KIEL (dpa) — Die Schles­wig-Holstei­ner entschei­den über die Zusam­men­set­zung des neuen Landtags. Gut 2,3 Millio­nen Menschen sind zur Stimm­ab­ga­be aufge­ru­fen. Es gibt einen klaren Favoriten.

Die Landtags­wahl in Schles­wig-Holstein hat begon­nen. Um 8.00 Uhr öffne­ten die Wahllo­ka­le. Verzö­ge­run­gen oder Zwischen­fäl­le seien nicht bekannt gewor­den, sagte ein Sprecher der Landes­wahl­lei­tung der Deutschen Presse-Agentur.

Gut 2,3 Millio­nen Wahlbe­rech­tig­te sind aufge­ru­fen, einen neuen Landtag zu wählen. Den Umfra­gen zufol­ge kann die CDU von Minis­ter­prä­si­dent Daniel Günther (CDU) mit einem klaren Sieg rechnen. Derzeit regiert im Norden eine Koali­ti­on aus CDU, Grünen und FDP. Die Regie­rung hat hohe Zustim­mungs­wer­te; Günther persön­lich ist auch bei Sympa­thi­san­ten anderer Partei­en beliebt. Umfra­gen sehen ihn als populärs­ten Regie­rungs­chef in Deutsch­land. CDU und FDP befür­wor­ten zwar eine Neuauf­la­ge der Jamai­ka-Koali­ti­on, aber es könnte nach der Wahl auch für Schwarz-Grün oder — deutlich knapper — für Schwarz-Gelb reichen.

Der SPD von Kanzler Olaf Scholz droht nach ihren Siegen bei der Bundes­tags­wahl und zuletzt im Saarland nun wieder eine Nieder­la­ge. Die CDU dagegen schaut nach ihren letzten Wahlp­lei­ten voller Hoffnung nach Kiel. Partei­chef Fried­rich Merz kann einen Erfolg gut gebrau­chen, auch mit Blick auf die wichti­ge Landtags­wahl in Nordrhein-Westfa­len in einer Woche. Bleibt Günther an der Förde am Ruder, dürfte auch sein Gewicht in der Union weiter wachsen.

CDU in Umfra­gen weit enteilt

Die Wahllo­ka­le sind bis 18.00 Uhr geöff­net. 16 Partei­en treten mit Landes­lis­ten an. In den 35 Wahlkrei­sen werden ebenso viele Direkt­kan­di­da­ten gewählt. Die Wahlbe­tei­li­gung hatte vor fünf Jahren 64,2 Prozent betra­gen. Die erste Progno­se zum Ausgang der Wahl wird kurz nach 18.00 Uhr erwartet.

Minis­ter­prä­si­dent Günther (48) regiert in Kiel seit 2017 mit seinem Jamai­ka-Bündnis. Jüngs­te Umfra­gen sahen die CDU mit 36 bis 38 Prozent weit vor der SPD mit 18 bis 20 Prozent und den Grünen mit 16 bis 18 Prozent. Es folgte die FDP mit 7 bis 9 Prozent. Die AfD lag bei 5 bis 6 Prozent — zwischen diesen Werten beweg­te sich zuletzt auch der Südschles­wig­sche Wähler­ver­band (SSW), der als Partei der dänischen Minder­heit ohnehin von der Fünf-Prozent-Klausel befreit ist.

Dabei rückten die Grünen der SPD immer näher. Könnten sie bei der Landtags­wahl erstmals auf Platz zwei vorrü­cken, wäre das für sie ein großer Erfolg und für die SPD ein bitte­rer Rückschlag.

Zweier- statt Dreierbündnis?

Günther wird seine Stimme in Eckern­för­de abgeben, SPD-Spitzen­kan­di­dat Thomas Losse-Müller (49) im nahege­le­ge­nen Bisten­see und Finanz­mi­nis­te­rin Monika Heinold (63) als Spitzen­kan­di­da­ten der Grünen in Kiel. Beide hatten das Ziel verkün­det, Günther abzulösen.

CDU und FDP sprachen sich vor der Wahl für eine Wieder­auf­la­ge der Jamai­ka-Koali­ti­on aus, während sich Grüne und SSW nicht festleg­ten. Umfra­gen zufol­ge würde es aber für eine Zweier­ko­ali­ti­on der CDU mit den Grünen reichen, eventu­ell auch mit der FDP. SPD-Spitzen­kan­di­dat Losse-Müller bekun­de­te im Wahlkampf die Hoffnung auf ein Bündnis mit Grünen und SSW oder mit den Grünen und der FDP.

Der SSW wäre bereit zum Mitre­gie­ren. Wunsch­part­ner nannte Spitzen­kan­di­dat Lars Harms (57) vor der Wahl nicht. Im Übrigen hat seine Partei in der Opposi­ti­on gezeigt, dass sie auch in dieser Rolle Forde­run­gen durch­set­zen kann. Grünen-Spitzen­kan­di­da­tin Heinold versuch­te im Wahlkampf mit dem Argument zu punkten, eine Regie­rung ohne ihre Partei und spezi­ell Schwarz-Gelb würde für das Land einen fatalen Rückschritt bedeu­ten — zulas­ten von Klima­schutz, Energie­wen­de und Artenvielfalt.

SPD-Kandi­dat ist vielen unbekannt

Das größte Defizit des SPD-Spitzen­kan­di­da­ten Losse-Müller besteht in mangeln­der Bekannt­heit. Der Ex-Grüne war in der Landes­re­gie­rung von SPD, Grünen und SSW (2012 bis 2017) Finanz­staats­se­kre­tär — unter Minis­te­rin Heinold — und dann Staats­kanz­lei­chef. Nach der Wahl 2017 arbei­te­te er als Unter­neh­mens­be­ra­ter. Erst 2020 wechsel­te er von den Grünen zur SPD, deren Landes­vor­sit­zen­de Serpil Midyat­li ihn dann im Folge­jahr zum Spitzen­kan­di­da­ten erwählte.

Der Wahlkampf wurde vom Ukrai­ne-Krieg überschat­tet. Diffe­ren­zen zwischen den Partei­en offen­bar­ten sich unter anderem beim Ausbau der erneu­er­ba­ren Energien, bei Kita-Gebüh­ren und in der Sozial­po­li­tik. Günther musste wegen einer Corona-Infek­ti­on mehr als eine Woche auf Live-Termi­ne verzich­ten. Erst am Mittwoch stieg er gleich mit zwei Triel­len an einem Tag — mit Heinold und Losse-Müller — wieder ein.

Mit der Wahl werden mehr als 20 Abgeord­ne­te aus dem Landtag ausschei­den, darun­ter Parla­ments­prä­si­dent und Ex-Innen­mi­nis­ter Klaus Schlie (CDU/67). Mit dem Parla­men­ta­ri­schen Geschäfts­füh­rer Hans-Jörn Arp (CDU/69) trat auch einer der einfluss­reichs­ten Abgeord­ne­ten nicht wieder an. Arps Grünen-Kolle­gin Marret Bohn ist künftig ebenfalls nicht mehr dabei: Die 57-Jähri­ge will wieder als Ärztin arbeiten.

Von Wolfgang Schmidt, dpa