WANGEN — Die Stadt Wangen im Allgäu hat seit zehn Jahren einen Jugend­ge­mein­de­rat. Als 2012 zum ersten Mal die neue Jugend­ver­tre­tung als politi­sches Gremi­um gewählt wurde, war es neben Weingar­ten und Isny die Nummer drei in der Region. Nun hat die Stadt Wangen alle Jugend­ge­mein­de­rä­te einge­la­den und an die 30 waren am Freitag­abend am Ende auch gekom­men. Oberbür­ger­meis­ter Micha­el Lang begrüß­te sie gemein­sam mit Vertre­tern der Fraktio­nen im Gemein­de­rat und zweier SPD-Vorstän­de im ehema­li­gen Baumwoll­la­ger in der ERBA. Ebenfalls mit dabei waren Alexan­dra Weidmann und Marina Schmid, die von Beginn an die Arbeit des Jugend­gre­mi­ums organisierten.

Spannend war zunächst die Vorstel­lungs­run­de, weil sich lange nicht alle Anwesen­den kannten oder erkann­ten. Mit am weites­ten dürfte die Anrei­se für Laura Reute­mann gewesen sein. Sie verbrach­te zuletzt Zeit in Charles­ton, South Caroli­na, als Teaching Assistant und war tags zuvor zurück­ge­kom­men. Auch Anna Kalhorn legte einen vergleichs­wei­se weiten Weg zurück. Sie forscht in Wien in Sachen Stadt­pla­nung. Beide gehör­ten dem ersten Jugend­ge­mein­de­rat an, der 2012 an den Start ging. 

Samuel Jungblut, aus dem zweiten Jahrgang, hat sich als Polizist vor nicht allzu langer Zeit von Stutt­gart nach Wangen verset­zen lassen. Für sich und seine Familie sucht er derzeit eine Wohnung vor Ort. Jakob Voche­zer studiert Politik und Verwal­tungs­wis­sen­schaf­ten und macht momen­tan ein Prakti­kum bei der Stadt Wangen. OB Lang beschei­nig­te ihm viele Kennt­nis­se, die er auch schon als Jugend­ge­mein­de­rat erwor­ben hat. Angesichts von Julian Weber, der von 2013 bis 16 im JGR mitwirk­te und heute Teil der GOL-Frakti­on im Gemein­de­rat ist, äußer­te er die Hoffnung, dass irgend­wann lauter frühe­re Jugend­ge­mein­de­rä­te bei den Kommu­nal­wah­len kandidieren.

Die jungen Gäste nutzten prompt die Chance zum Austausch und zum Netzwer­ken. Denn auch dazu lud OB Lang die jungen Leute ein. Er erinner­te an die Initia­to­ren, die die ersten Wahlen überhaupt ermög­lich­ten. Denn sie alle arbei­te­ten an dem Konzept der Jugend­ver­tre­tung mit, wissend, dass sie zu alt sein würden, um darin mitzu­wir­ken. „Es braucht immer Initia­ti­ven, damit etwas entste­hen kann“, sagte OB Lang. 

Bei der Runde über das Landes­gar­ten­schau­ge­län­de staun­ten die jungen Leute nicht schlecht, was sich hier getan hat und noch tut. Patri­cia Hack, ebenfalls aus dem ersten JGR-Jahrgang, erzähl­te, dass sie als Schüle­rin einmal bei einer Übung des Katastro­phen­schut­zes als „Opfer“ im Bereich der alten Arbei­ter­häu­ser war. Sie fand es sehr erstaun­lich, wie sich das Areal entwi­ckelt. OB Lang hob jene Punkte beson­ders hervor, die junge Menschen inter­es­sie­ren könnten: Sport­an­la­gen wie die neue, im Bau befind­li­che Reitan­la­ge, die Spiel­plät­ze, der geplan­te Aussichts­turm, der DAV-Kletter­turm, die Anlagen, die im Sport­park entste­hen und die neuen Radweg­ver­bin­dun­gen. Die Führung endete im Alten Feuer­wehr­haus. Nach einem kurzen Imbiss traf sich die Jugend zum eigenen Programm im Jugendhaus. 

Rückblick auf 10 Jahre Jugendgemeinderat

78 junge Leute stell­ten sich im Febru­ar 2012 zur Wahl, weil sie als „Stimme der Jugend“ zu bestimm­ten Fragen im Gemein­de­rat auftre­ten und Ansprech­part­ner für die Verwal­tung sein wollten. „Die Initia­ti­ve für die Etablie­rung eines Jugend­ge­mein­de­rats ging 2011 von Jugend­li­chen aus. Allen voran Manuel und Mike Hengge, Linda und Sarah Kempter, Tobias Dlugosch und Kevin Joder kamen auf die Stadt mit diesem Anlie­gen zu“, erzählt Alexan­dra Weidmann, die das Projekt Jugend­ge­mein­de­rat von Beginn an betreut hat. Gemein­sam mit den jungen Leuten sowie ihrem Kolle­gen im Jugend­haus, Jörg Retten­mai­er, dem damali­gen Haupt­amts­lei­ter Hermann Weinschenk, dem Kultur- und Sport­amts­lei­ter Hermann Spang und der Prakti­kan­tin Sarah Rapp wurde bei diver­sen Sitzun­gen die Satzung konzi­piert, die vom Gemein­de­rat schließ­lich verab­schie­det wurde. Sie legt den JGR als politi­sche Jugend­ver­tre­tung fest. Dann ging es an die Wahlvorbereitungen.

Von Beginn an waren die Rekto­ren der Wange­ner Schulen starke Unter­stüt­zer des neuen Jugend­gre­mi­ums. Denn es sind nicht nur Wange­ner Jugend­li­che, die sich aufstel­len lassen und die wählen können. Beides ist auch für Jugend­li­che möglich, die auswärts wohnen, aber in Wangen zur Schule gehen und damit auch sehr viel Zeit in der Stadt verbrin­gen. „Ohne Schul­lei­ter keine Wahlen“, summiert Alexan­dra Weidmann den wertvol­len Einsatz der Schul­lei­tun­gen. Denn die Jugend­li­chen dürfen im Unter­richt für den JGR werben, wenn Wahlen anste­hen und es wird auch in den Schulen gewählt. Und sie dürfen auch während der Unter­richts­zeit an Veran­stal­tun­gen teilneh­men. Ein Beispiel sind die Veran­stal­tun­gen „Schule trifft Rathaus, zu denen die Landes­zen­tra­le für politi­sche Bildung Schüle­rin­nen und Schüler und Vertre­ter der Stadt Wangen einlädt, die dann auch von Jugend­ge­mein­de­rä­ten unter­stützt werden.

Oberbür­ger­meis­ter Micha­el Lang machte von Beginn an deutlich, dass ihm sehr an dieser „Stimme der Jugend“ liegt und er sie in jeder Weise unter­stützt. So gab er schon dem ersten JGR auf den Weg mit: „Ich hoffe, dass Sie viel Freude in Ihrem Amt haben und wir gemein­sam etwas bewegen können.“ 

Inzwi­schen gehört zum Start jeder JGR-Legis­la­tur­pe­ri­ode auch ein Hütten­auf­ent­halt. Bei dieser Klausur, die von der Landes­zen­tra­le für politi­sche Bildung unter­stützt wird, lernen die jungen Leute, was ihre Aufga­ben in dem Gremi­um sind und wie sie sich Gehör verschaf­fen können. Norma­ler­wei­se kommt Oberbür­ger­meis­ter Micha­el Lang dazu, berich­tet aus der Welt der Kommu­nal­po­li­tik und erklärt, was in Wangen gerade wichtig ist. Alexan­dra Weidmann hat beobach­tet, dass dieses Zusam­men­tref­fen den jungen Leuten vor allem die Scheu nimmt, auf den OB zuzugehen. 

Zwei Jugend­ge­mein­de­rä­te haben das Recht im Gemein­de­rat am Ratstisch zu sitzen und bei Themen, die Kinder, Jugend­li­che und Schul­the­men berüh­ren, auch zu sprechen. So waren sie zum Beispiel einge­bun­den bei Schul­bau-Fragen, wie an der Johann-Andre­as-Rauch-Realschu­le, bei der Schul­ent­wick­lung insge­samt und sehr engagiert auch im Vorfeld der Sanie­rung des Freibads Stefans­hö­he. Der JGR starte­te dazu eine Umfra­ge um festzu­stel­len, welche Attrak­tio­nen die Jugend­li­chen im Bad gerne hätten. Jedes der fünf Gremi­en suchte sich nach Möglich­keit ein Projekt, das umgesetzt wurde. Der Grill­platz beim Jugend­haus gehör­te ebenso dazu, wie das Kleider­ka­rus­sell, das die Jugend­li­chen im Jugend­haus organi­sier­ten. Dazu gehör­ten auch Abende zu den verschie­dens­ten Wahlen. In lebhaf­ter Erinne­rung blieb vielen Anwesen­den ein Abend zu den Kommu­nal­wah­len 2014, bei dem die Jugend­li­chen Kandi­da­ten der verschie­de­nen Partei­en im Jugend­haus auf den Zahn fühlten. Aber auch jetzt in Corona-Zeiten, als die US-Wahlen auf dem Plan standen, stell­ten Vertre­ter des JGR die Beson­der­hei­ten des dorti­gen Wahlsys­tems vor. Corona zwang sie wie so oft in dieser Zeit zur Zoom-Konferenz.

Als starke „Stimme der Jugend“ ist der Jugend­ge­mein­de­rat zuneh­mend auch außer­halb des kommu­na­len Feldes gefragt. So traten Lukas Häring, Pia Wiltsche und Paul Gschwent­ner beim Europa­tag im Vorfeld der Europa­wahl 2019 auf. Sie machten deutlich wie wichtig ihnen ein weltof­fe­nes Europa ist.

Zu den beson­de­ren Höhepunk­ten gehör­ten von Anfang an Fahrten nach Berlin in den Bundes­tag auf Einla­dung der Abgeord­ne­ten Agnieszka Brugger. Dabei standen immer spannen­de Besuche im Parla­ment und ein Blick hinter seine Kulis­sen auf dem Programm. Aber auch sonst liefer­te die Haupt­stadt den jungen Wangen­ern stets jede Menge beein­dru­cken­der Erleb­nis­se. Später fuhren die Jugend­ge­mein­de­rä­te auch in die Partner­stadt Prato, wo jeweils Kontak­te zu jungen Leuten geknüpft wurden und wo sie Einbli­cke ins Leben der jungen Italie­ner nehmen konnten. Gerade vor Kurzem waren einige JGR-Mitglie­der dort und kamen mit einem Rucksack voller Erleb­nis­se und Eindrü­cke zurück.