Schon morgen könnte die Zahl bundes­weit erfass­ter Neuin­fek­tio­nen die Spitzen­wer­te der zweiten Corona-Welle überstei­gen. Und diesmal scheint ein Plateau oder gar Abflau­en des Infek­ti­ons­ge­sche­hens noch in weiter Ferne zu liegen.

BERLIN (dpa) — Mit 29.426 von den Gesund­heits­äm­tern binnen eines Tages ans Robert Koch-Insti­tut (RKI) gemel­de­ten Fällen nähert sich die Zahl der Corona-Neuin­fek­tio­nen dem bishe­ri­gen bundes­wei­ten Höchstwert.

Der bishe­ri­ge Rekord war mit 33.777 Neuin­fek­tio­nen am 18. Dezem­ber erreicht worden, er enthielt aller­dings 3500 Nachmel­dun­gen. Mehr als 29.000 Neuin­fek­tio­nen wurden den RKI-Daten zufol­ge zudem an mehre­ren Tagen im Dezem­ber erfasst. Auch am 8. Januar hatte der Wert noch bei 31.849 gelegen, danach war die Zahl der Neuin­fek­tio­nen einige Wochen lang deutlich gesunken.

Mit einem baldi­gen Abflau­en ist diesmal nicht zu rechnen: «Nach einem vorüber­ge­hen­den Rückgang der Fallzah­len über die Oster­fei­er­ta­ge setzt sich der starke Anstieg der Fallzah­len fort», heißt es vom RKI im Lagebe­richt vom Mittwoch­abend. Rund um die Oster­fei­er­ta­ge wurde nach Angaben des Insti­tuts weniger getes­tet und gemeldet.

Auffäl­lig ist die deutli­che Zunah­me in jünge­ren Alters­grup­pen. ««Die hohen bundes­wei­ten Fallzah­len werden durch zumeist diffu­se Gesche­hen mit zahlrei­chen Häufun­gen insbe­son­de­re in Haushal­ten, im beruf­li­chen Umfeld sowie in Kitas und Hortein­rich­tun­gen verur­sacht», heißt es im Lagebe­richt. «Beim Großteil der Fälle ist der Infek­ti­ons­ort nicht bekannt.»

Erschwert wird die Eindäm­mung durch die massi­ve Ausbrei­tung der anste­cken­de­ren Varian­te B.1.1.7, die inzwi­schen auch in Deutsch­land das Gesche­hen dominiert. Die zuneh­men­de Verbrei­tung und Dominanz dieser Varian­te vermin­de­re die Wirksam­keit der bislang erprob­ten Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men erheb­lich, so das RKI.

Die Zahl der binnen sieben Tagen gemel­de­ten Neuin­fek­tio­nen pro 100 000 Einwoh­ner lag dem RKI zufol­ge bundes­weit bei 160,1 (Vortag: 153,2). Ähnlich hoch lag die Sieben-Tage-Inzidenz zuletzt im Januar (12.1., 164,5) während der zweiten Welle. Der bishe­ri­ge Höchst­stand wurde am 22. Dezem­ber mit 197,6 erreicht. Mit 56,8 am 19. Febru­ar war der Wert auf einem Tiefstand erreicht. Seither geht es wieder merklich aufwärts, aktuell in großen Schritten.

Weniger drama­tisch entwi­ckelt sich — vor allem wohl wegen der fortschrei­ten­den Impfung von Menschen höheren Alters und aus anderen Gruppen mit höherem Covid-19-Sterbe­ri­si­ko — bisher die Zahl der Toten. Beim RKI wurden zuletzt inner­halb von 24 Stunden 294 neue Todes­fäl­le verzeich­net. Das geht aus Zahlen von Donners­tag­mor­gen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05.03 Uhr wieder­ge­ben, nachträg­li­che Änderun­gen oder Ergän­zun­gen des RKI sind möglich.

Vor einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 20 407 Neuin­fek­tio­nen und 306 neue Todes­fäl­le verzeich­net. Im März waren an einigen Tagen weniger als 50 Todes­fäl­le erfasst worden, während der zweiten Welle hinge­gen an mehre­ren Tagen im Dezem­ber und Januar mehr als 1000.

Eine extre­me Belas­tung bedeu­ten die hohen Infek­ti­ons­zah­len vieler­orts für die Inten­siv­sta­tio­nen, die Zahl der Covid-19-Patien­ten dort steigt von Tag zu Tag deutlich. Betrof­fen sind Medizi­nern zufol­ge immer mehr jünge­re Menschen. Bei den unter 50-Jähri­gen sterbe jeder fünfte Inten­siv­pa­ti­ent, bei den Älteren im Schnitt jeder zweite, hatte Gernot Marx, Präsi­dent der Deutschen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Verei­ni­gung für Inten­siv- und Notfall­me­di­zin (Divi), kürzlich gesagt.

Das RKI zählte seit Beginn der Pande­mie 3 073 442 nachge­wie­se­ne Infek­tio­nen mit Sars-CoV‑2 in Deutsch­land. Die tatsäch­li­che Gesamt­zahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infek­tio­nen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genese­nen gab das RKI mit etwa 2 736 100 an. Die Gesamt­zahl der Menschen, die an oder unter Betei­li­gung einer nachge­wie­se­nen Infek­ti­on mit Sars-CoV‑2 gestor­ben sind, stieg auf 79 381.

Der bundes­wei­te Sieben-Tage-R-Wert lag nach dem RKI-Lagebe­richt von Mittwoch­abend bei 1,11 (Vortag: 1,08). Das bedeu­tet, dass 100 Infizier­te rechne­risch 111 weite­re Menschen anste­cken. «Der 7‑Tage-R-Wert liegt weiter­hin über 1. Bei den aktuell deutlich erhöh­ten Fallzah­len bedeu­tet dies ein hohes Risiko einer weite­ren starken Zunah­me der Fallzah­len», hieß es im Lagebericht.

Der R‑Wert bildet jeweils das Infek­ti­ons­ge­sche­hen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für länge­re Zeit unter 1, flaut das Infek­ti­ons­ge­sche­hen ab; liegt er anhal­tend darüber, steigen die Fallzahlen.