BERLIN/ÜBERLINGEN (dpa/lsw) — Zurück­ge­kom­men, um zu bleiben: Selbst bei Rückschlä­gen haben die in Deutsch­land und Öster­reich neu wieder angesie­del­ten Waldrap­pe gute langfris­ti­ge Chancen, attes­tiert eine Studie.

Die aufwen­di­ge Wieder­an­sied­lung des Waldrapps in Europa ist einer Studie zufol­ge auf gutem Weg. Die Popula­ti­on habe gute Aussich­ten auf ein langfris­ti­ges Überle­ben, teilte das Leibniz-Insti­tut für Zoo- und Wildtier­for­schung (Leibniz-IZW) in Berlin mit. Bekannt ist das Projekt vor allem durch die beein­dru­cken­den Bilder in Deutsch­land und Öster­reich aufge­zo­ge­ner Vögel, die Ultra­leicht­flug­zeu­gen über die Alpen in ihr italie­ni­sches Überwin­te­rungs­ge­biet folgen.

Von dort kehren Tiere inzwi­schen eigen­stän­dig zurück und ziehen selbst Küken auf. Die Wissen­schaft­le­rin­nen und Wissen­schaft­ler um Johan­nes Fritz vom öster­rei­chi­schen Unter­neh­men Waldrapp­team Conser­va­ti­on and Research und Sinah Drens­ke vom Leibniz-IZW hatten Daten von fast 400 Vögeln aus zwölf Jahren (2008–2019) ausge­wer­tet und Zukunfts­sze­na­ri­en modelliert.

Auswil­de­rungs­po­pu­la­tio­nen gibt es in Überlin­gen am Boden­see sowie im bayeri­schen Burghau­sen. Bis ins 17. Jahrhun­dert lebten Waldrap­pe unter anderem an Felsen in Überlin­gen. Dann wurden ihnen Vogel­jä­ger zum Verhäng­nis. Zuletzt waren die Tiere in freier Wildbahn praktisch ausge­stor­ben. Die Waldrap­pe am Boden­see gehören zu einer von vier Kolonien, die zum Auswil­de­rungs­pro­jekt im Alpen­raum zählen.

Insge­samt umfasst die ausge­wil­der­te Popula­ti­on, die sich seit 2011 erfolg­reich fortpflanzt, nach Forscher­an­ga­ben aktuell etwa 200 Vögel in Öster­reich und Süddeutsch­land. 250 wilde Jungvö­gel seien in den Kolonien aufge­wach­sen. Die Überle­bens­ra­te im ersten Jahr liegt bei 52 Prozent für die wild geschlüpf­ten und bei 73 Prozent für die freige­las­se­nen Jungvö­gel, wie das Team im Fachjour­nal «Oryx» berich­tet. Auch die Überle­bens­ra­te erwach­se­ner Vögel sei hoch, ebenso die Fortpflan­zungs­ra­te. Der Repro­duk­ti­ons­er­folg liege deutlich über den Werten der meisten wildle­ben­den Bestän­de und Zooko­lo­nien, sagte Fritz. «Wir führen dies auf das reich­hal­ti­ge Nahrungs­an­ge­bot in den Brutge­bie­ten zurück.»

Auch Umwelt­ka­ta­stro­phen könne die Popula­ti­on recht gut kompen­sie­ren, hieß es weiter. Im Novem­ber 2022 zum Beispiel waren bei einem Orkan 27 Waldrap­pe ums Leben gekom­men. Trotz der guten Aussich­ten seien weite­re Maßnah­men nötig. So sollten Verlus­te durch Strom­schlag an ungesi­cher­ten Strom­mas­ten und durch illega­le Vogel­jagd in Itali­en bekämpft werden. Auch sollte es weite­re Auswil­de­run­gen geben.

Der Waldrapp (Geron­ti­cus eremi­ta) ist Natur­schutz­ver­bän­den zufol­ge einer der seltens­ten Vögel der Welt. Markan­te Merkma­le sind sein kahles Gesicht, der sichel­för­mi­ge, rote Schna­bel und strub­be­li­ge Nacken­fe­dern. Die Art brütet gerne in der Nähe von Gewäs­sern an Felsklip­pen und Steil­küs­ten. Die gänse­gro­ßen Zugvö­gel lebten einst verbrei­tet im Alpen- und Mittelmeerraum.

Da das Zugver­hal­ten nicht vererbt, sondern durch die Eltern­tie­re an den Nachwuchs vermit­telt wird, wurde den von Hand aufge­zo­ge­nen Jungvö­geln beigebracht, ihren mensch­li­chen Pflege­el­tern im Ultra­leicht­flug­zeug zu folgen. So gelang­ten sie über die Alpen ins Winter­quar­tier in der Toskana.

Ungewiss ist dem Forschungs­team um Fritz und Drens­ke zufol­ge noch, wie sich der Klima­wan­del auf die Popula­ti­on auswir­ken wird. Der Beginn des Herbst­zugs verzö­ge­re sich bereits sukzes­si­ve. Infol­ge­des­sen hätten die Vögel immer größe­re Proble­me, die Alpen zu überque­ren — vermut­lich weil es an unter­stüt­zen­der Thermik mangele.