(dpa) — Die Wasser­mas­sen gehen zurück. Nach und nach wird das Ausmaß der Katastro­phe deutlich. Allein im Hochwas­ser-Hotspot Ahrwei­ler gibt es mindes­tens 90 Tote — und die Behör­den befürch­ten weite­re Opfer.

An einigen Orten der verhee­ren­den Flut geht das Wasser langsam zurück — aber die Zahl der Toten steigt und steigt. Und die Gefahr ist noch nicht vorbei.

Am Samstag­mor­gen werden allein aus dem Hochwas­ser-Hotspot Ahrwei­ler in Rhein­land-Pfalz mehr als 90 Tote gemel­det. Es sei zu befürch­ten, dass noch weite­re Todes­op­fer hinzu­kä­men, teilt die Polizei mit. Die Behör­de spricht von 618 Verletz­ten — auch diese Zahl könne sich aber erhöhen. Auch zwei Tage nach dem Unglück werden noch Menschen vermisst. Für das gesam­te Bundes­land hatte der rhein­land-pfälzi­sche Innen­mi­nis­ter Roger Lewentz (SPD)zuletzt von 63 Menschen gespro­chen, die bei den Überschwem­mun­gen ums Leben kamen.

Mit den jüngs­ten Zahlen aus Rhein­land-Pfalz steigt die Gesamt­zahl der Todes­op­fer bei der Flutka­ta­stro­phe im Westen Deutsch­lands auf mehr als 130. Aus dem ebenfalls schwer getrof­fe­nen Nordrhein-Westfa­len waren zuletzt 43 Tote gemel­det worden.

Unter den Toten in Rhein­land-Pfalz sind zwölf Bewoh­ner einer Einrich­tung für Menschen mit geisti­ger Behin­de­rung in Sinzig, an der Mündung der Ahr in den Rhein. «Das Wasser drang inner­halb einer Minute bis an die Decke des Erdge­schos­ses», sagte der Geschäfts­füh­rer des Landes­ver­bands der Lebens­hil­fe Rhein­land-Pfalz, Matthi­as Mandos. Die Nacht­wa­che habe es noch geschafft, mehre­re Bewoh­ner in den ersten Stock des Wohnheims zu bringen. «Als er die nächs­ten holen wollte, kam er schon zu spät.»

Damm der Rur im Kreis Heins­berg gebrochen

Angespannt ist die Hochwas­ser­la­ge nach wie vor im nordrhein-westfä­li­schen Wassen­berg im Kreis Heins­berg. Nach dem Bruch eines Damms der Rur steht der Stadt­teil Ophoven teilweis unter Wasser. Etwa 700 Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner von Ophoven an der Grenze zu den Nieder­lan­den hatten in der Nacht ihre Häuser verlas­sen müssen. Wer nicht in der Lage sei, seine Wohnung selbst­stän­dig zu verlas­sen, solle über eine Hotline um Hilfe bitten, appel­lier­te die Stadt.

Zuletzt war von einem «stagnie­ren­den Wasser­pe­gel» die Rede. Dennoch sei es nach wie vor gefähr­lich, sich in dem Gebiet aufzu­hal­ten, warnte ein Sprecher der Feuerwehr.

Die Rur hat ihre Quelle in der Eifel und mündet bei Roermond in den Nieder­lan­den in die Maas. Laut WDR sieht Wassen­bergs Bürger­meis­ter Marcel Maurer (CDU) einen mögli­chen Grund für den Dammbruch auf nieder­län­di­scher Seite: Dort seien Schleu­sen­klap­pen geschlos­sen worden, so dass es zum Rückstau der Wasser­mas­sen gekom­men sei.

In Rhein­land-Pfalz hat sich die Hochwas­ser­ge­fahr laut Frühwarn­pro­gno­se des Landes­amts für Umwelt Rhein­land-Pfalz zuletzt verrin­gert. In vielen Ortschaf­ten ist aber weiter­hin das Strom- und Telefon­netz ausge­fal­len. Angehö­ri­ge, Freun­de oder Bekann­te, die jeman­den vermis­sen, können sich unter der Rufnum­mer 0800 6565651 bei der Polizei melden.

In der Nacht war die Polizei nach Angaben des Präsi­di­ums mit vielen Einsatz­kräf­ten in den betrof­fe­nen Ortsla­gen im Einsatz. Durch das Unwet­ter seien viele Straßen im Ahrtal weiter­hin gesperrt oder nicht mehr befahr­bar. Der Zugver­kehr ist in Rhein­land-Pfalz wegen der Überflu­tun­gen weiter­hin massiv beeinträchtigt.

Stein­mei­er besucht Hochwas­ser-Hotspot in NRW

Während Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel einen baldi­gen Besuch in der schwer verwüs­te­ten Region in Rhein­land-Pfalz plant, wird Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er am Samstag im Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfa­len erwar­tet. Nach Angaben des Bundes­prä­si­di­al­am­tes besucht Stein­mei­er am Mittag zusam­men mit NRW-Minis­ter­prä­si­dent Armin Laschet Erftstadt, wo in den vergan­ge­nen Tagen zahlrei­che Häuser und Autos wegge­spült worden waren. Er will sich in der Feuer­wehr­leit­zen­tra­le ein Bild von der aktuel­len Lage machen und mit Rettungs­kräf­ten sprechen.

Bis Freitag­abend war noch offen, ob es in Erftstadt Todes­op­fer zu bekla­gen gibt. «Wir gehen von mehre­ren Toten aus, wissen es aber nicht», sagte der nordrhein-westfä­li­sche Innen­mi­nis­ter Herbert Reul (CDU).

Minis­ter­prä­si­dent Laschet sprach von einer «Flut-Katastro­phe von histo­ri­schem Ausmaß». Seine Amtskol­le­gin aus Rhein­land-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), nannte die Lage «weiter­hin extrem angespannt in unserem Bundes­land». Sie fügte in Trier hinzu: «Das Leid nimmt auch gar kein Ende.» Bei einer Video­kon­fe­renz mit Laschet hatte Merkel kurz- und langfris­ti­ge Unter­stüt­zung durch den Bund für die betrof­fe­nen Menschen zugesichert.