ÜBERLINGEN (dpa) — Weil sie zum Ziel von Jägern wurden, leben heute kaum noch Waldrap­pe in freier Wildbahn. Nun haben die ausge­wil­der­ten Zugvö­gel am Boden­see erstmals wieder Nachwuchs zur Welt gebracht. Doch der Flug ins italie­ni­sche Winter­quar­tier wird zur Zitterpartie.

Die Waldrap­pe am Boden­see sind spät dran. Während Artge­nos­sen aus dem bayeri­schen Burghau­sen und aus Salzburg schon Ende Oktober in ihrem Winter­quar­tier angekom­men sind, wartet man in Überlin­gen weiter gespannt, ob die Zugvö­gel recht­zei­tig den Abflug in Richtung Süden schaf­fen. «Die Kälte an sich ist nicht das Problem», sagte die Betreue­rin der Kolonie, Anne-Gabrie­la Schmal­stieg. «Es wird kritisch, wenn es zu viel Schnee gibt und der Oberbo­den gefro­ren ist. Dann finden die Tiere kein Futter mehr.»

In der Vergan­gen­heit hatten Mitar­bei­ter des Waldrapp-Projekts die selte­nen Zugvö­gel mit einem Leicht­flug­zeug und Gleit­schirm über die Alpen in die Toska­na geführt. Jetzt haben die Tiere in Überlin­gen zum ersten Mal Nachwuchs zur Welt gebracht, so dass die Wande­rung gen Süden erneut einen wichti­gen Test darstellt: Können die älteren Waldrap­pe den sechs Jungtie­ren zeigen, wo es langgeht?

«Wir sind da immer noch voller Hoffnung», sagte Schmal­stieg. «Früher hat man mit einem Start im Oktober gerech­net, der Novem­ber ist aber wegen milde­rer Tempe­ra­tu­ren jetzt schon fast zur Norma­li­tät gewor­den.» Den Betreu­ern bleibe jetzt nur «abwar­ten und hoffen». Brechen die Tiere einmal gen Süden auf, könnten sie den Flug bei guter Witte­rung inner­halb weniger Tage schaf­fen, sagte Schmalstieg.

Einige Tiere aus anderen Brutko­lo­nien des Projekts nördlich der Alpen haben die Reise nach Itali­en schon hinter sich. Am 24. Oktober machte sich eine Gruppe aus den Brutko­lo­nien im bayeri­schen Burghau­sen und dem öster­rei­chi­schen Kuchl auf den Weg, drei Tage später erreich­te der Großteil der Vögel sein Winterquartier.

Am Boden­see könnte auch häufi­ger Boden­ne­bel dazu beigetra­gen haben, dass die Waldrap­pe wegen schlech­ter Sicht nicht losge­flo­gen sind, sagte Schmal­stieg. «Am vergan­ge­nen Wochen­en­de ist eine Teilgrup­pe mal nach Chur in die Schweiz geflo­gen, dann aber leider wieder zurück­ge­kehrt.» Der Flug nach Itali­en wäre eine Etappe auf dem Weg zum langfris­ti­gen Ziel des Waldrapp-Teams: «Dass es genügend Waldrap­pe gibt, die den Erhalt am Stand­ort selbst sichern.»