BERLIN (dpa) — Sommer­pau­se und das bis Anfang Septem­ber — klingt gut. Doch ob die Abgeord­ne­ten des Bundes­tags tatsäch­lich dann erst wieder nach Berlin zurück­kom­men werden, ist längst nicht ausgemacht.

Ukrai­ne-Krieg, Gas-Krise, Corona-Pande­mie — selten zuvor war ein Sommer so problem­be­la­den wie dieser. Und alle Krisen könnten sich jeder­zeit zuspit­zen und schnel­les politi­sches Eingrei­fen erfor­dern. Der Bundes­tag hat sich zwar gerade in seine zweimo­na­ti­ge Sommer­pau­se verab­schie­det. Aber wird es dabei bleiben? Oder droht den 736 Abgeord­ne­ten eine Sonder­sit­zung samt Urlaubsunterbrechung?

In den vergan­ge­nen Tagen wurde im Regie­rungs­vier­tel gern an einen Satz des frühe­ren Bundes­tags­prä­si­den­ten Norbert Lammert erinnert. Der CDU-Mann entließ am 3. Juli 2015 die Abgeord­ne­ten mit der Bemer­kung «Schwim­men Sie nicht zu weit raus» in die Sommer­pau­se. Damals boomte die Griechen­land-Krise. Sie machte nur zwei Wochen später tatsäch­lich eine Sonder­sit­zung nötig. Diesmal riet Bundes­tags­prä­si­den­tin Bärbel Bas (SPD) den Abgeord­ne­ten, «regel­mä­ßig in ihre Postfä­cher zu schau­en». Denn: «Es kann sein, dass ich Ihnen eine verpflich­ten­de Dienst­rei­se nach Berlin organi­sie­re. Ich hoffe nicht, dass das so kommt.»

Zeigen könnte sich dies schon um den 21. Juli herum, wenn die nun begin­nen­den Wartungs­ar­bei­ten an der Ostsee­pipe­line Nord Stream 1 abgeschlos­sen sein müssten. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht. «Es kann zu Situa­tio­nen kommen, wo wir natür­lich eine Sonder­sit­zung brauchen könnten», sagte vor wenigen Tagen die Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­re­rin der SPD-Frakti­on, Katja Mast. Sie riet ihren Kolle­gen, «gut erreich­bar» zu sein.

Und auch Thors­ten Frei, der Erste Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der CDU/C­SU-Frakti­on, liste­te auf: Ukrai­ne, Energie, Pande­mie — «das ist alles geeig­net, Sonder­sit­zun­gen des Bundes­tags zu erfor­dern». Was aber auch nicht weiter schlimm wäre. Niemand könne davon ausge­hen, «dass man jetzt zwei Monate nicht mehr nach Berlin kommen braucht».

Tatsäch­lich müssen die Abgeord­ne­ten immer wieder die Sommer­pau­se unter­bre­chen. Im vergan­ge­nen Jahr saßen sie am 25. August außer­plan­mä­ßig im Bundes­tag, um über Milli­ar­den-Staats­hil­fen für die Opfer der Flutka­ta­stro­phe in Rhein­land-Pfalz und Nordrhein-Westfa­len zu beraten. Außer­dem gab Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) eine Regie­rungs­er­klä­rung zum Bundes­wehr-Evaku­ie­rungs­ein­satz in Afgha­ni­stan ab. Und die Abgeord­ne­ten verlän­ger­ten im Kampf gegen das Corona­vi­rus die epide­mi­sche Lage von natio­na­ler Tragwei­te um drei Monate.

Eine Sitzung dauer­te nur fünf Minuten

Beson­ders aufwen­dig war eine Sitzung im Juli 2019 zur Verei­di­gung der neuen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin Annegret Kramp-Karren­bau­er (CDU). Um das nicht zur Fünf-Minuten-Sache werden zu lassen, gab diese noch eine Regie­rungs­er­klä­rung ab, an die sich eine Ausspra­che anschloss. Das Problem damals: Wegen Bauar­bei­ten im Plenar­saal, die unmit­tel­bar mit Beginn der Sommer­pau­se angefan­gen hatten, konnten die Abgeord­ne­ten nur im Foyer des benach­bar­ten Paul-Löbe-Hauses tagen. Dieses musste aber erst als Ersatz­ple­nar­saal herge­rich­tet werden.

Dauer der Sitzung damals: 99 Minuten. Es ging aber einmal wirklich in nur fünf Minuten — als 1978 die Abgeord­ne­ten aus den Ferien geholt wurden, um die Immuni­tät eines Kolle­gen aufzu­he­ben. Und es gab auch schon Anläs­se, die heute merkwür­dig klingen: 1964 war die Erhöhung von Telefon­ge­büh­ren um zwei Pfennig der Grund für eine Sondersitzung.

Ein Regie­rungs­mit­glied jeden­falls hat jetzt schon mal seine Urlaubs­plä­ne zusam­men­ge­stri­chen: Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach. «Das wird für mich kein Sommer sein, wo ich luxuri­ös urlau­ben kann», sagte er am Freitag. Aller­dings befürch­tet der SPD-Mann nicht etwa eine Sonder­sit­zung des Bundes­tags. Er verwies auf ein stram­mes Arbeits­pro­gramm in den nächs­ten Wochen, das keinen Aufschub duldet.

Von Ulrich Stein­kohl, dpa