DAVOS (dpa) — Millio­nen von Menschen drohen wegen der paral­le­len weltwei­ten Krisen in extre­me Armut abzurut­schen. Vor dem großen Treffen von Wirtschaft und Politik in Davos gibt es Rufe nach politi­schem Handeln.

Seit Beginn der Corona-Pande­mie sind die Reichs­ten der Welt der Organi­sa­ti­on Oxfam zufol­ge noch reicher gewor­den. Das Vermö­gen von Milli­ar­dä­ren sei um 42 Prozent gewachsen.

Gleich­zei­tig sei weltweit mehr als eine Viertel­mil­li­ar­de Menschen gefähr­det, in diesem Jahr in extre­me Armut abzurut­schen. Zu diesem Ergeb­nis kommt die Organi­sa­ti­on in ihrem Bericht zu den Profi­teu­ren der globa­len Krisen, den sie zur Jahres­ta­gung des Weltwirt­schafts­fo­rums (WEF) in Davos vorstellt.

In dem Schwei­zer Alpen­ort treffen sich von Montag an fast 2500 Teilneh­mer aus Politik, Wirtschaft und Gesell­schaft, um über Lösun­gen für inter­na­tio­na­le Proble­me zu disku­tie­ren. Dabei geht es immer auch um die Balan­ce zwischen wirtschaft­li­chem Profit und sozia­ler Gerech­tig­keit. Die Tagung steht in diesem Jahr unter dem Motto «Geschich­te an einem Wende­punkt: Regie­rungs­po­li­tik und Geschäftsstrategien».

Oxfam weist auf wachsen­de Ungleich­heit hin

Die Nothil­fe- und Entwick­lungs­or­ga­ni­sa­ti­on Oxfam forder­te angesichts wachsen­der Ungleich­heit eine stärke­re Besteue­rung von Unter­neh­men und sehr hohen Vermö­gen. «Es ist nicht hinnehm­bar, dass Konzer­ne und die dahin­ter stehen­den Milli­ar­dä­rin­nen und Milli­ar­dä­re Rekord­ge­win­ne einfah­ren, während Millio­nen Menschen Mahlzei­ten ausfal­len lassen müssen, die Heizung abdre­hen, mit ihren Rechnun­gen im Rückstand sind und sich fragen, was sie als nächs­tes tun können, um zu überle­ben», sagte Manuel Schmitt, Referent für sozia­le Ungleich­heit bei Oxfam Deutschland.

Regie­run­gen müssten dringend gegen­steu­ern und Konzer­ne sowie Super­rei­che in die Pflicht nehmen. In Deutsch­land müsse die Vermö­gen­steu­er wieder einge­führt werden. Außer­dem sei eine einma­li­ge Abgabe auf sehr hohe Vermö­gen und eine Überge­winn­steu­er für Konzer­ne angesagt.

Pande­mie befeu­er­te Armut

Laut Oxfam haben die Corona-Pande­mie und steigen­de Preise für Energie und Lebens­mit­tel Armut und sozia­le Ungleich­heit zuletzt noch befeu­ert. Die Zahl der Milli­ar­dä­rin­nen und Milli­ar­dä­re sei seit 2020 um mehr als 570 auf 2668 gewach­sen. Zusam­men verfüg­ten sie über ein Vermö­gen von 12,7 Billio­nen Dollar. Allein während der Pande­mie sei es um 42 Prozent gewach­sen und entspre­che nun 13,9 Prozent der weltwei­ten Wirtschafts­leis­tung. Allein Pharma­kon­zer­ne machten mit Impfstof­fen einen Gewinn von über 1000 Dollar pro Sekun­de und verlang­ten von den Regie­run­gen bis zum 24-fachen des Herstellungspreises.

Gleich­zei­tig seien rund 260 Millio­nen Menschen gefähr­det, wegen zuneh­men­der Ungleich­heit und steigen­der Lebens­mit­tel­prei­se in Armut abzurut­schen. Im vergan­ge­nen März habe es den größten Sprung der Lebens­mit­tel­prei­se seit Beginn der Aufzeich­nun­gen der Verein­ten Natio­nen im Jahr 1990 gegeben.

Auch die Ungleich­heit zwischen Staaten nehme wieder zu. Mehr als jedes zweite einkom­mens­schwa­che Land könne seine Schul­den bald nicht mehr zurück­zah­len. «Derzeit ersti­cken einkom­mens­schwa­che Länder unter ihrer Schul­den­last, und weltweit explo­die­ren Ungleich­heit und Armut», sagte Schmitt.

Folgen des Ukrai­ne-Kriegs sind auch Thema

Befeu­ert werden die steigen­den Preise und auch die Schul­den­pro­ble­ma­tik derzeit durch den russi­schen Krieg in der Ukrai­ne. Die Folgen des Krieges sollen auch das Weltwirt­schafts­fo­rum stark prägen — die dritte weltwei­te Krise neben der Corona-Pande­mie und dem Klima­wan­del. Thema­ti­siert werden unter anderem die Auswir­kun­gen auf Liefer­ket­ten, Energie­ver­sor­gung und Nahrungsmittelsicherheit.

Die Auftakt­re­de in Davos hält am Montag der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj, der digital zugeschal­tet wird. Später sind der Kiewer Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko und sein Bruder Wladi­mir zu Gast. Am Morgen bereits spricht Wirtschafts­mi­nis­ter Robert Habeck in einer Diskus­si­ons­run­de darüber, wie Deutsch­land unabhän­gi­ger von russi­scher Energie werden will.

Habeck fordert «mehr und besse­re Kooperation»

«Das Weltwirt­schafts­fo­rum in Davos gilt als Symbol für die ungebän­dig­te Globa­li­sie­rung, die die Ausbeu­tung von Menschen und Ressour­cen befeu­ert, Finanz­kri­sen den Boden berei­tet und sozia­le Ungleich­heit verschärft hat», sagte Habeck vorab. Bei aller Kritik biete es aber auch den Rahmen für wichti­ge Debat­ten. Der Welthan­del sei ins Stocken geraten, Liefer­ket­ten rissen, es drohe eine Hunger­kri­se, weil Russland Weizen­lie­fe­run­gen aus der Ukrai­ne blockie­re. Sich vor diesem Hinter­grund von der Idee der Globa­li­sie­rung zu verab­schie­den, sei aber falsch. «Mehr und besse­re Koope­ra­ti­on macht uns wider­stands­fä­hi­ger und schützt uns», sagte Habeck.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) wird am Donners­tag in Davos erwar­tet. Er ist bisher der einzi­ge der G7-Regie­rungs­chefs, der eine Teilnah­me zugesagt hat. Ebenfalls angekün­digt sind Nato-General­se­kre­tär Jens Stolten­berg, EU-Kommis­si­ons­che­fin Ursula von der Leyen und EZB-Präsi­den­tin Chris­ti­ne Lagarde.

Russland ist nicht vertreten

Wegen des Krieges wird anders als sonst üblich keine russi­sche Delega­ti­on an der Jahres­ta­gung teilneh­men. Dafür sind zahlrei­che ukrai­ni­sche Politi­ker und Stiftun­gen vertre­ten. Statt des russi­schen Hauses wird es eine Ausstel­lung geben, die laut Victor-Pinchuk-Stiftung russi­sche Kriegs­ver­bre­chen zeigt.

Tradi­tio­nell findet das Treffen des Weltwirt­schafts­fo­rums eigent­lich Mitte Januar statt, wegen der Corona-Pande­mie war es jedoch verscho­ben worden. Im Januar hatte die Stiftung statt­des­sen Führungs­kräf­te digital zusam­men­ge­bracht. Auch im vergan­ge­nen Jahr konnte das Weltwirt­schafts­fo­rum nur digital stattfinden.