Inzwi­schen muss man nicht mehr unbedingt ins Testzen­trum: Wer auf Nummer sicher gehen will, kann auch daheim einen Corona-Test machen. Doch wie aussa­ge­kräf­tig sind solche Tests?

BERLIN (dpa) — Schnell­tests von geschul­tem Perso­nal, Selbst­tests aus dem Einzel­han­del: Von Beginn der Woche an sollen alle, die es wollen, ohne beson­de­ren Anlass unter­su­chen können, ob sie mit dem Corona­vi­rus infiziert sind und mögli­cher­wei­se andere anste­cken könnten.

Das soll nicht länger als 15 bis 20 Minuten dauern. Kosten­güns­ti­ge Selbst­tests und kosten­lo­se Schnell­tests sollen rasch überall verfüg­bar sein — so zumin­dest der Plan.

Einen Antigen-Schnell­test pro Woche soll jeder Bürger gratis in Apothe­ken, Arztpra­xen oder Testzen­tren machen lassen können, die Kosten dafür übernimmt der Bund. Aller­dings haben die Länder noch bis Anfang April Zeit für die Umset­zung dieser Maßnah­me als Teil der natio­na­len Teststra­te­gie. Dabei nimmt geschul­tes Perso­nal mit Watte­stäb­chen teilwei­se tief in Nase und Rachen einen Abstrich. Schlägt ein Test positiv an, könnte gleich vor Ort die nötige Probe für den zwingend notwen­di­gen PCR-Test genom­men werden.

Antigen-Tests suchen in Abstrich-Proben nicht nach Erbgut wie ein PCR-Test, sondern nach Molekü­len, die charak­te­ris­tisch für das Virus sind. Die Selbst­tests aus Apothe­ken, Einzel­han­del und Discoun­tern sind dabei mit den Schnell­tests identisch. Sie müssen aber zunächst selbst bezahlt werden. Aldi starte­te am Wochen­en­de mit dem Verkauf von Testkits, bei Lidl konnten Online-Bestel­lun­gen aufge­ge­ben werden, von Montag an wollten weite­re Geschäf­te und Droge­rie­märk­te nachziehen.

Der Vorteil: Die Tests kann man zuhau­se machen. Das Watte­stäb­chen muss dabei nicht ganz so tief in die Nase gescho­ben werden wie bei den herkömm­li­chen Verfah­ren. Das Robert Koch-Insti­tut (RKI) verweist auf Studi­en, wonach bei richti­ger Anlei­tung die Proben­ent­nah­me durch Privat­per­so­nen und daraus resul­tie­ren­de Ergeb­nis­se vergleich­bar war mit der Entnah­me durch medizi­ni­sches Perso­nal. Unsach­ge­mä­ße Abstri­che können die Aussa­ge­kraft des Tests stark einschränken.

Ist das nun — neben den Impfun­gen — der erhoff­te Ausweg aus der Corona-Krise? Darauf setzen zumin­dest Kanzle­rin Angela Merkel, Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (beide CDU) und die Regie­run­gen in den Bundes­län­dern. Für sie sind die labor­un­ab­hän­gi­gen Tests ein wichti­ges Element in ihrer jüngst beschlos­se­nen stufen­wei­sen Strate­gie, den Lockdown je nach Infek­ti­ons­la­ge aufzuweichen.

Schnell­tests werden bisher schon zum Beispiel vor dem Zutritt in Alten­hei­me gemacht, in Klini­ken und nach Infek­ti­ons­fäl­len etwa in Schulen. Selbst­tests mit negati­vem Ergeb­nis könnten mittel­fris­tig etwa für den Besuch im Außen­be­reich eines Restau­rants reichen — voraus­ge­setzt, die regio­na­le Coronalage ließe dies zu.

Der Sinn hinter den schnel­len Tests: neue Corona-Fälle frühzei­tig erken­nen. Denn der Sars-CoV-2-Erreger hat eine Eigen­schaft, die die Pande­mie-Bekämp­fung erschwert: Infizier­te können das Virus auch an andere weiter­ge­ben, wenn sie (noch) keine Sympto­me der Krank­heit Covid-19 zeigen. Vor solchen Fällen sollen die Tests schüt­zen helfen.

Doch wie zuver­läs­sig sind die Ergeb­nis­se der Schnell­ana­ly­sen? Studi­en zeigen, dass Antigen-Schnell­tests prinzi­pi­ell weniger zuver­läs­sig sind als die für die offizi­el­le Corona-Statis­tik berück­sich­tig­ten PCR-Tests. Dabei sind zwei Werte bedeu­tend: die Sensi­ti­vi­tät und die Spezi­fi­tät. Die Spezi­fi­tät gibt an, wie viele Nicht-Infizier­te korrekt ein negati­ves Ergeb­nis erhal­ten. Die Sensi­ti­vi­tät wieder­um gibt den Anteil der mit dem Virus Infizier­ten an, die tatsäch­lich korrekt ein positi­ves Testergeb­nis erhalten.

Das Paul-Ehrlich-Insti­tut hat Mindest­an­for­de­run­gen für Antigen-Tests festge­legt: Die Spezi­fi­tät muss über 97 Prozent liegen, das heißt mindes­tens 97 von 100 Gesun­den müssen als solche erkannt werden. Die Sensi­ti­vi­tät soll größer als 80 sein, das heißt mindes­tens 80 von 100 Infizier­ten muss der Test erken­nen. Bei allen sieben Selbst­tests (Stand 6.3.), die das Bundes­in­sti­tut für Arznei­mit­tel und Medizin­pro­duk­te (BfArM) bislang zugelas­sen hat, liegt die Spezi­fi­tät den Herstel­ler­an­ga­ben zufol­ge bei mindes­tens 98 Prozent. Es kann demnach in einigen Fällen zu falsch-positi­ven Ergeb­nis­sen kommen — was sich dann durch die unabding­ba­re Prüfung durch einen genaue­ren PCR-Test herausstellt.

Die Sensi­ti­vi­tät liegt bei den bisher zugelas­se­nen Selbst­tests nach Herstel­ler­an­ga­ben und BfArM-Stich­pro­ben bei gut 95 Prozent. Das Problem: Die Tests schla­gen am besten bei einer hohen Virus­last an. Infizier­te mit gerin­ger Virus­last — etwa zu Beginn oder beim Abklin­gen der Erkran­kung — werden mögli­cher­wei­se nicht entdeckt.

Könnte das dazu führen, dass sich viele Infizier­te in falscher Sicher­heit wiegen und unbewusst andere Menschen anste­cken? Ein Rechen­bei­spiel: Geht man davon aus, dass in einer Gruppe von 10 000 Getes­te­ten 1000 tatsäch­lich das Corona­vi­rus tragen, dann könnten mindes­tens 50 dieser Infizier­ten im Selbst­test fälsch­li­cher­wei­se ein negati­ves Ergeb­nis bekom­men. Sie nähmen an, nicht infiziert zu sein — und stecken so womög­lich weite­re Menschen an.

«Ein negati­ves Ergeb­nis im Antigen-Test schließt eine Infek­ti­on nicht aus, insbe­son­de­re, wenn eine niedri­ge Virus­last vorliegt», so das RKI. Auch bei korrek­ter Durch­füh­rung sei es «ledig­lich weniger wahrschein­lich», anste­ckend zu sein. Zudem sei die Aussa­ge­kraft zeitlich begrenzt — schon am nächs­ten Tag kann das Ergeb­nis anders sein. Daher ist ein negati­ves Ergeb­nis kein Freifahrt­schein, die Corona-Regeln zu missachten.

Von den 9000 Nicht-Infizier­ten der Beispiel­grup­pe wieder­um erhiel­ten bei einer Spezi­fi­tät von 98 Prozent rund 180 ein falsches Positiv-Ergeb­nis. Bis zum Ergeb­nis des PCR-Tests gehen sie dann davon aus, infiziert zu sein und andere anste­cken zu können. Das kann für Frust sorgen.

Fehler beim Gebrauch der Tests können diese Werte noch merklich beein­flus­sen. Inwie­weit die angege­be­nen Prozent­zah­len auch unter Realbe­din­gun­gen zutref­fen, lässt sich derzeit kaum absehen. Erst die Erfah­rung der kommen­den Monate wird zeigen, wie groß die Proble­me durch falsch-positi­ve und falsch-negati­ve Ergeb­nis­se tatsäch­lich sind — und auch, wie gut sich mit den Schnell­tests die Pande­mie in Schach halten lässt.