TUTTLINGEN — Wo vor nicht allzu langer Zeit noch Kiefer­kno­chen entzwei gesägt wurden, kann heute der Zugang per Endoskop über die Nase erfol­gen: In seiner Keynote beim Innova­ti­on Forum Medizin­tech­nik beleuch­tet Prof. Dr. Henry W. S. Schroe­der am 21. Oktober in der Tuttlin­ger Stadt­hal­le, welche Entwick­lun­gen die Schädel­ba­sis­chir­ur­gie genom­men hat, wohin neue Techno­lo­gien und Verfah­ren führen – und wie um bestehen­des Instru­men­ta­ri­um gekämpft werden muss. 

Das Telefon klingelt. Henry W. S. Schroe­der, Univer­si­täts­pro­fes­sor und Direk­tor der Klinik und Polikli­nik für Neuro­chir­ur­gie der Univer­si­täts­me­di­zin Greifs­wald, muss das Gespräch kurz unter­bre­chen. Mit einem Kolle­gen stimmt er in klaren, sachli­chen Ansagen die nächs­te OP ab. Bei Eingrif­fen am mensch­li­chen Gehirn geht es um ein Höchst­maß an Kommu­ni­ka­ti­on, Koope­ra­ti­on und Präzi­si­on. Die Begrif­fe lassen sich spiegel­bild­lich auf die Entwick­lung der dazu benötig­ten Instru­men­ten anwen­den. Kommu­ni­ka­ti­on mit den Herstel­lern, Koope­ra­ti­on in der Entwick­lung, Präzi­si­on in der Ausfüh­rung „Die Mikro­chir­ur­gie ist kaum noch zu verbes­sern“, schwärmt Henry Schroe­der über die Quali­tät der Produk­te, die ihm zur Verfü­gung stehen. Wenn er in seiner Keynote über Innova­tio­nen bei der Schädel­ba­sis­chir­ur­gie spricht, bezieht sich das weniger auf die Instru­men­te an sich, als vielmehr um Fragen der Visua­li­sie­rung. „Gerade bei Hirntu­mo­ren können die Übergän­ge zwischen patho­lo­gi­schem und gesun­dem Gewebe fließend sein“, sagt Henry Schroe­der. Zur besse­ren Unter­schei­dung könnten beispiels­wei­se neue Fluores­zenz-Techni­ken helfen, aber auch die Weiter­ent­wick­lung der optischen Kohärenz­to­mo­gra­fie. Und eventu­ell erhal­ten die Opera­teu­re demnächst mecha­ni­sche Assis­ten­ten: Sollte die Robotik präzi­ser und stabi­ler werden, „könnte das den opera­ti­ven Verfah­ren nochmals Aufschwung geben“ – denn gleich­zei­tig treiben Fortschrit­te bei Bestrah­lungs­tech­ni­ken und Moleku­lar­bio­lo­gie nicht-invasi­ve Verfah­ren voran.

Innova­tio­nen anzukur­beln ist die eine Seite – um Bewähr­tes zu kämpfen, die andere. Längst sind die Folgen der EU-MDR auch in der Neuro­chir­ur­gie angekom­men. Henry Schroe­der weiß von Bestands­pro­duk­ten, die nicht mehr verfüg­bar sind. Angefan­gen bei einfa­chen Kanülen bis hin zu Hochleis­tungs­in­stru­men­ten. „Ich sehe die große Gefahr, dass Innova­tio­nen, aber auch die Produkt­pa­let­te, die wir bereits haben, deutlich reduziert werden“, so Henry Schroe­der mit Blick auf gestie­ge­nen Kosten bei Zulas­sung und Re-Zerti­fi­zie­rung. Als treiben­de Kraft, aus Ideen neue Techni­ken, Thera­pie­for­men, markt­fä­hi­ge Produk­te zu machen, bleibt ihm der direk­te Kontakt zu den Herstel­lern gleich­wohl ein großes Anlie­gen. Auch und gerade deshalb nimmt er den Weg von Greifs­wald nach Tuttlin­gen auf sich. „Es ist wichtig, dass die Medizi­ner mit der Indus­trie zusam­men­ar­bei­ten“, hebt Henry Schroe­der hervor. Es geht um Kommu­ni­ka­ti­on, Koope­ra­ti­on, Präzi­si­on. „Wenn jeder nur für sich allein werkelt, wird‘s nichts.“ 

INFO
13. Innova­ti­on Forum Medizintechnik
Donners­tag, 21. Oktober 2021
9:00 — 18:00 Uhr
Stadt­hal­le Tuttlingen
Early-Bird-Rabatt: 10% Nachlass auf die Teilnah­me­ge­bühr für Anmel­dun­gen bis zum 15. Septem­ber 2021