BERLIN (dpa) – Ein Ritual bei TV-Debat­ten ist, dass hinter­her jede Seite den Sieg für sich rekla­miert. Beim Triell der Kanzler­kan­di­da­ten von ARD und ZDF ist das nicht anders. Doch die Blitz­um­fra­gen sind deutlich.

Nach der zweiten TV-Debat­te der Kanzler­kan­di­da­ten von CDU/CSU, SPD und Grünen sieht sich die in den Umfra­gen zurück­lie­gen­de Union gut für die Aufhol­jagd in den letzten beiden Wochen bis zur Wahl gerüstet.

Aller­dings ermit­tel­ten zwei Blitzer­he­bun­gen von Meinungs­for­schungs­in­sti­tu­ten erneut den SPD-Bewer­ber Olaf Scholz als Gewin­ner des Triells, das am Sonntag­abend von ARD und ZDF gesen­det wurde. Wie schon vor zwei Wochen lag der CDU-Vorsit­zen­de Armin Laschet bei der Frage, wer am überzeu­gends­ten und glaub­wür­digs­ten war, noch hinter der Grünen-Kanzler­kan­di­da­tin Annale­na Baerbock. Sie punkte­te jetzt in beiden Umfra­gen mit den besten Sympathiewerten.

Mehr Schär­fe als vor zwei Wochen bei den Sendern RTL und ntv kam jetzt durch die Ermitt­lun­gen gegen die Geldwä­sche-Zentral­stel­le des Zolls in die Debat­te. Die Finan­cial Intel­li­gence Unit (FIU) gehört in den Geschäfts­be­reich von Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Scholz. Vor allem Laschet versuch­te, Scholz mit Attacken unter Druck zu setzen. Dabei griff er auch nochmals den Wirecard- und den Cum-Ex-Skandal auf. Bei den inhalt­li­chen Fragen wie etwa dem Klima­schutz oder der Bekämp­fung der Corona-Pande­mie gab es praktisch keine neuen Argumen­te. Jedoch wurden diesmal auch Themen wie Digita­li­sie­rung oder Renten angespro­chen, die vor zwei Wochen keine Rolle gespielt hatten.

Umfra­gen zum Triell

Blitz­um­fra­gen im Auftrag von ARD und ZDF sahen Scholz auch in der zweiten TV-Debat­te als Sieger. Infra­test-Dimap ermit­tel­te für die ARD, dass 41 Prozent der Zuschau­er Scholz am überzeu­gends­ten fanden, gefolgt von Laschet mit 27 und Baerbock mit 25 Prozent. Bei der Forschungs­grup­pe Wahlen im Auftrag des ZDF sahen 31 Prozent der Befrag­ten Scholz am glaub­wür­digs­ten an, Baerbock befand sich mit 25 Prozent hinter ihm, Laschet rangier­te mit 22 Prozent auf dem dritten Platz. Bei der Frage, wer in der 90-minüti­gen Runde am sympa­thischs­ten rüber­ge­kom­men sei, lag Baerbock in beiden Umfra­gen vorn und Laschet hinten.

Schlag­ab­tausch zur Geldwäsche

Dieses heikle Thema sprachen die Modera­to­ren Maybrit Illner und Oliver Köhr relativ früh an. Sie wollten von Scholz wissen, wie gefähr­lich die Durch­su­chun­gen der Staats­an­walt­schaft Osnabrück in seinem Minis­te­ri­um im Zusam­men­hang mit Ermitt­lun­gen gegen FIU-Verant­wort­li­che sein könnten. Er antwor­te­te, die Unter­su­chun­gen seien «zur Unter­stüt­zung dieser Erkennt­nis­ge­win­nung durch­ge­führt worden, und das hat gar nichts mit den Minis­te­ri­en zu tun, wo das statt­ge­fun­den hat». Die Minis­te­ri­en hätten «alles gemacht, was in dieser Frage notwen­dig ist».

Laschet warf ihm umgehend Schön­red­ne­rei vor. «Sie haben die Aufsicht über (den Bereich) Geldwä­sche», hielt er ihm vor. Es sei unange­mes­sen, wie der Minis­ter im Zusam­men­hang mit den Durch­su­chun­gen über die Justiz geredet habe. «Wenn die kommen, müssen Sie sagen, hier, ich lege alles offen, und denen nicht vorschrei­ben, wie sie zu arbei­ten haben.»

Laschet warf Scholz auch vor, Millio­nen Klein­an­le­ger hätten im sogenann­ten Wirecard-Skandal viel Geld verlo­ren, weil er als Minis­ter die Finanz­auf­sicht nicht richtig ausge­rich­tet habe. Auch im Cum-Ex-Skandal um Steuer­erlas­se für die Hambur­ger Warburg-Bank in der Zeit von Scholz als Erstem Bürger­meis­ter der Hanse­stadt attackier­te Laschet den SPD-Konkurrenten.

Baerbock sagte zu den Durch­su­chun­gen im Finanz­mi­nis­te­ri­um, sie könne von außen nicht sagen, was richtig oder falsch sei. Eines der größten Proble­me auch mit Blick auf den Staats­haus­halt sei aber, «dass dem Staat rund 50 Milli­ar­den Euro jährlich durch Steuer­be­trug, durch Geldwä­sche, durch krimi­nel­le Aktivi­tä­ten durch die Lappen gehen».

Neue Themen in der Debatte

Vor zwei Wochen war kriti­siert worden, dass DIGITALISIERUNG keine Rolle gespielt habe. Nun wurden Baerbock, Scholz und Laschet danach befragt — und alle drei benann­ten Fortschrit­te hier als dring­li­che Aufga­be der neuen Regie­rung. «Wir haben viel gemacht, aber es reicht nicht», sagte Laschet. Er bekräf­tig­te seinen Plan, im Fall einer Kanzler­schaft ein Digital­mi­nis­te­ri­um einzu­rich­ten. Baerbock lehnte ein solches Minis­te­ri­um ab, das Zukunfts­the­ma Digita­li­sie­rung müsse in den Aufga­ben­be­reich des Kanzle­rin­nen­am­tes, forder­te sie. Scholz beton­te, dass für die Breit­band­in­fra­struk­tur schon viel Geld zur Verfü­gung gestellt worden sei. «Ich glaube, es liegt schon längst nicht mehr am Geld.»

Kontro­ver­ser wurde es beim Thema MIETEN. Scholz und Baerbock sprachen sich dafür aus, Schran­ken gegen steigen­de Mieten zu errich­ten. Es müsse auf Bundes­ebe­ne ermög­licht werden, für Städte mit explo­die­ren­den Mieten Obergren­zen einzu­zie­hen, sagte Baerbock. Scholz erläu­ter­te, neben dem Bau von 400.000 neuen Wohnun­gen pro Jahr strebe die SPD ein «Mietmo­ra­to­ri­um» an, damit bei Neuver­mie­tun­gen Mieten nicht mehr so stark steigen könnten. Laschet legte den Fokus auf Anrei­ze für Inves­ti­tio­nen in zusätz­li­che Wohnun­gen. Nötig sei «mehr und schnel­le­res Bauen». Dazu müsse man zum Beispiel die Bauord­nung vereinfachen.

Kranken­ver­si­che­rung

Beim Thema Kranken­ver­si­che­rung zogen Scholz und Baerbock an einem Strang. Beide befür­wor­te­ten die Einfüh­rung einer Bürger­ver­si­che­rung, in die alle einzah­len. Das sei für ihn «eine Herzens­an­ge­le­gen­heit schon seit langer Zeit», sagte Scholz. Baerbock beton­te: «Ja, ich will den Weg zu einer Bürger­ver­si­che­rung gehen, die bedeu­tet, dass viel mehr Menschen einzah­len.» Der erste Schritt sei, «dafür zu sorgen, dass Menschen, die jetzt privat versi­chert sind, in die Gesetz­li­che wechseln können». Laschet lehnte eine solche Versi­che­rung ab. «Hier unter­schei­den wir uns funda­men­tal.» In Dänemark oder auch Großbri­tan­ni­en habe die Einheits­ver­si­che­rung ein schlech­te­res Gesund­heits­sys­tem zur Folge.

Konträr ging es auch beim Thema RENTE zu. Scholz sagte, man müsse jungen Leuten die Garan­tie geben, dass das Renten­ein­tritts­al­ter und das Renten­ni­veau stabil blieben. Laschet nannte diese Aussa­ge nicht seriös. Man könne nicht Menschen, die heute ins Berufs­le­ben starten, sagen, es werde alles so bleiben. So müsse bei der betrieb­li­chen Alters­vor­sor­ge ein besse­res System gefun­den werden, die Riester-Rente sei nicht effek­tiv und attrak­tiv. Baerbock sprach sich für mehr Fachkräf­te­zu­wan­de­rung und einen gesetz­li­chen Mindest­lohn von 12 Euro aus. Außer­dem müssten mehr Frauen in Vollzeit arbei­ten können.

Reaktio­nen der politi­schen Lager 

Für CDU-General­se­kre­tär Paul Ziemi­ak war die Sache klar: «Wir haben heute einen überzeu­gen­den Armin Laschet erlebt. Er war der einzi­ge Kandi­dat im Kanzler­for­mat und insofern war es ein spannen­der und auch sehr guter Abend», sagte Ziemi­ak der Deutschen Presse-Agentur im Anschluss an die Sendung.

CSU-Chef Markus Söder rechnet jetzt fest mit einem Stimmungs­wech­sel zuguns­ten der Union. «Das war ein überzeu­gen­der Auftritt und klarer Punkt­sieg für Armin Laschet. Das ist eine Trend­wen­de und gibt Rücken­wind für den Schluss­spurt», sagte der bayeri­sche Minis­ter­prä­si­dent der dpa in München.

Ganz ähnlich wie bei Ziemi­ak fiel das Resümee von SPD-General­se­kre­tär Lars Kling­beil aus. Er sagte dem ZDF über den SPD-Kanzler­kan­di­da­ten Scholz: «Er hat gezeigt, dass er Kanzler­for­mat hat. Er hat gezeigt, dass er Ideen hat, wie wir das Land jetzt in schwie­ri­gen Zeiten voran­brin­gen können.»

Und Grünen-Bundes­ge­schäfts­füh­rer Micha­el Kellner sah natür­lich die eigene Kandi­da­tin vorn: «Annale­na Baerbock hat so richtig gezeigt, dass sie für einen Aufbruch, für Erneue­rung steht, die beiden anderen Herren für ein “Weiter so”», sagte Kellner der dpa nach der Sendung. Während Laschet und Scholz sich gegen­sei­tig attackiert hätten, habe Baerbock konkre­te Lösun­gen für Proble­me in Deutsch­land aufgezeigt.

Reaktio­nen anderer Parteien 

«Beim Triell ging es um viel Geld, das verteilt werden soll. Unser Vorschlag kam nicht zur Sprache: Bildung», schrieb FDP-Chef Chris­ti­an Lindner am Sonntag­abend auf Twitter. «Aber vor allem fehlten Ideen, wie wir unsere Wirtschaft nach der Krise stärken, um überhaupt die Mittel für Sozia­les und Ökolo­gi­sches zu gewin­nen.» Auch der Linken-Spitzen­kan­di­dat Dietmar Bartsch äußer­te sich auf Twitter: «Triell war insge­samt enttäu­schend. Gute Arbeit, Kinder­ar­mut, Infla­ti­ons­ent­wick­lung, gleiche Lebens­ver­hält­nis­se in Ost-West spiel­ten keine Rolle.» Zu Recht sei es aber zentral darum gegan­gen, ob seine Links­par­tei in eine Koali­ti­on einbe­zo­gen werde oder nicht.