Baden-Württem­berg wird seine Klima­zie­le nach Einschät­zung des Öko-Insti­tuts in Freiburg nur errei­chen, wenn es seinen Fahrplan zur Klima­neu­tra­li­tät umstellt und den Ausbau in mehre­ren Berei­chen deutlich beschleu­nigt. Unter anderem müssten Windener­gie und Photo­vol­ta­ik fünf- bis zehnmal so schnell und umfang­reich ausge­baut werden wie in den vergan­ge­nen zehn Jahren, heißt es in einer Studie des Insti­tuts im Auftrag des Bundes für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land (Bund). Wichtig sei es auch, den Ausbau an die Vor- und Nachtei­le einzel­ner Regio­nen anzupassen.

Der Südwes­ten soll nach den Vorga­ben der grün-schwar­zen Landes­re­gie­rung bis zum Jahr 2040 klima­neu­tral werden. Klima­neu­tra­li­tät bedeu­tet, dass nur noch so viele Treib­haus­ga­se ausge­sto­ßen werden dürfen, wie wieder gebun­den werden können.

Das baden-württem­ber­gi­sche Klima­schutz­ge­setz sieht deshalb unter anderem vor, dass in den Regio­nal­plä­nen zwei Prozent der Fläche für Windener­gie und Photo­vol­ta­ik festge­legt werden sollen. Umwelt­ver­bän­de hatten bereits zuvor eine Erhöhung auf mindes­tens drei Prozent gefor­dert, um den zukünf­ti­gen Energie­be­darf decken zu können.

Auch das Öko-Insti­tut fordert insge­samt mindes­tens drei Prozent. Es sollten aber keine pauscha­len Vorga­ben gemacht, sondern die Vor- und Nachtei­le der Regio­nen bei Windkraft und Photo­vol­ta­ik beach­tet und Ziele entspre­chend formu­liert werden, heißt es in der Studie weiter. «Die zwölf baden-württem­ber­gi­schen Regio­nen haben bei Natur­schutz­be­lan­gen, ihrer Eignung für Windener­gie und der Verfüg­bar­keit von Wärme­quel­len sehr unter­schied­li­che Ausgangs­be­din­gun­gen», sagte die Landes­vor­sit­zen­de des Bundes für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land (Bund), Sylvia Pilarsky-Grosch.

Die meisten Windrä­der sollte demnach in den Regio­nen Heilbronn-Franken, Donau-Iller und Nordschwarz­wald aufge­stellt werden. Die Region Stutt­gart dagegen eigne sich beson­ders für Solar­an­la­gen auf Dächern, Boden­see-Oberschwa­ben und der Südli­che Oberrhein für Photo­vol­ta­ik-Anlagen auf landwirt­schaft­li­chen Äckern oder Wiesen. In den Regio­nen Rhein-Neckar, Stutt­gart und Mittle­rer Oberrhein sollten auch klima­neu­tra­le Wärme­net­ze eine wichti­ge Rolle spielen. Wärme­pum­pen sollten landes­weit fossi­le Heizun­gen erset­zen. Die klima­freund­li­che Gebäu­de­wär­me­ver­sor­gung müsse aber auch in kleine­ren Städten und Gemein­den geplant werden.

Aus Sicht des Öko-Insti­tuts hängt der Erfolg der Energie­wen­de nicht zuletzt auch ab von der Zahl der einsetz­ba­ren und gut ausge­bil­de­ten Fachkräf­te. «Dies betrifft nicht nur die energe­ti­sche Gebäu­de­sa­nie­rung, sondern auch den Ausbau der erneu­er­ba­ren Strom­erzeu­gung sowie den Umbau der energie­wen­dere­le­van­ten Infra­struk­tu­ren», sagte Matthi­as Koch vom Öko-Institut.

Ausbau auf der einen, Einspa­rung auf der anderen Seite, denn es gelte zeitgleich, massiv weniger Energie zu nutzen, mahnten Koch und Pilars­ky-Grosch. Gebäu­de müssten saniert, die Wohnflä­che pro Kopf verrin­gert werden. Viele dieser oder ähnli­cher Ziele sind aber auch bereits Teil der politi­schen Planun­gen oder der Taskforce des Landes. Sie kümmert sich um kürze­re Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren für Windrä­der, nimmt aber auch Photo­vol­ta­ik, die Bioen­er­gie, die Wasser­kraft und die tiefe Geother­mie in den Blick.

Zuletzt hatte Umwelt­mi­nis­te­rin Thekla Walker (Grüne) auch von der Gesell­schaft mehr Tempo und Engage­ment beim Klima­schutz angemahnt. Pilars­ky-Grosch beton­te ebenfalls: «Es geht nicht nur um den akuten Energie­man­gel, sondern auch darum, dass wir unseren Lebens­stil ändern müssen.» Würden die Poten­zia­le nicht genutzt, werde das Land abhän­gig von Strom‑, Wasser­stoff- und E‑Fuel-Impor­ten, die auf Basis erneu­er­ba­rer Energien herge­stellt werden. Offshore-Windka­pa­zi­tä­ten in Nord- und Ostsee müssten zudem massiv ausge­baut werden.

Für die Studie hat das Öko-Insti­tut drei bundes­wei­te Szena­ri­en für Klima­neu­tra­li­tät bis auf einzel­ne Regio­nen in Baden-Württem­berg herun­ter­ge­bro­chen. Dabei werden ledig­lich Fragen zur Energie­ver­sor­gung und Gebäu­de­wär­me betrach­tet, auch Kosten für die einzel­nen Maßnah­men spiel­ten keine Rolle.

Ein Sprecher von Walker sagte: «Was BUND und ÖKO-Insti­tut fordern, ist nicht neu und wird von uns schon umgesetzt.» Mindes­tens zwei Prozent der Flächen seien in den Regio­nal­plä­nen für Windkraft und Photo­vol­ta­ik vorge­se­hen, um den Ausbau der Erneu­er­ba­ren massiv voran­zu­brin­gen. «Jede Region ist natür­lich frei, mehr für den Ausbau der Erneu­er­ba­ren zu tun.» Und sie könnten flexi­bel entschei­den, welcher regene­ra­ti­ven Energie sie den Vorzug geben, weil jede Region unter­schied­li­che Voraus­set­zun­gen habe. Und aufgrund der bundes­recht­li­chen Vorga­ben sei man zurzeit in Gesprä­chen mit dem Minis­te­ri­um für Landes­ent­wick­lung und Wohnen, um das Mindest­flä­chen­ziel von zwei Prozent im Land zu erhöhen.