DÜSSELDORF (dpa) — Grenzen­lo­ser Jubel bei Wüsts CDU in NRW — sie hat die Wahl deutlich gewon­nen. Die SPD kann sich noch nicht mit der Nieder­la­ge anfreun­den: Partei­chef Kutscha­ty klammert sich an einen Strohhalm.

Unbän­di­ger Jubel bei den Christ­de­mo­kra­ten in Nordrhein-Westfa­len — Enttäu­schung bei der SPD.

Der kaum sieben Monate amtie­ren­de Minis­ter­prä­si­dent Hendrik Wüst (CDU) hat es geschafft, bei der Landtags­wahl im bevöl­ke­rungs­reichs­ten Bundes­land die meisten Stimmen für die CDU einzu­fah­ren — und die SPD viel deutli­cher zu distan­zie­ren als die Umfra­gen zuvor vermu­ten ließen.

Ob die CDU es tatsäch­lich erstmals seit den 60er-Jahren schaf­fen kann, in NRW länger als eine Wahlpe­ri­ode hindurch das Ruder in der Hand zu behal­ten, hängt vor allem davon ab, ob die SPD unter Thomas Kutscha­ty trotz ihres histo­risch schlech­tes­ten Landtags­wahl­er­geb­nis­ses in NRW dennoch versu­chen will, selbst eine Koali­ti­on zu schmie­den. SPD-General­se­kre­tär Kevin Kühnert warb jeden­falls dafür.

Wüst: «Wahl klar gewonnen»

Wüst will vor seinen feiern­den Anhän­gern in der Düssel­dor­fer Partei­zen­tra­le hinge­gen keinen Zweifel aufkom­men lasen: «Die CDU in Nordrhein-Westfa­len hat diese Wahl klar gewon­nen», ruft er in den proppe­vol­len Saal. Schließ­lich habe sie die meisten Stimmen bekom­men. «Das ist der Auftrag, eine künfti­ge Regie­rung zu bilden und zu führen.»

Sicht­lich blass und enttäuscht steht dagegen der 53-jähri­ge Essener Kutscha­ty auf der Bühne der Düssel­dor­fer Rhein­ter­ras­se. Halbleer ist der große Saal, doch die rund 200 Anhän­ger lassen ihren Spitzen­kan­di­da­ten in der schwe­ren Stunde nicht fallen. «Thomas, Thomas, Thomas» rufen sie im Stakka­to und applau­die­ren kräftig. Denn Kutscha­ty, der sich aus einfa­chen Verhält­nis­sen einer Eisen­bah­ner­fa­mi­lie hoch kämpf­te, hat eine Devise: nie aufgeben.

SPD-Spitze hat noch Hoffnung

Kutscha­ty und die SPD-Spitze klammern sich am Abend an den Rettungs­an­ker, vielleicht doch noch ein rot-grünes Bündnis bilden zu können. «Auch, wenn die CDU vor uns liegt: Die Sozial­de­mo­kra­tie in Nordrhein-Westfa­len steht bereit auch für eine Landes­re­gie­rung hier», unter­streicht er. «Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken.»

Auch in der CDU-Landes­ge­schäfts­stel­le rufen die Anhän­ger der Partei eupho­ri­siert nach ihrem Spitzen-Mann: «Hendrik! Hendrik!» Für die rund 400 Gäste im Hof der Landes­ge­schäfts­stel­le gibt es, angesichts der deutlich rosige­ren Zahlen als erwar­tet, kein Halten. Bei strah­len­dem Sonnen­schein finden die für eine Sieger-Party bestell­ten 600 Liter Bier, zwei Zentner Curry­wurst und platten­wei­se Mettbröt­chen reißen­den Absatz. Im Wahlkampf hatte Wüst — Sohn einer Fleische­rin — bekannt, das er an keinem Wurst­stand vorbei komme.

Dass die CDU als Sieger aus der Wahl hervor­ge­hen würde, war — ganz anders als eine Woche zuvor in Schles­wig-Holstein — keines­wegs gesetzt. Die erst vor kurzem enthüll­te «Mallor­ca-Affäre» um Urlaub und Party der infol­ge­des­sen zurück­ge­tre­te­nen Umwelt­mi­nis­te­rin während der Jahrhun­dert­flut machte die Wahl für die CDU zur Zitterpartie.

Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit mehr

Doch am Sonntag wiesen die Hochrech­nun­gen für Wüst über 35 Prozent aus. Aller­dings hat die seit fünf Jahren regie­ren­de schwarz-gelbe Koali­ti­on keine Mehrheit mehr. Spannends­te Frage bei der CDU-Wahlpar­ty war daher: Wagt Wüst die erste schwarz-grüne Koali­ti­on in NRW?

Spitzen­kan­di­da­tin Mona Neubaur, die ein Rekord-Ergeb­nis einge­fah­ren hat, das die Grünen in NRW in die Rolle der Königs­ma­cher katapul­tiert hat, gibt sich am Wahlsonn­tag zunächst bedeckt. «Wir beraten in unseren Partei­gre­mi­en und machen einem kleinen Partei­tag Vorschlä­ge», antwor­tet sie sparsam auf Fragen nach ihren Koali­ti­ons­prä­fe­ren­zen. Jeden­falls seien die Grünen angetre­ten, «Politik auf der Höhe der Zeit» zu machen, die «nicht über die Köpfe der Menschen hinweg» gehe.

Der Preis für ein schwarz-grünes Bündnis dürfte hoch sein für die CDU. Immer­hin gibt es viele Unter­schie­de zwischen beiden Partei­en, unter anderem bei energie‑, verkehrs- und schul­po­li­ti­schen Zielen. Die grüne Basis in NRW gilt als ausge­spro­chen links.

Lindner: «Desas­trö­se Niederlage»

Wüsts bishe­ri­ger Koali­ti­ons­part­ner, die FDP, räumt angesichts starker Verlus­te unumwun­den eine bitte­re Nieder­la­ge ein. Bundes­par­tei­chef Chris­ti­an Lindner spricht sogar von einer «desas­trö­sen Nieder­la­ge». Vize-Minis­ter­prä­si­dent und FDP-Spitzen­kan­di­dat Joachim Stamp unter­streicht: «Es ist völlig klar, dass wir hier so nicht zur Tages­ord­nung überge­hen können.» Ob der Landes­par­tei­chef einen Rücktritt erwägt, bleibt zunächst offen.

Wie es nun weiter­geht für die CDU in NRW wollte auch der populä­re Landes­in­nen­mi­nis­ter Herbert Reul (CDU) noch nicht prognos­ti­zie­ren. «Das ist keine Bazar­ver­an­stal­tung», sagt er zu Koali­ti­ons­spe­ku­la­tio­nen. Wüst werde mit allen demokra­ti­schen Partei­en reden. Mit der AfD, die den ersten Zahlen zufol­ge im Düssel­dor­fer Landtag bleiben wird, nicht.

Am Sonntag wollte Wüst über all die offenen Fragen aber noch nicht grübeln und demons­trier­te erstmal Stärke: «Team Wüst — Ihr seid der Hammer!»

Von Betti­na Gröne­wald und Dorothea Hülsmei­er, dpa