FREIBURG/STUTTGART (dpa/lsw) — «Bretter­but­ze» statt Butter­bre­zel: Um für Baden-Württem­berg zu werben, greift das Landes­mar­ke­ting ein Kunst­pro­jekt zu «korrek­ter Ausspra­che» auf — und löst ganz unter­schied­li­che Reaktio­nen aus.

Für Charlot­te Hübsch ist klar: Es heißt «Bretter­but­ze». «An zwei Stellen geklebt und verkno­tet hält die Bretter­but­ze trotz­dem wie geschmiert», beschreibt sie. Auf dem Bildschirm erscheint paral­lel dazu ein anderes Wort: Butterbrezel.

Darun­ter steht als eine Art Serien­ti­tel «Korrek­te Ausspra­che — BaWü-Editi­on». Gehal­ten im offizi­el­len Design Baden-Württem­bergs. Die Clips, die das Landes­mar­ke­ting seit einigen Wochen im Inter­net streut, stammen vom Künst­ler­kol­lek­tiv Luksan Wunder. Hübsch ist die Spreche­rin der Videos, mit denen die Wahl-Berli­ner schon 2015 angefan­gen haben — damals ohne Fokus auf Baden-Württem­berg. «Wir wollten eine Gegen­welt entwer­fen für Leute die auf Partys falsch Proset­scho bestel­len», sagt sie. Sie könnten dann die Videos googeln und bewei­sen, dass ihre Ausspra­che doch stimmt. «So dass den Leuten recht gegeben wird, die auf der falschen Seite stehen.»

Das Ganze ist mit einem dicken Augen­zwin­kern zu verste­hen. Viele feiern die Clips auch. «Es gibt die, die noch einen drauf­set­zen», erzählt Hübsch. Andere fänden es einfach nur blöd. Oder schrie­ben wahlwei­se sachlich oder empört etwa bei Wörtern aus Fremd­spra­chen die richti­ge Ausspra­che in die Kommen­ta­re — mit Verweis darauf, sie seien Mutter­sprach­ler oder hätten jahre­lang im Ausland gelebt.

Nun gibt es also auch die «BaWü-Editi­on» mit Wörtern für Erfin­dun­gen aus dem Südwes­ten. Unter den Clips verwei­sen Nutzer auf den heimi­schen Dialekt bei Butter­bre­zel und Maulta­sche: «Budder­brezl» und «Mauld­äsch­le».

Sind die Videos irreführend?

Infol­ge des Flücht­lings­zu­stroms habe es auch Kritik gegeben, dass Leute, die Deutsch lernen und wirklich korrek­te Ausspra­che hören wollen, in die Irre gelei­tet würden, sagt Hübsch. «Aber was ist der Worst Case? Jemand spricht ein Wort falsch aus.» Zudem sei es ein guter Hinweis, dass man sich nicht auf das erstbes­te Video verlas­sen sollte, das man im Netz findet. «Und Quellen prüfen!»

Ralf Knöbl vom Leibniz-Insti­tut für Deutsche Sprache in Mannheim findet die Parodien super. Teils würden typische Aussprach­e­pro­ble­me angetippt wie die Ausspra­che von Y als Ü oder I, was etwa bei Libyen oft schief­ge­he. Falsche Ausspra­che bei Fremd­wör­tern wie Prosec­co oder Gnocchi gebe es auch in der Sprech­rea­li­tät. Ähnlich sei es bei der zweisil­bi­gen Ausspra­che von A und O in Kakao — das sei tatsäch­lich eine übliche Ausspra­che von Dialekt­spre­chern und ‑spreche­rin­nen im rhein­frän­ki­schen Raum. «Trotz­dem sehe ich die Gefahr nicht, dass falsche Ausspra­chen dadurch verfes­tigt oder gar erlernt werden», sagt der Mitau­tor des Ausspra­che­du­dens. «In den aller­meis­ten Fällen ist die Ausspra­che deutlich stili­siert und als Parodie markiert.»

Hunder­te Videos hat Luksan Wunder inzwi­schen produ­ziert — und macht dabei im Grunde vor nichts Halt: ob Weine, Schau­spie­le­rin­nen oder die Bibel, Käsesor­ten, EM-Kader oder Automar­ken. Mal klingt die Verfrem­dung wie ein anderes Wort, so wird etwa die Maulta­sche zur «Mantel­ta­sche». Dann wieder hört man völlig andere Begrif­fe wie «Klapa­pa­prol­le» — franzö­sisch angehaucht mit stummem End‑E. Gemeint ist die Klopa­pier­rol­le. Auch Auftrags­ar­bei­ten wie jetzt für das baden-württem­ber­gi­sche Landes­mar­ke­ting seien schon dabei gewesen, sagt Hübsch — etwa für ein Kunst­ma­ga­zin oder für Unternehmen.

Für manchen Clip ist Spezi­al­wis­sen nötig

Die Clips seien sehr erfolg­reich und hätten teilwei­se über eine Millio­nen Klicks, erläu­tert ein Sprecher des Staats­mi­nis­te­ri­ums in Stutt­gart, warum das Landes­mar­ke­ting auf den Zug aufge­sprun­gen ist. Grund­la­ge für die 15 bisher produ­zier­ten Videos der «BaWü-Editi­on» seien Erfin­dun­gen aus dem Südwes­ten. «Aus der Menge an kulina­ri­schen, techni­schen und alltäg­li­chen Erfin­dun­gen aus dem Land der Tüftler und Denker hat Luksan Wunder sich dieje­ni­gen Begrif­fe ausge­wählt, die sich am besten für den Mecha­nis­mus ihrer Clips eignen.» Die Auswahl reicht von Spätz­le­pres­se und Hochdruck­rei­ni­ger, über Flädle und Wibele bis zu Schwarz­wäl­der Kirsch­tor­te und Kuckucksuhr.

Hier ist der Südwest-Bezug noch eingän­gig. Für Wörter wie Spaghet­ti­eis oder Relati­vi­täts­theo­rie muss man schon etwas mehr Hinter­grund­wis­sen haben — etwa dass die Eiskrea­ti­on aus Mannheim stammen soll und Albert Einstein einst in Ulm geboren wurde.

Schon oft habe sie gedacht, das Format müsse langsam mal auslau­fen, sagt Hübsch, die aus der Freibur­ger Ecke stammt und in Stutt­gart Lingu­is­tik und Germa­nis­tik studiert hat. Mit den Jahren sei das Schrei­ben der Texte schwie­ri­ger gewor­den, «weil sich ein Witz irgend­wann ausge­witzt hat». Hohes Poten­zi­al hätten Wörter aus anderen Sprachen, mit vielen Konso­nan­ten und Buchsta­ben­kom­bi­na­tio­nen, die man gut vertau­schen kann. «Da haben wir fast alles durch, glaube ich», sagt die Spreche­rin. «Aber ich habe keine Sorge, dass wir immer noch was finden.»

Von Marco Krefting, dpa