und gerade die Klima­zie­le geschärft — «beides zurecht». Dann müsse man aber auch zu den eigenen Beschlüs­sen stehen und sie umset­zen. «Wir sagen, der CO2-Preis muss weiter steigen, um Klima­schutz­in­no­va­tio­nen weiter anzurei­zen — das macht beim Benzin bei 60 Euro dann noch mal zehn Cent aus.» Die Grünen wollten vor allem Gering­ver­die­ner entlasten.

Grünen-Frakti­ons­chef Anton Hofrei­ter warf Scholz und Scheu­er eine «populis­ti­sche Benzinwutkampagne»vor. Antje von Broock, Geschäfts­füh­re­rin des Umwelt­ver­ban­des BUND, kommen­tier­te: «Teile der Bundes­re­gie­rung argumen­tie­ren gerade gegen ihre eigenen Beschlüs­se, die sie erst kürzlich mit einer Neuauf­la­ge des Klima­schutz­ge­set­zes bekräf­tigt haben.»

Hinter­grund: Die schwarz-rote Bundes­re­gie­rung mit den Minis­tern Scholz und Scheu­er hatte als zentra­le Maßnah­me im Kampf gegen den Klima­wan­del eine CO2-Beprei­sung auch im Verkehr und bei Gebäu­den einge­führt. Zu Jahres­be­ginn starte­te ein fixer CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne.

Das Ziel ist es, fossi­le Brenn- und Kraft­stof­fe weniger attrak­tiv zu machen und zum Umstieg auf klima­freund­li­che­re Alter­na­ti­ven anzure­gen. Der CO2-Preis bedeu­tet: Sprit, Heizöl und Erdgas werden teurer — auch um die Frage, ob Mieter oder Vermie­ter den Heizkos­ten­auf­schlag zahlen, gibt es gerade Streit.

Die Bundes­re­gie­rung hat den Aufschlag auch konkret benannt. Wie es etwa im Januar in der Antwort der Bundes­re­gie­rung auf eine FDP-Anfra­ge hieß, bedeu­tet ein CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne einen Aufschlag von 7 Cent pro Liter Benzin und von 7,9 Cent pro Liter Diesel.

Nach den bishe­ri­gen Planun­gen soll der CO2-Preis bis zum Jahr 2025 auf 55 Euro steigen. Laut den Berech­nun­gen würde das einen Aufschlag bedeu­ten beim Liter Benzin von mindes­tens 15,5 Cent und beim Liter Diesel von mindes­tens 17,4 Cent.

Hier setzt nun aber die aktuel­le Debat­te an. Als Reakti­on auf das Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts, einschnei­den­de Schrit­te zur Senkung des CO2-Austo­ßes nicht zu Lasten der jungen Genera­ti­on auf die lange Bank zu schie­ben, will die Bundes­re­gie­rung die Klima­zie­le anheben. Nur: Wie soll das konkret erreicht werden? Soll der CO2-Preise schnel­ler stärker steigen? Dafür gibt es etwa in der Union viele Sympa­thi­san­ten, weil der Emissi­ons­han­del ein markt­wirt­schaft­li­ches Instru­ment sei — richtig greifen soll dieses ab 2026.

Das Thema CO2-Preis spielt auch eine Rolle bei laufen­den Verhand­lun­gen inner­halb der Bundes­re­gie­rung um einen «Klima­pakt» mit einem Sofort­pro­gramm über acht Milli­ar­den Euro. Das Finanz­mi­nis­te­ri­um von Scholz aller­dings will an dem verein­bar­ten Pfad für den CO2-Preis festhal­ten. Das geht aus einem Entwurf hervor, der nun in die Ressort­ab­stim­mung ging.

Die Grünen haben ihre Karten offen auf den Tisch gelegt: Der CO2-Preis soll schnel­ler steigen — und damit der Sprit schnel­ler teurer werden. Im Entwurf des Grünen-Wahlpro­gramms heißt es, der CO2-Preis solle bereits im Jahr 2023 auf 60 Euro steigen. Damit Klima­schutz sozial gerecht sei, sollten die staat­li­chen Einnah­men aus dem CO2-Preis an die Bürger zurück­ge­ben werden. Dazu streben die Grünen neben der Senkung der EEG-Umlage zur Förde­rung des Ökostroms ein «Energie­geld» an, das jeder Bürger erhal­ten soll.

Auch die Bundes­re­gie­rung hatte im Zuge der CO2-Beprei­sung bereits Entlas­tun­gen beschlos­sen: die EEG-Umlage sank mit Milli­ar­den­mit­teln aus dem Bundes­etat, außer­dem gibt es Entlas­tun­gen bei der Pendler­pau­scha­le für Arbeit­neh­mer mit länge­ren Fahrwegen.

Millio­nen von Autofah­rern und Pendlern sind aber auch Wähler. Und seit Jahres­be­ginn sind die Kraft­stoff­prei­se deutlich geklet­tert. Einer ADAC-Auflis­tung zufol­ge stieg der monat­li­che Durch­schnitts­preis für einen Liter Diesel von 123,3 Cent im Januar auf 133,1 Cent im Mai, beim Liter Super E10 ging es im selben Zeitraum von 135,1 Cent auf 148,3 Cent nach oben. Das teuers­te Jahr für Autofah­rer war demnach aber 2012: Fast 1,60 Euro für einen Liter Benzin und rund 1,48 Euro für einen Liter Diesel musste im Jahres­durch­schnitt gezahlt werden.

Wie viel Diesel und Benzin an den Tankstel­len kosten, dass hängt auch stark von den Rohöl­prei­sen ab. Und obwohl zwischen den Lager­stät­ten der Ölför­der­län­der wie Russland, Norwe­gen, den USA und Saudi-Arabi­en und der heimi­schen Tankstel­le noch ein langer Verar­bei­tungs­pro­zess steht, schla­gen steigen­de Rohöl­prei­se relativ schnell auf die Sprit­prei­se durch — aktuell liegen die Ölprei­se auf dem höchs­ten Stand seit mehre­ren Jahren.

Von Andre­as Hoenig und Sebas­ti­an Schug, dpa