STOCKHOLM (dpa) — Ein denkwür­di­ger Wahlabend: Erst liegt das Lager von Minis­ter­prä­si­den­tin Anders­son vorn, dann kippt die Lage zuguns­ten des konser­va­ti­ven Heraus­for­de­rers Krist­ers­son. Ein Dritter spielt eine Schlüsselrolle.

Der drama­ti­sche Wahlkri­mi in Schwe­den geht in die Verlän­ge­rung: Frühes­tens am Mittwoch soll nun das vorläu­fi­ge Ergeb­nis der schwe­di­schen Parla­ments­wahl festste­hen. Erst dann seien die Stimmen aus dem Ausland sowie verspä­te­te vorzei­tig abgege­be­ne Stimmen ausge­zählt worden, teilte die Wahlbe­hör­de am frühen Morgen der Nachrich­ten­agen­tur TT mit.

Erste Progno­sen hatten zunächst noch das links­ge­rich­te­te Lager der Regie­rungs­chefin Magda­le­na Anders­son in Führung gesehen. Nach Auszäh­lung von etwa der Hälfte der Wähler­stim­men kippte das Ganze dann zuguns­ten des konser­va­ti­ven Heraus­for­de­rers Ulf Krist­ers­son — auch dank des histo­risch starken Abschnei­dens der rechts­po­pu­lis­ti­schen Schwedendemokraten.

Konser­va­ti­ver Block liegt knapp vorne

Ursprüng­lich war ein vorläu­fi­ges Ergeb­nis bereits in der Wahlnacht erwar­tet worden. Krist­ers­sons Modera­te müssen zwar als einzel­ne Partei mit ihrem schwächs­ten Wahler­geb­nis seit 20 Jahren rechnen, doch sein konser­va­ti­ver Vier-Partei­en-Block einschließ­lich der rechts­po­pu­lis­ti­schen Schwe­den­de­mo­kra­ten lag nach Auszäh­lung fast aller Stimmen 0,9 Prozent­punk­te vor dem Lager von Anders­son. Die Wahlbe­hör­de sah seine Riege bei 176 Manda­ten, Anders­sons bei 173.

Alle Vorsit­zen­den der acht Parla­ments­par­tei­en beton­ten in der Wahlnacht, dass das Rennen noch nicht gelau­fen sei. «Wir wissen nicht, wie das enden wird», sagte auch Krist­ers­son. Zugleich beton­te er, er sei bereit, eine neue und tatkräf­ti­ge Regie­rung zu schaffen.

Aller Voraus­sicht nach dürfte er auf diesem Weg auf einen angewie­sen sein, der bei Wahlen bislang immer außen vor gelas­sen wurde: dem Chef der Rechts­po­pu­lis­ten, Jimmie Åkesson. «Wir sind heute eine richtig große Partei», sagte er vor jubeln­den Partei­an­hän­gern. 2010 habe die Partei 5,7 Prozent der Stimmen erhal­ten — nun dürften es wohl 20,7 Prozent sein. Damit werden die Schwe­den­de­mo­kra­ten erstmals noch vor den Modera­ten zweit­stärks­te Kraft. Für Åkesson ergeben sich daraus Ansprü­che. «Unsere Ambiti­on ist es, mit in der Regie­rung zu sitzen», machte er klar.

Langwie­ri­ge Regie­rungs­bil­dung erwartet

Unabhän­gig vom Wahlaus­gang dürfte Schwe­den wie schon nach der Parla­ments­wahl 2018 eine langwie­ri­ge Regie­rungs­bil­dung bevor­ste­hen. Denn auch inner­halb der beiden Blöcke sind sich die Partei­en bei mehre­ren Angele­gen­hei­ten uneins. Politi­sche Mehrhei­ten zu finden, das ist in dem skandi­na­vi­schen EU-Land vor allem auch durch das Erstar­ken der Rechts­po­pu­lis­ten schwie­rig gewor­den, die ihre Wahler­geb­nis­se in den vergan­ge­nen Jahren konti­nu­ier­lich steigern konnten. Ein Ergeb­nis jenseits von 20 Prozent wird nun ein Rekord für die Åkesson-Partei sein. Nur die Sozial­de­mo­kra­ten — die tradi­tio­nell stärks­te Partei in dem skandi­na­vi­schen EU-Land — liegen nach Zuwäch­sen auf rund 30,5 Prozent weiter­hin deutlich vor ihnen.

Anders­son wurde erst im Novem­ber 2021 als Nachfol­ge­rin ihres sozial­de­mo­kra­ti­schen Partei­kol­le­gen Stefan Löfven und als erste Frau überhaupt zur Minis­ter­prä­si­den­tin von Schwe­den gewählt. Die frühe­re Finanz­mi­nis­te­rin führt seitdem eine rein aus Sozial­de­mo­kra­ten bestehen­de Minder­heits­re­gie­rung, die im Reichs­tag bisher auf die Unter­stüt­zung der libera­len Zentrums­par­tei, der Linken und der Grünen angewie­sen war. Heraus­for­de­rer Krist­ers­son setzt derweil auf Modera­te, Christ­de­mo­kra­ten und Libera­le — und erstmals auch offen auf die Unter­stüt­zung der Schwedendemokraten.

Von Steffen Trumpf, dpa